Kommentar Terrorwarnung: Deutschland bleibt cool

Unglücklicherweise spricht einiges dafür, dass an der Terrorgefahr etwas dran sein könnte. Deshalb blieb dem Innenminister gar nichts anderes übrig, als an die Öffentlichkeit zu gehen.

Die Bundesregierung warnt vor einem terroristischen Anschlag. Schon blühen die Spekulationen, was die wahren Gründe für die dramatischen Worte sein könnten. Will die Bundesregierung damit weitere, noch schärfere Sicherheitsgesetze durchsetzen? Nimmt sie dafür in Kauf, Muslime in diesem Land als potenzielle Terroristen zu stigmatisieren? Greift die Regierung Merkel gar angesichts schlechter Umfragewerte zum letzten Strohhalm, um ihre eigene Popularität aufzuwerten, indem sie einen äußeren Feind herbeiredet?

Es gibt bisher keinerlei Anzeichen dafür, dass diese oder ähnliche Spekulationen mehr sind als billige Verschwörungstheorien von Zeitgenossen, die alles schon immer besser wussten. Denn dem Innenminister muss attestiert werden, dass er seine Warnung eben nicht mit Worten der ideologischen Mobilmachung begleitet. Einige Gernegroß-Politiker aus der zweiten Reihe mögen die Angelegenheit nutzen, um mit scharfen Sprüchen ihre Reputation aufzubessern. Thomas de Maizière hingegen hat die Bürger lediglich darum gebeten, das Alltagsleben so fortzuführen wie gehabt. Das ist das Gegenteil von Hysterie.

Ob die Terrorwarnung selbst nun gerechtfertigt ist oder nicht, kann derzeit niemand beurteilen, weil die Fakten geheim sind. Unglücklicherweise spricht einiges dafür, dass an der Gefahr etwas dran sein könnte. Deshalb blieb dem Innenminister gar nichts anderes übrig, als an die Öffentlichkeit zu gehen. Hätte er die Warnung unterlassen, wäre de Maizière im Falle eines Anschlags zu Recht Versagen vorgeworfen worden. Hätte er eine verstärkte Polizeipräsenz angeordnet, ohne sie zu begründen, wären die Spekulationen erst recht ins Kraut geschossen. Und schließlich verweisen Polizeiexperten darauf, dass die Warnung auch dazu dienen könnte, potenzielle Attentäter aufzuschrecken.

Deutschland hat sich - oberflächlich betrachtet - seit der Warnung vom Mittwoch nicht verändert. Niemand bläst ernsthaft zur Hatz auf Muslime. Kein Bürger wurde präventiv in Haft genommen. Ob wer wann und in welchem Ausmaß ohne triftigen Grund gerade abgehört wird, entzieht sich freilich unserer Kenntnis. Ob es bei der entspannten Stimmung bleibt, wissen wir auch nicht. Wie die Deutschen aber auf einen großen Anschlag reagieren würden, wenn er denn durchgeführt würde, möchten wir uns lieber gar nicht vorstellen.

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Jahrgang 1957, ist Mitarbeiter der taz und Buchautor. Seine Themenschwerpunkte sind Zeitgeschichte und der Nahe Osten. Hillenbrand ist Autor mehrerer Bücher zur NS-Geschichte und Judenverfolgung. Zuletzt erschien von ihm: "Die geschützte Insel. Das jüdische Auerbach'sche Waisenhaus in Berlin", Hentrich & Hentrich 2024

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