Neue schwarzgrüne Option: Sachsens Regent offen für Grüne

Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) will nicht mehr mit der SPD koalieren, kritisiert heftig die FDP - und schließt deshalb eine Koalition mit den Grünen nach der Wahl im August nicht aus.

Schon bald per Du mit den Grünen? Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich. Bild: ap

DRESDEN taz | Sachsens Ministerpräsident Stanislaw Tillich (CDU) hat den Bündnisgrünen

im Freistaat ein indirektes Koalitionsangebot unterbreitet. Nach der

Landtagswahl am 30. August sei er zu Gesprächen mit allen Parteien außer

der Linken und der NPD bereit. "Die Grünen schließe ich da explizit

nicht aus", sagte Tillich der Financial Times. "Mit den Grünen gibt es

genauso Schnittmengen wie es sie mit der FDP gibt." Die

Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag Antje Hermenau lehnte die

Offerte zwar ab, schlug aber nicht alle Türen zu. "Was der

Ministerpräsident auf seinem Zukunftskongress in der letzten Woche

vorgelegt hat, reicht nicht aus, um Sachsen zu modernisieren. Für ein

'Weiter so!' stehen wir Grünen aber nicht zur Verfügung", sagte sie der

taz.

"Die Grünen schließe ich da explizit nicht aus", sagte Tillich der Financial Times Deutschland. "Mit den Grünen gibt es genauso Schnittmengen, wie es sie mit der FDP gibt." Die Fraktionsvorsitzende der Grünen im Landtag, Antje Hermenau, lehnte umgehend ab und betonte die programmatischen Unterschiede. "Darum halten wir Grünen von dieser Koalition nichts und wollen sie in Sachsen verhindern", sagte sie der taz.

Umfragen bescheinigen der Union in Sachsen etwa 42 Prozent der Wählerstimmen. Wie 2004 braucht sie deshalb absehbar einen Koalitionspartner. Die SPD soll es nicht mehr sein. Allgemein wird deshalb mit einer Koalition mit der FDP gerechnet, die derzeit knapp zweistellig abschneidet. Erst auf dem Landesparteitag am vergangenen Wochenende hatte der wiedergewählte FDP-Landesvorsitzende Holger Zastrow den Anspruch auf Mitregierung bekräftigt.

Die verbale Öffnung Tillichs in Richtung Grün ist nicht die erste Offerte dieser Art. Im April hatte bereits Landtagsfraktionschef Steffen Flath diese Rolle übernommen. Es gebe "außerhalb der Reizthemen Kernenergie und Biotechnologie durchaus in den Programmen Übereinstimmung", sagte er.

Tillich verband sein Angebot an die Grünen nun mit heftiger Kritik an den Liberalen und rückte damit von der Linie der Bundespartei ab. Jede Stimme für die FDP sei eine "verlorene Stimme für das bürgerliche Lager", hatte er schon in der Vorwoche gegenüber der Thüringer Allgemeinen geäußert. Jetzt legte er nochmals nach. Die FDP habe auch kein glaubwürdiges Angebot zur Lösung der Krise.

In Dresden werden auf den Fluren des Landtages die Grün-Offerten Tillichs und Flaths als rein wahltaktisches Manöver in Richtung FDP eingestuft. "Will er nur potenzielle Partner unter Druck setzen, oder geht es ihm ernsthaft um eine Modernisierung Sachsens?", fragt die Grüne Hermenau. Offensichtlich gehe es darum, den Preis für die Wunschoption FDP jetzt schon hochzutreiben. Außerdem ziehen die im Augenblick sehr selbstbewusst auftretenden Liberalen konservative Stimmen von der CDU ab.

FDP-Chef Zastrow schießt prompt zurück: "Die CDU ist zurzeit eine Wundertüte, man hat keine Ahnung, was drin ist: mal grüne Ökopolitik, mal rote Planwirtschaft, gelegentlich sogar ein Krümel Liberalismus", sagte er auf taz-Nachfrage.

Vermutet wird außerdem, dass der erneut wegen seiner DDR-Vergangenheit

in die Defensive geratene Ministerpräsident auf einem anderen

Politikfeld punkten wollte. Laut Gerichtsbeschluss muss Tillich alle

Personalakten offenlegen. Die sächsischen Bündnisgrünen hatten schon

vor Jahresfrist im April 2008 erste Spekulationen über Schwarz-Grün

zurückgewiesen. Über die klassischen programmatischen Unterschiede

nachhaltiger Politik hinaus ist seither keine Annäherung festzustellen.

In den beiden Untersuchungsausschüssen zum Desaster der

Sachsen-Landesbank und zum so genannten Sachsen-Sumpf gibt es

Kontroversen. Die geplante Verschärfung des Polizeigesetzes stößt auf

grünen Widerstand.

Den Grünen dürfte zudem noch das Jahr 1994 in den Knochen sitzen. Damals kostete sie das öffentliche Flirten mit Schwarz-Grün den Wiedereinzug in den Landtag und den heutigen Bundestagsabgeordneten Werner Schulz seine Spitzenämter. Aber auch in der CDU dürfte eine Annäherung an die Bündnisgrünen kaum mehrheitsfähig sein. Und auch in den Umfragen findet ein schwarz-grünes Koalitionsmodell mit 22 Prozent nur geringe Zustimmung.

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