die wahrheit: Die Hirngrätsche

Lothar Matthäus will, dass Deutschland sich schämt.

Wenigstens eine der beiden abgebildeten Personen hat Abitur: Lothar Matthäus mit Freundin Kristina. Bild: reuters

Ich hab mich ja lange am Riemen gerissen und nur zugesehen und Lothar Matthäus in Ruhe gelassen, trotz all seiner rhetorischen Eiertänze und Bauchlandungen, trotz seiner Torheiten und Deppenaufführungen in Serbien, Ungarn, Mosambik, Malaysia, Houston (Texas), Israel und knapp vor Argentinien, wo ers kürzlich bei einem Verein namens Racing Club de Avellaneda richten und denselben zugrunde und hinrichten sollte; denn ich verehre olle Matze Matthäus als recht unvergleichlichen Fußballer, der in einer Mischung aus, man weiß es nicht genau, unfrei- oder freiwilliger Selbstironie, Plapperitis und dumpf-mittelfränkischer Hybris sich unterstand zu sagen: "Ein Lothar Matthäus lässt sich nicht von seinem Körper besiegen, ein Lothar Matthäus entscheidet selbst über sein Schicksal."

Aber nun, Zuneigung oder Adoration hin oder her, reicht es. Irgendwann bricht der Krug. Matze, funzt noch alles ordentlich im Zerebralzirbelstüberl?

In der FAS vom vergangenen Sonntag stellte sich der deutsche Rekordnationalspieler Lothar Matthäus den Fragen von Christian Eichler. Und was er Eichler ins Diktafon quasselte, hat es in dieser babelturmhohen Form von Vermessenheit seit Nimrods Zeiten vermutlich noch nicht gegeben. Matze, ist es die Geisteskrätze? Oder warens bloß ein paar Halbe zu viel?

Beim österreichischen Erstligisten Red Bull Salzburg sei er, bevor man ihm Trapattoni vor die Nase setzte, "so mächtig gewesen wie Magath in Schalke", strunzte Matthäus herum, in Israel hingegen "hatte man mir ein neues Stadion versprochen, doch der Kran hat sich nicht einmal bewegt", und deshalb habe er, Matze Matthäus, seine Mission da unten bei den Negern - oder wie die da unten auch heißen mögen - rasch abgebrochen.

Andernorts, wo er als Trainer wirkte und herumwürgte, genieße er, der Lothar, jedoch ein Ansehen wie nicht mal Queen Elizabeth hoch Obama. "Wenn ich heute nach Wien komme", erzählte der honorige Bub aus Herzogenaurach, "schätzen mich die Leute. Und es ist nicht leicht, als Deutscher in Österreich geschätzt zu werden. Wenn ich nach Ungarn fahre, dann fangen die Leute schon an der Grenze an, sich zu freuen, und hoffen, dass ich nicht mehr rausfahre."

Nein, es war nicht das Bier. Er spinnt. Und ergänzt: "Überall, wo ich gearbeitet habe, werde ich heute herzlich empfangen." Und fügt hinzu: "Diese Wertschätzung habe ich in Deutschland nie bekommen." Es ist zum Greinen.

Gewiss, zweimal arschtrat Matze Matthäus auch diesmal gegen den Gummibandkasper Jürgen Klinsmann nach, zu unserem Pläsir, allein, worum geht es dem schmählich Missachteten eigentlich, dem Mann, der eigenem Bekunden zufolge von der Bild-Zeitung verleumdet wird wie seit Katharina Blum niemand mehr?

Er sagt es selber - in zwei Sätzen, kurz hintereinander, trotzig, flehentlich, bettelnd: "Ich biete mich nicht selbst an, wie es viele Zeitungen behaupten. Das habe ich nicht nötig." Zwischensatz. Und dann: "Jetzt muss mir einfach mal ein deutscher Verein das Vertrauen geben." Matze, holen wir den Hirnelektriker?

"Bei vielen Vereinen in Deutschland gibt es negative Reaktionen der Fans auf mich, für die ich nichts kann", meint er, etwa bei der Eintracht aus Frankfurt, bei der ein unterschriftsreifer Vertrag vorgelegen habe. Dummerweise hatten die Fans nicht vergessen, wer 1980 die Karriere des so genialen wie unaufdringlichen Jürgen Grabowski durch eine verbrecherische Blut-und-Boden-Grätsche beendet hatte. Unser oller Matze Matthäus. Der schließlich in diesem seinem jämmerlichen Bewerbungsschleimgeschwätz, aller verbrutzelten Restsynapsen endlich entledigt, preisgibt: "In anderen Ländern geht man mit Idolen anders um, und ich bin ein Idol im Fußball in Deutschland. Und ich sage es, auch wenn es vielleicht angeberisch klingt: Nach Franz Beckenbauer bin ich ganz sicher die zweitbekannteste Fußballpersönlichkeit Deutschlands weltweit. Und wie man mit so einem Idol umgeht in Deutschland, da muss sich Deutschland schämen." Da muss sich Deutschland schämen!!!

Ein Lothar Matthäus lässt sich von seinem Gehirn besiegen. Er entscheidet nicht mehr selbst über sein Schicksal. Er hatte das Schicksal in der Hand. Lange waren ihm die Götter günstig gestimmt, jetzt haben sie die Schnauze voll. Bundesligatrainer wird Lothar "Matze" Matthäus nie.

Doch wird sich bald Peru schämen müssen? Vorgestern meldete www.taeglich-fussball.de: "Jetzt steht der Rekordnationalspieler angeblich in Verhandlungen mit der peruanischen Nationalmannschaft." Peruaner, ich rate euch, liebe, liebe Peruaner: Tut es nicht! Und zurrt die Schlagbäume fest!

Die Wahrheit auf taz.de

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.