die wahrheit: Die Hüpfburg Allahs

Das gewagte Experiment: Ein Spaziergang als Mann in einer ganz normalen Burka durch eine x-beliebige deutsche Kleinstadt.

Mit seiner todschicken taubenblauen Burka spaziert der investigative Reporter durch den Stadtpark. Bild: ap

"Zelten ist hier verboten, junger Mann", spricht der Parkwächter nicht einmal unfreundlich durch das Sichtfenster meiner Burka. "Und zum Grillen sollten Sie da lieber rauskommen." – "Sie sprechen mit meinem Hinterkopf", entgegne ich mürrisch, denn ich habe mich in dem ungewöhnlich weit geschnittenen Kleidungsstück schon wieder verlaufen. Niedergeschlagen nehme ich meine Lammspießchen vom Feuer und verstaue den Grill in einer der geräumigen Seitentaschen meiner Burka. Verdammt, schon wieder aufgeflogen.

Ich bin eben nicht Günter Wallraff, jener unerschrockene Investigative, der nur mit ein wenig Schuhcreme und einem billigen Karnevals-Afro die perfekte Illusion zu schaffen und im Selbstversuch die Diskriminierung alternder Minstrel-Show-Darsteller in unserer Gesellschaft aufzuzeigen im Stande ist. Ich hingegen werde nicht einmal mit Burka als kulturelle Provokation ernst genommen.

Das Trampeln kleiner Füße auf der komplizierten Dachkonstruktion aus reiner Schurwolle beweist es schmerzlich: abermals ich bin mit einer Hüpfburg verwechselt worden. Dabei ist meine Verkleidung perfekt, ich trage die aufwändig gearbeitete Burka eines namhaften paschtunischen Couturiers, der hier freilich nicht genannt werden will, gilt doch schon die bloße Anfertigung von Herrenburkas in der traditionell modeverrückten Gesellschaft Afghanistans als absolutes No-no, als todeswürdiges fashion crime, es sei denn, man kann eine Ausnahme-Fatwa vorweisen, die außen sichtbar am weiten Gewand zu befestigen ist.

Seine bedenkliche Pracht entfaltet das verwaschen taubenblaue Tuch ohnehin erst im Inneren. Die doppelgesteppte Persenning ist vollständig mit Pailletten besetzt, vor meiner Nase baumelt eine Diskokugel und aus den Bordlautsprechern dudelt fortwährend "Stayin alive", denn so gebietet es derzeit das strenge Modediktat der malerisch zerklüfteten It-Girls des Hindukusch beziehungsweise das ihrer männlichen Verwandten.

Dies hier freilich ist nicht Afghanistan, sondern der Stadtpark einer x-beliebigen deutschen Kleinstadt, und meine Mitbürger begegnen dem reichlich Stoff gewordenen Symbol misslungener Integration mit erschreckender Ignoranz und kindlicher Naivität. Sie erkennen die islamistische Bedrohung nicht einmal, wenn sie laut und vernehmlich vor ihnen sitzt oder gar schreiend Richtung Weiher rollt, weil sie wieder mal auf den Saum getreten und gestolpert ist.

Ja, nicht einmal dann, wenn sie fluchend versucht, Kronkorken und abgenagte Knochen durch das engmaschige Sichtfenster ins Freie zu befördern, damit es hier drin nicht so verwohnt aussieht. Ich muss meine Burka heute Abend nämlich wieder besenrein abgeben, sonst ist die Kaution futsch.

"Irgendetwas Neues von Christo", stellte ich dar, wird gemutmaßt, und ein vorbeieilender Lokalpolitiker versucht gar, mich feierlich zu enthüllen. Noch so ein Fauxpas, den es unter den Taliban nicht gegeben hätte.

Ein Pärchen nutzt den Schutz des Gewandes zum Liebesspiel, sie winden sich zu meinen Füßen, ich dimme die Innenbeleuchtung, ziehe mich diskret in den Ostflügel zurück und sinne über den Untergang des Abendlandes nach. Er ist wohl kaum mehr abzuwenden.

Als der Tretbootverleiher mich mit den übrigen, ebenfalls blau bespannten Booten an die Kette zu legen trachtet, beschließe ich, das Experiment zu beenden und meine Burka endgültig abzubrechen. Es bringt ja nichts, außerdem ist meine Minibar leer.

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kari

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