die wahrheit: Mann ohne Eigenschaften

Fred Goodwin ist 51 und hat die Royal Bank of Scotland auf dem Gewissen. In diesem Satz stecken gleich zwei Verstöße gegen eine Verfügung eines britischen Gerichts...

... Denn Goodwin hat ein Unterlassungsurteil erwirkt: Es dürfen keinerlei Informationen über ihn veröffentlicht werden. Man darf nicht mal erwähnen, wie alt er ist und dass er Bankier war. Im Grunde hätte nicht mal über das Urteil berichtet werden dürfen, doch John Hemming, Abgeordneter der Liberalen Demokraten, nutzte sein parlamentarisches Vorrecht und posaunte den Maulkorberlass im Unterhaus aus.

"Wird die Regierung eine Debatte über die Redefreiheit führen?", fragte er scheinheilig. "Oder wenigstens darüber, ob es ein Gesetz für Reiche wie Goodwin und eins für Arme gibt?" Super-Maulkörbe, die verhindern sollen, dass Medien die Identität der Parteien bei Rechtsstreiten enthüllen, werden vor allem von Fußballern genutzt. John Terry, ein verheirateter englischer Fußballnationalspieler, wollte etwa verhindern, dass seine Affäre mit der Freundin eines Mitspielers bekannt wurde.

Im Parlament darf man die Geheimnisse freilich nach Herzenslust ausplaudern. Der Abgeordnete Edward Leigh beschrieb Bankiers als "Feuerwehrleute und Brandstifter in einer Person." Vom Feuerwehrmann war bei Goodwin allerdings nie etwas zu spüren, er war stets der Feuerteufel. Er hat die Royal Bank of Scotland mit seiner herrschsüchtigen Art und seinem größenwahnsinnigen Expansionsdrang in den Bankrott getrieben. 2008 machte die Bank Verluste von mehr als 24 Milliarden Pfund. Es war die höchste Verschuldung der britischen Unternehmensgeschichte. Die Aktien fielen um 98 Prozent, 20.000 Leute wurden entlassen. Bei einer Untersuchung stellte sich heraus, dass Goodwin nicht die geringste Qualifikation im Bankwesen hatte. Im Grunde hätte man ihn nicht mal als Kassierer einstellen dürfen.

Aber er muss nicht darben. Er hatte noch 2007, im ersten Jahr der Krise, ein Gehalt von 4,2 Millionen Pfund kassiert. Zum Schluss musste der Staat einspringen, die Bank ist nun zu 83 Prozent in Staatsbesitz. Goodwin wurde mit 50 in Rente geschickt - mit rund 350.000 Pfund Pension im Jahr und einer steuerfreien Abfindung von 2,7 Millionen.

Nachdem das bekannt geworden war, warfen Unbekannte bei Goodwins Villa im vornehmen Viertel The Grange in Schottlands Hauptstadt Edinburgh die Scheiben ein und demolierten sein Auto. Goodwin war nicht zu Hause. Er hatte sich mit seiner Familie rechtzeitig nach Frankreich abgesetzt. Von dort aus machte er seiner Empörung Luft. Der schöne Mercedes S 600! Die Täter seien Kriminelle und gehörten bestraft, fand er.

Später bekannte sich die Gruppe "Bankbosse sind Kriminelle" zu der kleinen Aktion. Goodwin hat Glück gehabt, dass es nicht die Organisation war, die Jack London in seinem letzten Buch beschreibt: "Das Mordbüro". Das räumte Leute aus dem Weg, wenn die Auftraggeber nachweisen konnten, dass eine solche Tat sozial gerechtfertigt war. Aber Goodwin existiert ja per Gerichtsbeschluss gar nicht.

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kari

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