Argumente der Atomlobby: Die Stunde der Bedenkenträger

Steigende Kosten, Strom, Klimaschutz, Blackout: Die Atomlobby bemüht derzeit viele Argumente gegen den schnellen Ausstieg. Was ist an ihnen dran?

Braunkohlekraftwerk Jänschwalde. Bild: Photocase / AndreasF.

Die Debatte um einen beschleunigten Atomausstieg ruft die Bedenkenträger auf den Plan. Sie stellen vor allem die Kosten in den Vordergrund: "Jeder muss sich darüber im Klaren sein, dass der Strompreis steigen wird, wenn der Atomausstieg beschleunigt wird", sagte der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Michael Fuchs. Der CDU-Haushaltsexperte Norbert Barthle ergänzte: "Wenn Mehrkosten durch die Energiewende entstehen, dann müssen die Verbraucher sie tragen und nicht die Steuerzahler."

Unterdessen hat die Leipziger Strombörse die Kosten des Ausstiegs anhand der aktuell bekannten Fakten bereits beziffert: Vor dem Super-GAU in Fukushima lag der Strompreis für 2012 an der EEX bei 5,3 Cent je Kilowattstunde, er stieg nach der Entscheidung für einen beschleunigten Ausstieg auf 5,9 Cent an. Auch für 2013 und 2014 wurde der Strom gestern für 6 Cent gehandelt.

Unruhe ist bei den Akteuren am Strommarkt nicht zu spüren, wie die Kursverläufe zeigen: Berücksichtigt man, dass der Preis an der EEX in den letzten Jahren zwischen 5 und 9 Cent schwankte, ist der ausstiegsbedingte Aufschlag aktuell moderat.

Aber dem Bundeshaushalt werden durch die sinkende Brennelementesteuer Einnahmen entgehen. Und deswegen warnt auch Finanzminister Wolfgang Schäuble vor einem schnellen Atomausstieg. Allerdings könnte auch er gelassener sein, denn die Einnahmen aus der Brennelementesteuer sind ohnehin gering. Die neue Steuer ist mit 2,3 Milliarden Euro pro Jahr kalkuliert - und selbst unter den Bedingungen der Vor-Fukushima-Ära war das schon hoch angesetzt.

Denn auch unabhängig von der politischen Debatte waren in den vergangenen beiden Jahren immer wieder einige Atommeiler abgeschaltet. Den Bundeshaushalt wird eine reduzierte Einnahme aus der Atomsteuer also nur mäßig tangieren, denn im Vergleich zu den Beträgen, um die es bei der Brennelementeabgabe geht, schwanken andere Steuereinnahmen - zum Beispiel aus der Mehrwertsteuer - um ein Vielfaches.

Blackout?

Auch der Energie- und Klimafonds, in den ein Teil der zusätzlichen Gewinne fließen sollen, die die AKW-Betreiber durch die Laufzeitverlängerung erwirtschaften, wird mit dem beschleunigten Ausstieg weniger Geld einnehmen. Ursprünglich hatte die Bundesregierung für 2011 und 2012 mit jeweils 300 Millionen Euro gerechnet, für 2013 bis 2016 mit jeweils 200 Millionen Euro. Damit sollten vor allem Energieeffizienz, erneuerbare Energien und Energiespeicher gefördert werden.

Gleichwohl werden Mindereinnahmen im Ökofonds den Ausbau der erneuerbaren Energien kaum bremsen. Denn schon bisher fußte der Boom von Windkraft und Solarenergie allein auf dem Erneuerbare-Energien-Gesetz (EEG). Bei einem weiterhin attraktiven EEG wird der Umbau der Energiewirtschaft trotz Mindereinnahmen im Ökofonds zügig voranschreiten können.

Bleibt das Thema Klimaschutz. RWE-Chef Jürgen Großmann sagte: "Je schneller und radikaler man sich von der Kernkraft trennt, desto drastischer wird zunächst der CO2-Ausstoß steigen." Diese Einschätzung ist nach der Logik des Emissionshandels jedoch nicht haltbar. Denn im Rahmen des Kiotoprotokolls wurden die CO2-Emissionen gedeckelt. Es dürfte also auch bei einem beschleunigten Atomausstieg nicht mehr CO2 emittiert werden. Selbst wenn Kohlekraftwerke reaktiviert oder stärker ausgelastet werden, steigen die Gesamtemissionen nicht, weil die stärkere Nachfrage nach CO2-Zertifikaten deren Preis erhöht und damit Einsparungen an anderer Stelle attraktiver macht.

Zu den weiteren Risiken, die Kritiker im Falle eines schnellen Ausstiegs sehen, zählt der Blackout. Fritz Vahrenholt, Chef der RWE-Tochterfirma Innogy, sagt: Zum Blackout komme es bisher allein deswegen nicht, weil "Tag für Tag ein starker Import aus Frankreich und Tschechien stattfindet". Ohne den schnellen Ausbau von Stromtrassen bekomme man "eine solch extreme Unterversorgung, dass zur Vermeidung eines Blackouts Industriebetriebe und vielleicht sogar ganze Städte abgeschaltet werden müssen".

Das Risiko eines Ausfalls ist in einem so komplexen System wie dem Stromnetz immer gegeben. Und deswegen ist unstrittig, dass das Stromnetz umgebaut werden muss - aber auch das war schon vor Fukushima klar, allein durch den Ausbau der erneuerbaren Energien.

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