Änderung der Berliner Verfassung: Kai Wegner hat ein Staatsziel

Der Regierende will den Kampf gegen Antisemitismus in die Landesverfassung schreiben. Kritiker vermuten ein Ablenkungsmanöver nach dem Klauseltheater.

Das Bild zeigt Kai Wegner

Jetzt erst recht, sagt Berlins Regierender Kai Wegner (CDU) Foto: dpa

BERLIN taz | Nach der Pleite der Kulturverwaltung mit ihrer Antidiskriminierungsklausel sieht sich Senatschef Kai Wegner (CDU) darin bestärkt, den Kampf ­gegen Antisemitismus als Staatsziel in der Berliner Landesverfassung zu verankern. „Das Aussetzen der Antidiskriminierungsklausel ist für uns ein Auftrag“, sagt Wegner am Dienstag. Über eine entsprechende Verfassungsänderung werde nun in der schwarz-roten Koalition, im Senat und im Abgeordnetenhaus beraten.

Es wirkt wie eine trotzige Flucht nach vorn. Am Montag hatte Kultursenator Joe Chialo (CDU) die erst einen Monat zuvor von ihm bei Bewerbungen um Fördergelder seiner Senatsverwaltung eingeführte Antidiskriminierungsklausel wieder kassiert.

Teile des Kulturbetriebs waren zuvor auf die Barrikaden gegangen, weil die Klausel unter anderem ein Bekenntnis gegen israelbezogenen Antisemitismus enthielt. Chialo berief sich bei seinem Rückzieher freilich auf das gewichtigere Argument: handwerkliche Fehler und juristische Bedenken. Die Klausel soll nun überarbeitet werden.

Auch Kai Wegner bekräftigt, dass das mit der Bewilligung von Fördermitteln verknüpfte Bekenntnis keineswegs vom Tisch sei, sondern nun lediglich auf „eine rechtssichere Grundlage“ gestellt werden soll: „Unser Ziel ist klar: kein Geld für politische oder religiöse Extremisten, und deshalb: kein Geld für Antisemiten.“

Koalitionspartner reagiert verhalten

Die Diskussion um die Antidiskriminierungsklausel zeige ihm dabei, so Wegner weiter, „dass es wichtiger denn je ist, eine klare Haltung zu zeigen“. Genau damit verbindet der Regierende Bürgermeister jetzt auch seinen Ruf nach einer Verfassungsänderung.

Nun ist die Forderung, den Kampf gegen Antisemitismus als Staatsziel in die Berliner Verfassung zu schreiben, alles andere als neu. Schon im November hatte sich Wegner angesichts der zunehmenden Zahl antisemitischer Übergriffe in Berlin für eine entsprechende Verfassungsänderung ausgesprochen. Seither hatte man von dem Vorstoß nicht mehr allzu viel gehört. Bis zu Joe Chialos vorläufigem Klausel-Aus.

Die SPD reagiert wie so häufig in den vergangenen Wochen auf Ankündigungen des Koalitionspartners: auffallend zurückhaltend. So betont der innenpolitische Sprecher der SPD-Fraktion Martin Matz zwar, dass der Kampf gegen Antisemitismus selbstverständlich für die Koalition große Bedeutung habe.

Aber sowohl das Grundgesetz als auch die Landesverfassung schütze bereits die Menschenwürde, die Rechte von Minderheiten und die Religionsfreiheit. „Ich bin daher mit einer grundsätzlichen Skepsis unterwegs, neue Staatsziele in der Verfassung verankern zu wollen“, so Matz zur taz.

Grüne kritisieren Symbolpolitik

Aus Sicht der oppositionellen Grünen will Wegner mit seinem Vorschlag vor allem von der gescheiterten Klausel des Kultursenators ablenken. „Das ist ein Placebo und reine Symbolpolitik“, kritisiert etwa Susanna Kahlefeld.

Die religionspolitische Sprecherin der Grünen-Fraktion erinnert daran, wie die CDU im Vorfeld der Wiederholungswahl zum Abgeordnetenhaus vor einem Jahr das rot-grün-rote Antidiskriminierungsgesetz „bis aufs Blut bekämpft“ hat. „Dass auch das ein wirksames Instrument gegen Antisemitismus sein könnte, hat die CDU damals nicht im Geringsten interessiert“, sagt Kahlefeld zur taz.

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