Aidsaktivist Regis Mtutu: "G8-Staaten sind unglaubwürdig"

Aidsaktivist Mtutu beurteilt die Expansionspläne des Globalen Fonds kritisch und verlangt Druck auf afrikanische Regierungen. Er meint: "Afrika muss Verantwortung übernehmen"

AIDS-Aufklärung in Malawi. Bild: dpa

taz: Herr Mtutu, werden die Geberländer in Berlin ihr Versprechen halten und mehr Geld für den Globalen Fonds bis 2010 bereitstellen?

Mtutu: Das Problem ist, dass die G-8-Länder sich nicht auf genaue Zahlen und konkrete Zeitrahmen festlegen wollen. Schon beim letzten G-8-Gipfel wurden etwa 60 Milliarden US-Dollar für die kommenden Jahre versprochen.

Sind die G-8-Nationen also nicht beim Wort zu nehmen?

Bei den G-8-Gipfeln in Gleneagles und Heiligendamm haben sie ihre Glaubwürdigkeit verspielt. Es sollte schon damals eine Verbesserung der Gesundheitssysteme in den betroffenen Ländern angestrebt werden. Aber wenn Gelder nur isoliert in HIV- und Aidsprojekte und Tuberkulose und Malariabekämpfung gesteckt werden, ändert sich das Gesundheitssystem nicht grundlegend. Hinzu kommt: Bis 2010 sollen Aidsbehandlungen weltweit für alle zugänglich sein. Dafür muss aber ein langfristiger, solider Finanzierungsplan aufgestellt und alle wichtigen Komponenten müssen miteinbezogen werden: reproduktive Gesundheit, Aufklärung, Vorbeugung und häusliche Gewalt. Denn Frauen sind die höchste Risikogruppe und am stärksten von Infektionen betroffen.

Selbst wenn mehr Geld für den Fonds fließen sollte, wäre das also nicht gut genug?

Wenn wir uns weiterhin nur schrittweise fortbewegen und weniger breitgefächerte Vorbeugung leisten, führt das nur zu höheren Infektionsraten und noch mehr Toten. Wir sagen, HIV-Aids ist die treibende Kraft, Gesundheitssysteme zu verbessern und bis 2010 Behandlungen für alle zu gewährleisten.

Welche Herausforderungen bestehen für afrikanische Länder, das Geld gut einzusetzen?

Die Gesundheitssysteme in den meisten Ländern brechen zusammen. Es fehlt an technischer Unterstützung, zudem sind sie zu abhängig von Geberländern und dem Globalen Fonds. Wir fordern, dass afrikanische Länder mindestens 15 Prozent ihres Haushaltsbudgets für Gesundheit ausgeben. Das trifft bisher nur in Südafrika, Botswana und Gambia zu. Afrikanische Länder müssen also mehr Verantwortung übernehmen. Sie könnten weniger für Waffen und mehr für Gesundheit ausgeben.

Wie geht man mit Ländern um, die das Geld nicht vernünftig einsetzen? Wie zum Beispiel Südafrika mit seiner Verzögerung der Aidsbehandlungen und des Medikamentenzugangs in ländlichen Gegenden.

Sie sollten Gelder erhalten, aber mit der Zivilgesellschaft zusammenarbeiten, um auf breiter Basis das Bewusstsein zu schaffen und Wissen zu vermitteln, sich vor HIV/Aids zu schützen. Regierungen können Behandlungen und Vorsorgepläne nur dann umsetzen, wenn die Gesellschaft sie überhaupt versteht. Und dann können die Menschen auch sagen, was sie brauchen und die Regierung unter Druck setzen.

INTERVIEW: MARTINA SCHWIKOWSKI (Johannesburg)

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