Aktivist über Auflösung von ARAB: „Das linke Zirkelwesen überwinden“

Jonas Schiesser, Sprecher der Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin, über die Auflösung, politische Prozesse und einen neuen Dachverband.

„Wir waren nie eine klassische Antifagruppe. Bei uns standen die sozialen Auseinandersetzungen im Mittelpunkt“, sagt Jonas Schiesser von ARAB. Bild: hannesleitlein/photocase.de

taz: Nach der Antifaschistische Linke Berlin (ALB) seid ihr jetzt schon die zweite größere linksradikale Gruppe, die sich zugunsten einer bundesweiten Organisierung auflöst. Warum das?

Jonas Schiesser: Wir lösen uns nicht auf, wir werden Teil der Neuen antikapitalistischen Organisation (NaO). Das ist ein Dachverband, in dem verschiedene linke Gruppen und Einzelpersonen gemeinsam an dem Aufbau einer neuen, gesellschaftlich relevanten Kraft arbeiten. Das heißt aber nicht, dass es uns nicht mehr gibt: Wir bestehen weiterhin als ARAB und werden vermutlich in einzelnen Fragen auch immer noch eigene Sachen herausbringen.

In einzelnen Fragen?

Dann, wenn wir uns mit unseren Freunden und Freundinnen von der NaO mal nicht einig werden. Grundsätzlich wollen wir mit diesem Schritt unseren Beitrag zu einer breiten linken Opposition in diesem Land leisten. Und zwar links der Linkspartei. Wir denken, dass es dazu nötig ist, die subkulturellen Beschränkungen der autonomen Jugend-Antifabewegung zu überwinden. Außerdem muss das innerlinke Schubladendenken – Kommunisten gegen Anarchisten, Trotzkisten gegen Stalinisten – aufgebrochen werden. Diese unzähligen Spaltungen sind Ergebnisse der linken Niederlagen des 20.Jahrhunderts. Um den politischen Herausforderungen unserer Zeit gewachsen zu sein, müssen wir das linke Zirkelwesen überwinden. Gemeinsam mit der NaO wollen wir das versuchen.

Die Antifaschistischen Revolutionären Aktion Berlin (ARAB) wurde 2007 gegründet. Laut Eigendefinition habe man sich zusammengeschlossen um „den Tunnelblick linksradikaler Teilbereichspolitik zu durchbrechen und über den eigenen Tellerrand hinaus sozialrevolutionäre Inhalte in die Gesellschaft zu tragen.“ ARAB wird Teil der Neuen antikapitalistischen Organisation (NaO).

Teile der ALB arbeiten jetzt innerhalb der Interventionistischen Linken (IL). Sind diese Fusionierungsprozesse eine allgemeine Tendenz innerhalb der linksradikalen Szene?

Auf jeden Fall. Innerhalb der Linken findet eine Neu- und Umgruppierung statt. Und die Tendenz geht klar in Richtung einer bundesweiten, breiten Organisierung. Das liegt auch daran, dass viele erkannt haben, dass die autonome Organisationsfeindlichkeit nicht mehr zeitgemäß ist. In der letzten Zeit haben sich verschiedenste bundesweite Zusammenhänge herausgebildet: die Interventionistische Linke, das antinationale „ums ganze“-Bündnis, der Zusammenschluss „perspektive kommunismus“ und eben die Neuen antikapitalistische Organisationen.

Gibt es Unterschiede?

Was uns von den anderen Bündnissen unterscheidet, ist vielleicht, dass wir stärker auf eine Erneuerung des Marxismus und der Arbeiterbewegung setzen. Grundsätzliche sehen wir diese Umgruppierungsprozesse als Fortschritt an, auch wenn es noch ein weiter Weg ist, um die Zersplitterung und Ohnmacht der radikalen Linken zu überwinden.

In einem Interview mit dem „Lower Class Magazin“ habt ihr kürzlich gesagt, das „Antifaschistische“ in eurem Namen käme nur daher, dass sich ARAB hübscher taggen lässt als RAB. Hat sich das Konzept der reinen Antifa-Gruppen überlebt?

So lange es faschistische Bedrohungen gibt, werden antifaschistische Bewegungen notwendig sein. Was sich überlebt hat, ist der revolutionäre Antifaschismus der 90er-Jahre. Dessen Konzept war, im Zuge der antifaschistischen Arbeit, also im direkten Kampf gegen Nazis, eine revolutionäre Bewegung aufzubauen. Die ARAB hat dieses Konzept eigentlich noch nie groß gefahren. Wir wurden ja erst 2007 gegründet. Uns haben nicht die Pogrome von Rostock-Lichtenhagen Anfang der 90er Jahre und das Erstarken der Neonazis geprägt. Sondern die Hartz-IV-Debatte und die Banlieue-Aufstände in Paris 2005.

Welche konzeptionelle Entsprechung fanden diese Gründungsimpulse?

Das Konzept der ARAB war eigentlich von Beginn an eher, mit den Aktionsformen und auch der Ästhetik der autonomen Antifa-Bewegung in soziale Konflikte wie die Montagsdemonstration gegen Hartz IV oder die Bildungsstreiks zu intervenieren. Insofern waren wir nie eine klassische Antifagruppe, sondern bei uns standen die sozialen Auseinandersetzungen von Anfang an im Mittelpunkt. Diesen Schwerpunkt wollen wir auch in Zukunft als NaO beibehalten. So wichtig Antifaschismus als Grundlage linker Politik auch ist, dem Erstarken faschistischer und rechtspopulistischer Bewegungen kann man nur wirksam etwas entgegensetzen, wenn man eine glaubwürdige Alternative zu dem herrschenden Elend anzubieten hat. Ohne eine breit aufgestellte gesellschaftliche Alternative zum Kapitalismus bleibt Antifaschismus nur Feuerwehr-Politik, die den gesellschaftlichen Brandherden ohnmächtig hinterherrennt, während Rechtspopulisten und Faschisten weiter zündeln.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.