Alt-Right-Bewegung in den USA: Rechter Aufmarsch in Washington

Nach der Gewalt in Charlottesville im letzten Jahr haben Neonazis und Rechtsradikale ihren Protest in die US-Hauptstadt verlegt.

Ein Auto rast in eine Menschenmenge

Charlottesville vor einem Jahr: Ein Neonazi tötet eine Aktivistin und verletzt 19 Menschen Foto: ap

NEW YORK taz | Ein Jahr, nachdem Neonazis und andere Rechtsradikale ihren Terror nach Charlottesville in Virginia gebracht und dort bei einer Demonstration eine junge Frau getötet und Dutzende andere Menschen teils schwer verletzt haben, wollen sie an diesem Sonntag durch die US-Hauptstadt Washington, D. C., marschieren. Im letzten Jahr wollten sie die Statue für Bürgerkriegsgeneral Robert Lee vor dem Abriss retten, jetzt geht es ihnen um die Verteidigung der angeblich gefährdeten „weißen Bürgerrechte“.

Im Unterschied zu August 2017, als zwar die Geheimdienste von der Gewaltbereitschaft der Rechtsradikalen wussten, aber die örtliche Polizei völlig unvorbereitet war, hat Washington ein paar Regeln aufgestellt. Unter anderem dürfen die Demonstranten am Sonntag keine Hakenkreuzfahnen und keine Schusswaffen tragen. Auch Pfefferspray, Messer und Schilde sind verboten. Wie in Charlottesville rufen Antifa- und andere linke Gruppen zu einer Gegendemonstration auf.

Jason Kessler, der auch 2017 die „Unite the Right“ Demons­tra­tion angemeldet hat, ist dieses Mal erneut der Organisator. Ursprünglich hatte der Rechtsradikale, der selbst in Char­lottes­ville lebt, wieder am selben Ort demonstrieren wollen. Doch die örtlichen Behörden erteilten keine Genehmigung. Um für unangemeldete rechtsradikale Proteste gewappnet zu sein, haben Virginias Gouverneur, der Demokrat Ralph Northam, und die ebenfalls demokratische Stadtverwaltung von Charlottesville am Mittwoch einen Ausnahmezustand für die Tage vom 10. bis zum 12. August verhängt.

Dutzende rechtsradikale Gruppen – deren Namen von Dai­ly Stormer, über Proud Boys bis hin zu Patriot Prayer reichen – hatten im vergangenen Jahr zu „Unite the Right“ in Char­­lottes­ville aufgerufen. Die Veranstaltung geriet mit Hunderten von marschierenden Männern zu der größten rechtsradikalen Machtdemonstration in den USA seit Jahrzehnten.

Neue Ziele für Rechte

Schon im Vorfeld der Demonstration war offensichtlich, dass die Wahl von Donald Trump ins Präsidentenamt Rechtsradikale ermuntert hat, aus den so­zia­len Medien heraus und in den öffentlichen Raum zu treten. Unter anderem prügelten sie bei Demonstrationen im kalifornischen Berkeley und Huntington Beach – Letzteres anlässlich eines Auftritts von Trump – auf GegendemonstrantInnen ein.

In Charlottesville begannen sie ihre Gewalttaten bereits am Vorabend ihrer Demonstration. Sie zogen nachts in einem nicht angemeldeten Fackelzug zur Universität, trugen NS-Zeichen, riefen auch antisemitische Slogans und schlugen mit brennenden Fackeln auf antirassistische StudentInnen ein.

Die Gewaltexzesse von Charlottesville haben die Bewegung gespalten

Am Tag der eigentlichen Demonstration kam es zu zahlreichen Gewaltexzessen in der liberalen Kleinstadt. Schon am Vormittag schlugen Rechtsradikale mit Eisenstangen auf den schwarzen Gegendemonstranten DeAndre Harris ein. Am Mittag raste der Neonazi James Alex Field mit einem Auto in eine Menschenmenge hinein, tötete die 32-jährige Demons­tran­tin Heather Heyer und verletzte 19 weitere Personen.

Die Polizei in Charlottesville hielt sich zurück. Einer von Hunderten von Geistlichen, die 2017 in Charlottesville auf der Seite der GegendemonstrantInnen beteten, der schwarze Theologe Cornel West, sagte später in Interviews: „Die Antifas haben uns das Leben gerettet.“ Es verging viel Zeit, bevor die ErmittlerInnen gewaltbereite Rechtsradikale fassten, die auf Videos zu sehen waren. Einer von ihnen, Vasilios Pistolis, von der Neonazigruppe „Atomwaffen Division“, flog erst Monate später aus dem US-Militäreinheit Marine Corps heraus.

Vor allem aber sandte Trump den Rechtsradikalen ein versöhnliches Zeichen, als er zwei Tage nach den Gewaltexzessen erklärte, in Charlottesville habe es „gute Leute auf beiden Seiten“ gegeben. Der frühere Ku-Klux-Klan-Mann David ­Duke würdigte das mit den Worten: „Danke, das war ehrlich und mutig.“

Ein Jahr danach werden dennoch weniger Rechtsradikale in Washington erwartet. Die Ge­walt­ex­zesse vom Vorjahr haben die Bewegung gespalten. Einige besonders Radikale konzentrieren sich bereits auf neue Ziele, darunter die Stadt Portland in Oregon, die ein ähnlich liberales Profil wie Berkeley und Char­lottes­ville hat. Jenen, die am Sonntag nach Washington kommen, rät Kessler, dass sie „auf keinen Fall kämpfen“ und „nicht mit den Medien reden“ sollen.

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