Angeblicher Topterrorist im Jemen getötet: "Tot oder lebendig"

Unklar ist, wie Anwar al-Awlaki zu Tode gekommen ist. Auch noch ungeklärt ist, welche Bedeutung der von den USA als Topterrorist Gesuchte für das Terrornetzwerk gehabt hat.

Anwar al-Awlaki in einer Videobotschaft vom November 2010. Bild: dapd

KAIRO taz | Sicher ist, dass einer der von den USA meistgesuchten Al-Qaida-Leute im Jemen, Anwar al-Awlaki, tot ist. Alles andere ist unklar, sowohl die genauen Umstände seines Todes als auch die Bedeutung, die der in den USA geborene Anwar al-Awlaki für al-Qaida tatsächlich gehabt hat. Laut einer Erklärung des jemenitischen Verteidigungsministeriums vom Freitagmorgen ist der Mann, dessen Ermordung von US-Präsident Barack Obama persönlich angeordnet worden sein soll, von jemenitischen Sicherheitskräften mitsamt mehreren Gefolgsleuten erschossen worden.

Aus Stammeskreisen verlautet dagegen, dass zwei Fahrzeuge, mit denen al-Awlaki unterwegs war, bei einem Luftangriff, wahrscheinlich durch eine Drohne, im Osten des Landes in die Luft gejagt wurden. Die US-Regierung habe den Tod al-Awlakis bestätigt, berichtete die New York Times am Freitag in ihrer Onlineausgabe unter Berufung auf einen ranghohen Regierungsmitarbeiter in Washington.

Kontrovers wird auch diskutiert, welche Rolle der 40-jährige Prediger im Netzwerk al-Qaidas tatsächlich eingenommen hat. US-Verteidigungsminister Leon Panetta sagte im Juli, al-Awlaki stehe mit dem ägyptischen Al-Qaida-Chef Aiman Sawahiri auf der Liste der weltweit meistgesuchten Terroristen der USA.

US-Präsident Barack Obama hatte ihn bereits im April als ersten Amerikaner auf die Liste des US-Geheimdienstes CIA gesetzt, auf der Personen stehen, die "tot oder lebendig" ausgeschaltet werden sollen.

Inspiration für Attentäter

Al-Awlaki war wahrscheinlich al-Qaidas wichtigstes Propagandainstrument in englischer Sprache. Mit seinen im Internet verbreiteten Predigten verschaffte der in den USA im Bundesstaat New Mexico geborene Sohn jemenitischer Eltern al-Qaida auch außerhalb des arabischen Sprachraums Gehör.

Im vergangenen November hatte er in einem Internetposting erklärt: "Beratet euch mit niemandem, wenn ihr Amerikaner töten wollt … Den Teufel zu töten bedarf keiner Fatwa."

Der Nigerianer Umar Faruk Abdulmutalib, der Weihnachten 2009 versucht hatte, mit einer in seiner Unterhose versteckten Bombe ein US-Verkehrsflugzeug in die Luft zu jagen, soll ebenso von ihm inspiriert worden sein wie Nidal Malek Hassan, der zuvor im selben Jahr 13 Menschen auf dem Militärstützpunkt Ford Hood erschossen hat.

In Hassans E-Mail-Box fanden sich 18 Mails, die er mit al-Awlaki ausgetauscht hat. In westlichen Geheimdienstkreisen wurde al-Awlaki so ernst genommen, dass er nach der Ermordung bin Ladens in Pakistan dieses Jahr zwischenzeitlich sogar als möglicher Nachfolger an der Spitze al-Qaidas gehandelt wurde.

Arabische Medien messen ihm keine große Bedeutung zu

Doch in arabischen Medien wurde al-Awlaki längst nicht die gleiche Bedeutung beigemessen. "Sein Tod wird sich noch nicht einmal besonders auf die Stärke der ,al-Qaida auf der Arabischen Halbinsel' (Aqap) auswirken, da er dort nie eine wichtige Position eingenommen hat", glaubt der jemenitische Journalist Hakim al-Masmari, Chefredakteur der Jemen Post. Operativ eher am Rande von Aqap, war al-Awlaki in seiner propagandistischen Rolle innerhalb al-Qaidas allerdings ironischerweise umso mehr gewachsen, je mehr er von westlichen Geheimdiensten und Medien ernst genommen wurde.

"Eine Menge Jemeniten wissen auf Nachfrage nicht, wer Awlaki ist", twitterte der freie Journalist Tom Finn am Freitagnachmittag aus Sanaa. Er hatte als einer der wenigen westlichen Journalisten in der vergangenen Woche im Land von der turbulenten Rückkehr des jemenitischen Präsidenten Abdulla Saleh berichtet.

Nachdem Saleh im Sommer nur knapp einem Anschlag entkommen und in Saudi-Arabien behandelt worden war, ist er seit einer Woche zurück. Die daraus resultierende Protestwelle und die bewaffneten Auseinandersetzungen zwischen der Präsidentengarde und zu den Demonstranten übergelaufenen Armeeeinheiten sind das eigentliche Thema, das die Jemeniten beschäftigt.

Zumal sich Abdulla Saleh in einem Interview am Donnerstag trotz eines entsprechenden Deals des Golfkooperationsrates erneut geweigert hat, zurückzutreten. Seine Begründung ist dabei mehr als bizarr. Er wolle verhindern, dass seine Gegner sich zur Wahl stellen, um seine Nachfolge anzutreten.

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