An­woh­ne­r*in­nen über Kottiwache: Im goldenen Käfig

Seit mehr als einem Jahr sitzen Po­li­zis­t*in­nen in der Wache am Kottbusser Tor. An­woh­ne­r*in­nen fühlen sich von ihnen allein gelassen.

Die Kotti-Wache leuchtet auf der Galerie des Neuen Kreuzberger Zentrums

Die Kotti-Wache leuchtet auf der Galerie des Neuen Kreuzberger Zentrums Foto: Andreas Friedrichs/Imago

BERLIN taz | Wer am frühen Abend durch die Straßen um das Kottbusser Tor läuft, sieht junge Menschen vor Spätis und Bars sitzen. Sie genießen die ersten frühlingshaften Sonnenstrahlen, trinken ein Bier oder holen sich auf dem Heimweg etwas zu essen.

Was man nicht sieht: Der Barbesitzer an der Oranienstraße versteckt Pfefferspray hinterm Tresen, die Verkäuferin am Späti rennt Taschendieben, die ihre Kun­d*in­nen beklauen, hinterher. Die 3 Millionen Euro teure Kotti-Wache an der Adalbertstraße sollte die hohe Kriminalität im Kiez in den Griff bekommen. Stattdessen verdrängt sie drogenabhängige und wohnungslose Menschen in die umliegenden Straßen.

So treffen sie sich nun außer Sichtweite, etwa in der Reichenberger Straße. Dem Besitzer des Saftstands direkt am Kotti kommt das gelegen, frei nach dem Motto „Aus den Augen, aus dem Sinn“. Er fühle sich sicherer, seitdem die Wache im Februar 2023 eröffnete, erzählt er. Ähnlich sieht es Innensenatorin Iris Spranger (SPD), die die stark umstrittene Polizeiwache immer wieder als „Erfolgsgeschichte“ bezeichnete.

Doch was sagen die anderen La­den­be­sit­ze­r*in­nen und Anwohner*innen? Besuch in einer Bar am Kotti, ein paar Leute genießen den Feierabend mit einem Bier. Ein langjähriger Anwohner und die Bar-Managerin unterhalten sich am Tresen. Hat sich durch die Wache etwas verändert?

Sie schüttelt den Kopf: „Ich beobachte sechs Verhaftungen am Tag und danach sind die Leute wieder auf der Straße unterwegs.“ Es brauche Sozialarbeiter*innen, die sich im Kiez kümmern. Die Polizei zeige zwar Präsenz, doch auf den Treppen vor der Kita und dem Spielplatz in der Dresdner Straße würden weiterhin Drogen konsumiert.

So­zi­al­ar­bei­te­r*in­nen fehlen

Eine Anwohnerin aus der Dresdner Straße möchte am liebsten wegziehen, sie lebt hier seit 13 Jahren. Seit zwei Jahren verschlimmere sich die Lage in ihrer und den anderen Straßen rund um den Platz. „Seitdem mit Crack gedealt wird, sind die Straßen noch dreckiger und die Leute noch kaputter“, sagt sie. Müll, Spritzen, Flaschen lägen im Hausflur herum, manchmal würden Leute den Treppenaufgang als Toilette missbrauchen. Wohlfühlen würde sie sich schon lange nicht mehr.

Statt den Menschen zu helfen, säßen die Be­am­t*in­nen in der Wache, sagt sie. Eine Nachbarin habe wegen einer Ruhestörung eines Abends in der Wache angerufen, doch niemand sei gekommen.

Der Grund dafür geht aus einer Bilanz hervor, die die Senatsinnenverwaltung auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Vasili Franco veröffentlicht hat. Die drei Be­am­t*in­nen, die rund um die Uhr in der Kotti-Wache arbeiten, schreiben vor allem Anzeigen. Im ersten Jahr bearbeiteten sie 2.300 Strafanzeigen. 194 Einsätze führten sie außerhalb der Wache aus, das sind weniger als vier pro Woche. Die versprochene „Erfolgsgeschichte“ bleibt für viele am Kottbusser Tor aus.

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