Polizeiwache am Kottbusser Tor: Rumsitzen und Anzeigen schreiben

Drei Polizisten arbeiten rund um die Uhr in der Wache am Kotti. Eine Statistik zeigt nun: Sie bearbeiten viele Anzeigen, gehen aber nur selten vor die Tür.

Eine Straße bei Nacht, sie führt unter einem großen Haus hindurch, dort steht im ersten Stock in Leuchtbuchstaben "Polizei"

Iris Spranger hat sich ein Denkmal gesetzt: Die Kotti-Wache leuchtet auf der Galerie des Neuen Kreuzberger Zentrums Foto: Andreas Friedrichs/imago

BERLIN taz | Sie ist das umstrittenste Pres­tige­projekt von Innensenatorin Iris Spranger (SPD): die Polizeiwache am Kottbusser Tor. Im Februar 2023 wurde sie im Neuen Kreuzberger Zentrum über der Adalbertstraße eröffnet. Drei Be­am­t*in­nen schieben seitdem dort rund um die Uhr Dienst.

Die machen vor allem eines: Anzeigen schreiben. Das geht aus einer Bilanz hervor, die die Senatsinnenverwaltung auf Anfrage des Grünen-Abgeordneten Vasili Franco veröffentlicht hat. Demnach haben die Po­li­zis­t*in­nen in der Wache im ersten Jahr nach der Eröffnung mehr als 28.000 Einsatzstunden geleistet. In dem Zeitraum wurden dort knapp 2.300 Strafanzeigen gestellt.

Viel Zeitaufwand für wenig Ertrag, kritisiert Franco: „Das ist Präsenz, die dann auf der Straße fehlt.“ Tatsächlich haben die Po­li­zis­t*in­nen 2023 nur 194 Einsätze außerhalb der Wache durchgeführt – im Schnitt weniger als vier pro Woche.

Bereits vor der Eröffnung der Wache hatten Po­li­zis­t*in­nen die Befürchtung geäußert, dass die Wache nur mit sich selbst beschäftigt sein würde. Der Bezirk Friedrichshain-Kreuzberg hatte daher mehr Kon­takt­be­reichs­be­am­t*in­nen gefordert, die als An­sprech­part­ne­r*in­nen in den Straßen unterwegs sind.

Kontaktbeamte sitzen in der Friedrichstraße

Für den Kotti sind derzeit nur zwei Kontaktbereichsbeamte zuständig – und die sind nicht einmal in der Wache in der Adalbertstraße angesiedelt, wie aus der Senatsantwort hervorgeht. Sie leisten ihren Dienst von der Wache des Abschnitts 53 (Kreuzberg-Nord) in der Friedrichstraße aus. Die Senatsinnenverwaltung erklärt dazu, die „Räumlichkeiten der Nebenwache Kottbusser Tor“ seien „konzeptionell“ nicht als „Hauptarbeitsplätze“ der Kontaktbereichsbeamten vorgesehen.

Hinzu kommt, dass die Erreichbarkeit der beiden Kotti-Kontaktbeamten stark schwankt. Laut Statistik leisteten sie im vergangenen Jahr in den meisten Monaten zwischen 40 und 100 Einsatzstunden am Kotti und in der näheren Umgebung. Im August waren es allerdings nur acht, im Dezember sogar nur vier Stunden.

Wo bleibt das „ganzheitliche Konzept?“

Für den Grünen-Innenexperten Vasili Franco sind die Zahlen ein Beleg dafür, „dass Symbolpolitik keine Sicherheit schafft“: „Eine nachhaltige Verbesserung am Kottbusser Tor konnte die Polizeiwache alleine nicht erreichen“, sagt Franco.

Denn gleichzeitig scheint die Ausarbeitung und Umsetzung eines versprochenen „ressortübergreifenden, ganzheitlichen Konzepts“ für das Kottbusser Tor zu stocken. Die Innensenatorin hatte versucht, dem Bezirk die Wache am Kotti schmackhaft zu machen, indem sie sie als Teil eines umfassenderen Maßnahmenpakets ankündigte.

Für die Planung dieser Maßnahmen war bereits im Herbst 2022 ein „Runder Tisch“ ins Leben gerufen worden. Neben Senat und Bezirk sollen an diesen regelmäßigen Gesprächen unter anderem auch BVG und BSR, Wohnungsbaugesellschaften, Vereine und Institutionen der Umgebung wie die Suchthilfe „Fixpunkt“ sowie Gewerbetreibende und An­woh­ne­r*in­nen teilnehmen.

Innenverwaltung hat kein Geld eingeplant

Beim ersten Treffen hatte das Bezirksamt unter anderem eine Notschlafstelle für obdachlose Menschen, mehr aufsuchende Sozialarbeit sowie ein Hygienekonzept vorgeschlagen. Danach fanden noch weitere Sitzungen des „Runden Tischs“ statt, doch bislang gibt es keine verbindlich verabredeten Schritte.

Das dürfte auch in der näheren Zukunft schwierig werden, denn wie die Maßnahmen einmal finanziert werden sollen, ist unklar. Die Senatsverwaltung erklärt in ihrer Antwort, sie habe keine Mittel für Maßnahmen am Kottbusser Tor im aktuellen Haushalt eingeplant, und schiebt die finanzielle Verantwortung dem Bezirk zu. Dabei dürfte klar sein, dass der Bezirk die Finanzierung nicht alleine stemmen kann. Das nächste Treffen wird derzeit vorbereitet und soll Mitte Mai stattfinden.

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