Die Wahrheit: Billy und die Fleischbällchen

Neues aus Neuseeland: Ich halte mich für kulturell anpassungsfähig, aber ein paar Sachen vermisse ich dann doch in Aotearoa.

Ich halte mich für kulturell anpassungsfähig, aber ein paar Sachen vermisse ich dann doch in Aotearoa. Da ich die einheimische Altölschmiere namens Vegemite verschmähe, lasse ich mir immer meine Hefepaste aus dem Reformhaus mitbringen. Das hat am Flughafen schon zu unschönen Szenen geführt, als eine Einkilodose mit hellbraunem, undefinierbarem Inhalt auf dem Kontrollbildschirm auftauchte.

Lakritze trudelt manchmal einfach so bei mir ein. Letztens stand ein junger Mann vor meinem Haus, wedelte mit einer Tüte und rief auf Deutsch meinen Namen. Der Süßkram stammte zwar nicht von Haribo, sondern vom Zwischenstopp aus Singapur, aber nett wars dennoch - und ich seit Wochen auf Entzug. Für alle Nachahmer: Gummibärchen werden natürlich auch gern genommen.

Was mir sonst noch fehlt, habe ich über die Jahre verdrängt. Demonstrationen, Nacktbaden, Kerzen am Tannenbaum - geht auch ohne. Aber es gibt Rituale, die ein Loch ins Leben reißen, wenn sie plötzlich fehlen. Die man für selbstverständlich hielt, gar lästig. Wie der Samstagseinkauf bei Ikea. Dass man spätestens an der Kasse komplett erledigt war, dass man stets mehr davonschleppte als geplant, dass all die vielen Kartons und der volle Parkplatz nur nervten - ja, vergessen. Zurück bleiben sentimentale Erinnerungen an kreischende Kinder im Plastikballbecken und pinke Hotdogs sowie spottbillige Zimmerpflanzen, die sofort eingingen, und Sechskantschlüssel, die immer fehlten. Ach, und all dieses praktische Design, das man im deutschen Wunderland des guten Geschmacks irgendwann gar nicht mehr zu schätzen wusste. Man leistete sich lieber das Ledersofa aus Italien statt des Modells Bjölle vom Chinafließband.

Was würde ich jetzt für ein olles Billy-Regal und bunte Plastikbecher namens Sigurt geben! Aber dafür müsste ich erst nach Australien fliegen - dort ist der nächste Ikea-Laden. Neuseeland ist als Standort für die Schweden zu unwichtig. Dabei hat Norwegen bei fast gleicher Einwohnerzahl ganze vier Ikea-Häuser. Und komme mir keiner mit dem Argument, dass Norwegen direkt neben Schweden liegt - der ganze Kram wird eh aus Asien verschifft. Es ist eine einzige, eurozentristische Ungerechtigkeit.

Aber zum Glück gibt es ja Facebook, um den Schrei der Unterdrückten in die Welt zu tragen. "I want Ikea stores to open in New Zealand" heißt eine Seite, die in diesem Jahr über 10.000 Fans gewann. Ausgelöst durch das Gerücht, dass in Auckland bald ein total verrücktes Möbelhaus entstünde. Was wurde da im Netz diskutiert und rumfantasiert, bis hin zu den berühmten Fleischbällchen. Die Ernüchterung kam vor ein paar Wochen. Bei dem neuen Laden namens "Myflatpack" handelt es sich lediglich um den überteuerten Weiterverkauf von wenigen Ikea-Produkten. Nicht mal ein Abklatsch der echten Knäckebrot-und-Billy-Welt. Die Fans sind wütend. Das Ganze war ein raffinierter PR-Coup. Eine Exilschwedin will jetzt intervenieren. Sie kennt den Ikea-Boss Ingvar Kamprad über zwei Ecken. Kämpfen, bis der Elch kommt!

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Anke Richter ist Wahrheit-Kolumnistin, Buch-Autorin und Mitglied von Weltreporter.net in Neuseeland. Zuletzt erschien von ihr die Auswanderersatire "Was scheren mich die Schafe. Unter Neuseeländern - Eine Verwandlung" (Kiepenheuer & Witsch).

ist die einzige Satire- und Humorseite einer Tageszeitung weltweit. Sie hat den ©Tom. Und drei Grundsätze.

kari

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