die wahrheit: Leckeres von der Piste

WEINBAU Der gewissenhafte Amtsschimmel trabt wiehernd durch das Allgäu

Bedauerlicherweise muss der Winzer die zehn Liter Wein selbst trinken - ein hartes Los. Bild: klaus wittmann

Jetzt wirds eng für Deutschlands Winzer, denn es gibt hohe Konkurrenz - aus dem Allgäu. Hier gibt es den höchsten Weinberg Deutschlands. Im Moment schauen sie zwar etwas frostig und unscheinbar aus, die Rebstöcke dort oben am Jochpass. Doch das Allgäu - bislang eher für herrliche Skipisten denn als Weinbaugebiet bekannt - könnte bald für Wein-Schlagzeilen sorgen. Schuld daran ist der Hotelier Armin Gross, der auf 860 Metern Höhe mit Trauben experimentiert und regelrecht schwärmt: "Die sind so süß, das hätte ich nicht gedacht."

Er hätte auch nicht gedacht, dass eine launige Meldung auf einem Allgäuer Online-Portal gleich den Amtsschimmel derart in Bewegung setzt. Ganz förmlich wurde es mit einem Mal und das nur, weil Gross geschrieben hatte: "Deutschlands höchster Weinberg steht in Bad Hindelang." Plötzlich wurde die Bayerische Landesanstalt für Weinbau aktiv und schickte Gross einen "Anhörungsbogen wegen einer nicht genehmigten Rebfläche von Weinreben" zu. Ganz offensichtlich war der Miniweinberg noch nicht datenrechtlich erfasst. Ein ungehöriger, ja, beinahe skandalöser Zustand, der aus Behördensicht offensichtlich unter gar keinen Umständen haltbar war.

Knallhart die Aufforderung in dem vierseitigen Schreiben, dass die Rebstöcke entweder gerodet werden müssen oder er seine Anbaufläche als genehmigungsfreie Hobbyanlage auszuweisen habe. Das allerdings sei nur möglich, wenn die Anbaufläche nicht größer als ein Ar (100 Quadratmeter) ist. Ist sie nicht, es sind nur zwanzig Quadratmeter.

Das heißt, es waren nur zwanzig Quadratmeter - auf dem Grundstück seines Hotels Prinz-Luitpold-Bad. Und im ersten Anbaujahr hat Gross die Trauben auch "nur" gegessen, nicht verkeltert. Trotzdem musste der Hotelier für seine zehn Rebstöcke der Sorten "Solaris" und "Muscat blau" eine landwirtschaftliche Betriebsnummer beantragen und die bekam er nun vom Kemptener Landwirtschaftsamt zuerkannt (No. 780 123 0321). Jetzt will es der "Weinrebell" aus dem Allgäu wissen, zumal ihn die Landesanstalt auch noch recht ausführlich dahingehend belehrt hat, "dass die Weinrebe … von Winterfrösten und kalten Winden an ihrem Standort bedroht ist" und Anbaugebiete für Qualitätswein sich nur in wind- und frostgeschützten, geografisch tief gelegenen Gegenden finden, "die auch im Tagesablauf gut besonnt sind, also Süd- oder Westlagen auf der Nordhalbkugel der Erde."

Kopfschüttelnd nahm der angehende Gebirgsweinbauer die Belehrungen zur Kenntnis, schloss sich mit einem Nachbarn kurz und beschloss: "Nachdem mein Nachbar auch einen Weinberg anlegen will, gründen wir bald eine Winzergemeinschaft Oberallgäu, mein Weinberg hat übrigens die ideale Süd-West-Lage." Die Klimaerwärmung werde wohl zudem bald ganz neue Möglichkeiten eröffnen, sinniert Gross und geht gleich noch einen Schritt weiter.

Er arbeitet einen Antrag ans Bayerische Landwirtschaftsministerium aus, das Allgäu künftig als Weinbaugebiet ins Deutsche Weinbauregister aufzunehmen, eine Auszeichnung, wie sie dem Frankenweingebiet schon zuteil wurde.

Noch allerdings ist lediglich der Weinanbau in kleinsten Mengen erlaubt - auf bis zu 100 Quadratmetern Allgäuboden. "Hochgerechnet gibt das im günstigsten Fall zehn Liter Wein, und den darf ich leider nicht an meine Gäste ausschenken, den muss ich dann - bedauerlicherweise - selbst trinken. Das ist ein hartes Los!"

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kari

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