Cameron wird britischer Premier: "Ich liebe dieses Land"

13 Jahre Labour-Regierung sind Vergangenheit. Seit Dienstagabend hat Großbritannien eine konservativ-liberale Koalition unter der Führung von David Cameron.

Der jüngste Premierminister seit fast 200 Jahren: David Cameron (m). Bild: ap

LONDON taz | David Cameron ist neuer Premierminister Großbritanniens. Anderthalb Stunden nach dem Rücktritt Gordon Browns am Dienstagabend trat der Führer der konservativen Partei vor die Mikrofone vor seinem Amtssitz in 10 Downing Street und kündigte die Bildung einer Koalition zwischen Konservativen und Liberaldemokraten an. Zuvor hatte er sich bei Queen Elizabeth II im Buckingham Palace den Auftrag zur Regierungsbildung abgeholt, nachdem Brown dort seinen Rücktritt eingereicht hatte.

Großbritannien brauche eine "starke, stabile, gute und würdige" Regierung, um die gigantischen Herausforderungen zu meistern und "hart für das nationale Interesse zu arbeiten", sagte Cameron. "Ich liebe dieses Land, und seine besten Tage liegen noch vor uns", fügte er an. Man müsse jetzt "die Probleme konfrontieren und schwierige Entscheidungen treffen", zum Beispiel um Vertrauen in das politische System wiederherzustellen und dafür zu sorgen, dass Politiker "die Diener des Volkes und nicht seine Herren" seien.

Camerons Amtsantritt folgte auf die Ausarbeitung eines Koalitionsvertrages zwischen Konservativen und Liberaldemokraten. Beide Fraktionen billigten die Vereinbarung noch am gleichen Abend.

Konservative und Liberaldemokraten hatten Koalitionsgespräche aufgenommen, nachdem die britische Parlamentswahl am 6. Mai eine Niederlage der regierenden Labour-Partei herbeigeführt hatten, ohne den Konservativen eine absolute Mehrheit zu bescheren. Die Konservativen erreichten 306 von 650 Sitzen, Labour 258 und die Liberaldemokraten 57 Mandate.

Gordon Brown war danach zunächst im Amt geblieben, hatte aber am späten Montagnachmittag seinen Rücktritt in Aussicht gestellt, um einen Verbleib Labours im Amt mit den Liberaldemokraten als Koalitionspartner möglich zu machen. Liberalenchef Nick Clegg hatte eine Zusammenarbeit mit Brown immer ausgeschlossen und zugleich gesagt, die Partei mit den meisten Sitzen und Stimmen habe das Recht, als erster zu versuchen, eine Regierung zu bilden. Deswegen hatte er seine Partei in Gespräche mit Camerons Konservative geführt.

Aber manche von Cleggs Kollegen waren damit nicht glücklich gewesen und sondierten zugleich mit Labour, in der Erwartung, mit einer Labour-Regierung eher eine Einigung über eine Reform des britischen Wahlrechts herbeiführen zu können, eine jahrzehntealte Forderung der im Parlament meist marginalisierten dritten Partei Großbritanniens. Nach Browns Rücktrittsangebot gab es dann auch förmliche Koalitionsgespräche zwischen Labour und Liberaldemokraten. Die wurden aber am Dienstagmittag ergebnislos abgebrochen.

In seiner Antrittsrede ging Cameron auf die anderen Parteien zu. Er würdigte die Verdienste der scheidenden Labour-Regierung, die Großbritannien in den letzten zehn Jahren zu einem "offeneren und großmütigeren" Land gemacht habe. Er versprach, seine Regierung werde sich immer um die Alten, Schwachen und Armen in der Gesellschaft kümmern und nahm damit ein zentrales Thema der Liberalen auf. Er sagte, er wolle eine "verantwortungsvolle Gesellschaft" bauen, in der Starke und Schwache gleichermaßen ihren Pflichten nachkämen und Familien und Gemeinschaften gestärkt würden. "Freiheit, Fairness und Verantwortung" seien die zentralen Werte seiner Regierung.

Der konservativ-liberale Koalitionsvertrag sieht offenbar als erstes vor, dass das bisherige Recht des Premierministers, den Zeitpunkt von Neuwahlen selbst festzulegen, entfällt. Die Legislaturperiode wird auf fünf Jahre festgelegt, also bis Mai 2015. Weitere Maßnahmen sind angeblich die von den Liberaldemokraten gewünschte Steuererleichterung für Geringverdiener und eine Verschiebung der von den Konservativen gewünschten Stuererleichterungen für Großverdiener. Außerdem ist eine Volksabstimmung über ein neues Wahlrecht geplant.

Die Konservativen setzen sich wiederum mit ihren Plänen für einen Nothaushalt bis Ende Juni mit weitreichenden Ausgabenkürzungen durch sowie damit, dass eine Modernisierung des britischen Atomwaffenarsenals in Angriff genommen wird und daß keine weiteren Machtübertragungen an die EU ohne Volksabstimmung möglich sind. Strittig bleibt unter anderem die Frage der Studiengebühren, die die Liberaldemokraten innerhalb von sechs Jahren abschaffen wollen, die Konservativen aber nicht.

In der neuen Regierung wird Liberalenchef Clegg stellvertetender Premierminister. Die Liberalen bekommen noch vier weitere der insgesamt 20 Kabinettsposten sowie einen Staatssekretär in jedem Ministerium. Ihr Wirtschaftsfachmann Vince Cable wird Wirtschaftsminister. Auf konservativer Seite übernimmt William Hague das Außenministerium, die Nummer Zwei der Partei George Osborne wird Finanzminister und Liam Fox wird Verteidigungsminister. Die erste gemeinsame Kabinettssitzung soll bereits am Mittwoch stattfinden.

Gordon Brown ist mit sofortiger Wirkung nicht nur als Premierminister, sondern auch als Labour-Vorsitzender zurückgetreten. Seine Stellvertreterin Harriet Harmen übernimmt das Amt kommissarisch bis zur Wahl eines Nachfolgers, womit spätestens bis zum nächsten Labour-Parteitag im September gerechnet wird.

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