die wahrheit: Unter Peer Steinbrücks Metaphernschirm

Der spätgeborene Bischof Reinhard Marx hat ein Buch geschrieben mit dem Titel "Das Kapital" und einen persönlichen Brief an den toten Karl Marx, in dem...

Der spätgeborene Bischof Reinhard Marx hat ein Buch geschrieben mit dem Titel "Das Kapital" und einen persönlichen Brief an den toten Karl Marx, in dem der Bischof beklagt, der Kapitalismus enthalte "Strukturen der Sünde, die Anreiz geben zum Schlechten". Das wird den Alten unter der Erde des Londoner Friedhofs höchstens zu einem milden Lächeln bringen.

Neben diesem Marx-Marx-Doppelpassversuch und der Bankenwelt insgesamt ist noch etwas anderes in Schieflage geraten: die Krisen-Metaphorik von Peer Steinbrück. Der Messias der Banken, in dessen rhetorischem Gestus es fast nur Haupt-, um nicht zu sagen, Betonsätze gibt, redet gern vom "Schirm", den er für die "Not leidenden Institute" aufgespannt habe.

Da greift einer tief in die Geschichtskiste. Im Mittelalter gewährte der Grundherr dem Grundholden - also nach heutigem Sprachgebrauch der Eigentümer dem Pächter - "Schutz und Schirm". Die Gegenleistung des Grundholden/Pächters war freilich nicht Geld, sondern "Treue und Hilfe". Und das macht den Unterschied ums Ganze aus: Der Grundholde/Pächter war kein Freier, sondern ein von seinem Herrn Abhängiger, der ohne jenen "gar nicht existieren könnte" (Otto Brunner). Der Abhängige durfte von sich aus nicht einmal ein Gericht anrufen. Darum musste dieser seinen Herrn bitten.

Auf die rechtsgeschichtliche Tradition kann sich Peer Steinbrück also nicht berufen mit seiner "Schirm"-Metapher. Er zielt wohl auf die alltägliche Bedeutung des Wortes. Danach braucht man einen Schirm gegen Regen oder Sonne, also Unerwünschtes von oben. Und was, bitte sehr, prasselt von oben auf die "Not leidenden Institute" herab? Manna, Milch und Honig oder Geld aus dem All schon mal nicht. Eher Schulden. Aber die kommen nicht von oben, sondern lagern schon als "toxische" Papiere, Aktien, Zertifikate und anderes Zeug in den Kellern der Banken - schwer wie Dreck in Wohnhäusern nach einer Überschwemmung. Um die "toxischen" Papiere zu beseitigen, braucht man eine Müllverbrennungsanlage und keinen Schirm.

Aber vielleicht meint Steinbrück gar nicht den ordinären Regen- oder Sonnenschirm, sondern einen Fallschirm. Aber auch diese Metapher geht irgendwie daneben, denn unter einen Fallschirm "begibt" man sich nicht, sondern an einem solchen hängt man. Was aber nützt ein Fallschirm "Not leidenden Instituten" mit riesigen Massen von Dreck im Keller dagegen, noch tiefer zu sinken als abgestürzte Flugzeuge. "Fallschirm" funktioniert also auch nicht für etwas, das sein "Grounding" schon hinter sich hat.

Wahrscheinlich ist "Schirm" in Steinbrücks Diktion eine Abkürzung für Schirmmütze. Und solche will er den Bankern verpassen, damit diese ihre vom Totalversagen verursachte Schamesröte vor dem Publikum verbergen und als Undercover-Banker weitermachen können wie bisher, aber mit "frischem Geld", das ihnen Peer "Schirmmütze" Steinbrück zugeschoben hat.

Einen robusten Regenschirm dagegen werden die Bürger und Steuerzahler brauchen, um wenigstens einige der kalten Duschen abzuwehren, die ihnen in den nächsten Jahren finanziell bevorstehen.

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kari

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