die wahrheit: Im dunklen Tunnel der Liebe

Das geheime Tagebuch der Carla Bruni. Heute: Aufmarsch der Oberzicken

Als die Première Dame noch ein Laufsteghäschen war: Carla Bruni 2002 im schwarzen Abendkleid mit gelbem Cape von Yves Saint Laurent Bild: ap

Mon cher journal intime …

Saint Laurent ist tot. Wieder einer von uns. Ich bin so froh, dass ich noch 30 oder 40 Jahre habe. Es sei denn, ich werde zuvor gegen eine Tunnelmauer gejagt. Aber das ist sehr unwahrscheinlich. Ich meide Tunnel. Wann immer es geht, fahre ich außen rum. Auch Unterführungen habe ich nicht gern. Es macht mir ein beklemmendes Gefühl, so in der Dunkelheit zu versinken, verschluckt zu werden. Und immer diese Pfeiler! Die arme Diana. Ausgerechnet in Paris, der Stadt der Liebe! Zum Glück haben wir gar nicht so viele davon, 41 Tunnel und 527 Unterführungen. Ich habe mich erkundigt. Da kann man gut außen rum fahren oder die Augen zumachen. Jedenfalls bei den Unterführungen. Und im Tunnel, wenn man mit Fahrer unterwegs ist.

Auf jeden Fall gibt es gerade einen Riesenwirbel wegen Saint Laurent. Ganz Paris steht Kopf. Alle wollen Aufnahmen von mir auf dem Laufsteg. Am Donnerstag ist die Beerdigung. Eigentlich wollte ich Aurélien früher aus dem Internat abholen und mit ihm zu Maman aufs Land fahren. Aber das ist ja viel, viel besser! Jetzt ist wenigstens etwas los!

Nici hat das Prozac entdeckt. Son Mist. Dieser Spaßverweigerer, dieser Wassertrinker fing doch wirklich an mit dem "Drogen sind keine Lösung"-Geblubbere. Als wenn P eine Droge wäre! Ich musste ihm versprechen, damit aufzuhören und habe seit gestern nichts genommen (weil ich auch nichts mehr habe. Der Idiot hat doch wirklich meinen ganzen Vorrat eingesackt). Ich kann nicht sagen, dass dies meiner Laune förderlich wäre. Außerdem habe ich keine Ahnung, was ich zu dieser blöden Beerdigung anziehen soll! Etwas von YSL wäre natürlich ganz passend, nur hab ich das alles aussortiert. Dieses ganze Satinzeug war doch ziemlich old-school und ehrlich gesagt, ich fand Saint Laurent immer überbewertet. Dieses Gelabere von der Befreiung der Frau. So ein Quatsch. Sieht man doch an mir, wohin das führt. Nix frei. Goldener Vogel im goldenen Käfig. Da nützt mir auch ein Damen-Smoking nichts. Für den kann ich mir auch keine Freiheit kaufen, keine Lust, kein Leben. Keine Lebendigkeit … Ich habe trotzdem Frau Rottmeir gebeten, mir was zu besorgen - aber schon am Nachmittag war alles ausverkauft. Diese Pariserinnen sind echt die Pest. Ich will überhaupt nicht mehr Französin werden! Ich will Italienerin bleiben und trage was von Armani. So!

Ich habe es nicht mehr ausgehalten und Maman angerufen. Sie bringt P für mich mit, wenn sie morgen Abend endlich kommt.

Ein Lichtblick! Habe Joseph getroffen. Er kam mit der Schubkarre vorbei, als ich auf der Terrasse saß. Ich weiß nicht, ob das klug war, aber ich habe ihm gesagt, dass ich enttäuscht gewesen sei, dass er letzte Woche nicht zu unserer Verabredung gekommen ist. Er sagt, er sei aufgehalten worden. Gerade, als er los wollte, sei ein Anruf gekommen, er solle Pflanzen abholen. Anderthalb Autostunden von Paris entfernt. Ihm sei das komisch vorgekommen, aber er sei gefahren, schließlich wolle er seinen Job behalten. Als er am Ziel ankam, habe er im Nichts gestanden. Keine Blumen, keine Bestellung, nichts. Ehrlich gesagt, das klingt komisch, aber ich glaube ihm. Ein Blick in seine Augen zeigt mir, dass ich ihm glauben kann.

Donnerstag, 5. 6. 2008

Wir gehen gleich zur Beerdigung. Nici hat sich "aus Solidarität mir dem Verstorbenen", wie er sagt, total mit Opium zugeschüttet (Parfum von Yves Saint Laurent; Anm. der Red.) Er dachte, das sei ein Herrenduft … Manchmal frage ich mich, ob ich die einzig Normale in diesem Palast bin.

Donnerstag, 5. 6., abends

Die Beisetzung war, wie Beisetzungen in Modekreisen so sind - schrecklich. Ein Aufmarsch der Oberzicken. All die Mädels von früher. Und sie sind so stehengeblieben! Claudia (Schiffer; Anm. d. Red.) ist so einfältig wie eh und je ("O Carla! Du musst uns mal in England besuchen kommen! Oder wenn ich in Rheinberg bei meinen Eltern bin."), Tyra (Banks; Anm. der Red.) trug immer noch türkisfarbene Linsen und Letitia (Casta; Anm. der Red.) war wieder voll wie ne Haubitze. Die dumme Kuh guckt auf meine Schuhe und sagt: "Ach, hast du jetzt einen Vertrag mit Geox?!" Ich musste mich echt beherrschen, ihr nicht eine zu knallen.

Zum Glück war Nici an meiner Seite und hat mich weggezogen, bevor ich noch etwas sagen konnte. Zu Hause im Palast habe ich mir sofort die Fernsehaufnahmen bringen lassen, und ich muss sagen, sie hat absolut recht. Es ist erstaunlich, wie unattraktiv ich in meinem Herrenanzug mit den Geox-Schuhen aussehe.

Sonntag, 8. 6. 2008

Nici überrascht mich immer wieder. Um mir eine Freude zu machen, hat er für gestern Abend meinen Lieblings-Tajine-Koch aus Marokko einfliegen lassen, Jusuf. Das war eine Überraschung! Und so lecker! Als Dankeschön habe ich Nici einen Bauchtanz getanzt. Blöderweise hatte ich etwas zu stark an der Wasserpfeife gezogen, so dass mir recht schummrig war und ich mich eher blöd bewegt habe. Jedenfalls hatte Nici anschließend gar keine Lust auf ein wenig mehr, was mich etwas wundert und eigentlich keinen anderen Grund haben kann.

SILKE BURMESTER

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