Kommentar Jugendgewalt: Kochs Nutzen für die SPD

Die Debatte um Jugendgewalt nutzt, wenn überhaupt, nur Roland Koch. Seine Parteifreunde Wulff und von Beust dürften kaum noch übersehen können, wie heikel das Thema auch für die CDU ist.

Es scheint, als habe die SPD das destruktive Potenzial des Themas endlich erkannt. Schmollte die Partei zu Beginn der Kriminalitätsdebatte noch, dass sie mit ihrem mühsam gefundenen Wahlkampfthema Mindestlohn nicht mehr durchdrang, so stürzt sie sich jetzt mit Wonne auf Koch, der zum Feindbild bestens taugt. Die sorgfältig austarierte Kombination der Vokabeln "Kriminalität" und "soziale Ursachen" zeigt allerdings, dass sich die Partei damit nicht leichttut - will sie nicht entweder ihre liberalen Meinungsführer oder ihre sicherheitsorientierte Stammklientel gegen sich aufbringen, nachdem sie Letztere gerade erst mühsam befriedet hat.

Inzwischen lässt sich aber kaum noch übersehen, dass das Thema für die Union mindestens so heikel ist wie für die Sozialdemokraten. Der Riss zwischen einem eher sicherheitsorientierten und einem eher liberalen Milieu verläuft mitten durch die beiden Volksparteien. Für Hamburgs Bürgermeister Ole von Beust etwa kommt die hessische Kampagne denkbar ungelegen. Nicht nur, dass seine CDU-Prozente nach einer gestern veröffentlichten Umfrage bedenklich bröckeln, auch die Chancen auf ein Bündnis mit den Grünen schwinden dahin. Im benachbarten Niedersachsen müht sich Christian Wulff, durch eine betonte Abgrenzung von Kochs ausländerfeindlichen Tönen sein freundliches Image zu wahren - bislang mit Erfolg.

Vor allem aber hat sich die Kanzlerin durch die Dynamik der Kampagne, verbunden mit der innerparteilichen Gefechtslage und dem drohenden Machtverlust in Hessen, zum Schulterschluss mit Koch nötigen lassen. Ausgerechnet Angela Merkel, die bislang stets Distanz zu allem Dumpf-Rechten gewahrt hatte. Ihrem Kurs einer behutsamen Modernisierung der Union fügt sie damit schweren Schaden zu - mit unabsehbaren Folgen für die künftigen Wahlchancen auf Bundesebene. Eindeutigen Nutzen hat von der Kampagne, wenn überhaupt, nur Koch.

Vieles spricht nach wie vor dafür, dass die innenpolitische Landschaft nach den Wahlen in Hessen, Niedersachsen und Hamburg anders aussehen wird als zuvor - und dass diese Veränderungen nicht unbedingt zum Nachteil der SPD ausfallen werden.

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