die spanische woche der wahrheit: Die katalanische Pinkelpause

Wenn Wilfried der Haarige und Karl der Kahle gemeinsam eine Landesfahne basteln.

Hasta la vista, Katalonien! Bild: Tom

Wer schon einmal - zum Beispiel "Chez Paul" in der Pariser Rue de Charonne - eine Crème brûlée gegessen hat, der weiß, dass man Vor- und Hauptspeise eigentlich nur bestellt, um für das Dessert eine angemessene Grundlage im Magen zu haben. Damit wäre die kulinarische Welt in Ordnung, und man könnte zur Nachspeise übergehen, aber die Verhältnisse, sie sind nicht so. Denn da gibt es die Katalanen, die sich nicht entblöden, daraus eine Crema Catalana zu machen und diese als ihre ureigene Errungenschaft zu verkaufen. Mit den Franzosen kann mans ja machen. An die iberischen Nachbarn trauen sie sich nicht heran, oder hätte je einer davon gehört, dass die Katalanen sich einer baskischen Piperade bemächtigt und sie unter einem abstrusen Namen wie Piperada Catalana nachgekocht hätten? Eben.

Leider geht die iberische Toleranz gegenüber den Katalanen durchaus weit, ja zu weit. So fand man bei Aldi anlässlich einer neulich stattgefundenen "Spanischen Woche" zwischen andalusischen Oliven und aragonischen Weinen auch mit seltsamem Pulver gefüllte Tüten, auf denen Crema Catalana stand, mit Milch angerührt fix und fertig in fünf Minuten. Wieso sich die richtigen Spanier so etwas gefallen lassen, ist mir ein Rätsel. Dabei gab es auch mal andere Zeiten. Als Jugendlicher las ich begeistert Orwells "Mein Katalonien" und nahm mir vor, eines Tages dorthin zu reisen und einige Moleküle seines Atems einzusaugen. Doch dann sah ich wenig später ein Gemälde von Dalí, und damit war Katalonien für mich so gut wie gestorben. Als dann auch noch Freunde auf dem Weg nach Marokko mit dem Bulli irgendwo bei Lleida liegen blieben, da wusste ich, dass Katalonien nicht wirklich sein muss. Wer schon bei Ferran Adrià Gemüse-Gelatine-Streifen mit Holzkohlenöl gegessen hat, weiß das zu bestätigen und sehnt sich nach einem Ibérico Secreto aus den Eichenwäldern von Extremadura.

Einmal, es war Unvorsichtigkeit oder auch Übermut, geriet ich dann doch nach Katalonien. Ich hatte, aus Frankreich kommend, in Andorra Havannas gekauft, und da die Hinreise über den Pas de la Casa überaus beschwerlich war, weil einige auf katalanischer Seite ausgerissene Kühe stundenlang die Straße versperrten, beschloss ich, die alternative Route zu nehmen und über die Südseite der Pyrenäen nach Frankreich zurückzufahren. Hätte ich es doch nicht getan. So furztrocken die Landschaft, so trocken waren auch meine Puros, als ich spät abends in Ax-les-Thermes ankam. Die Zigarren brauchten lange, um sich zu erholen, und so ganz gelang es ihnen nie mehr.

Was kann man aber auch von einer Region erwarten, zu deren Begründern jemand namens Wilfried der Haarige gehörte? Der dann, um das Fass vollzumachen, mit einem gewissen Karl dem Kahlen die katalanische Landesfahne bastelte? Plump in der Farbgebung von Spanien abgekupfert, sozusagen die Crema Catalana unter den Flaggen.

Und Straßenbahn fahren, sicher über die Straße gehen und Kirchen fertig bauen können die Katalanen auch nicht. Es ist ein Elend. Auf diese Weise wird es Katalonien nie gelingen, nicht mehr das zu sein, was es mit Belgien gemeinsam hat: ein Pinkelpausenland auf dem Weg in den sonnigen Süden.

ARCHI BECHLENBERG

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kari

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