EU streitet über Staatsschulden: Hart, aber fair

Die EU-Kommission will kein bloßes Spardiktat mehr. Sie hat am Mittwoch eine Reform angestoßen – mit der viele Regierungen unzufrieden sein dürften.

Ursula von der Leyen spricht vor einer Wand mit EU-Flagge.

EU-Kommissionschefin Ursula von der Leyen bei der Präsentation der Schulden-Pläne Foto: Philipp von Ditfurth/dpa

BRÜSSEL taz | Hart, aber fair – und sogar mit Krieg und Klimakrise vereinbar: So sollen die neuen Schuldenregeln für die Eurozone ausfallen, die die EU-Kommission am Mittwoch in Brüssel vorgestellt hat. Anders als bisher sollen sie die EU-Staaten nicht mehr nur zum Sparen anhalten, sondern auch Reformen anstoßen und Investitionen fördern. „Wir leben in einer anderen Welt als vor 30 Jahren“, sagte Kommissionsvize Valdis Dombrovskis.

Allerdings fällt die Reform, die die EU-Behörde nach langem Zögern vorgelegt hat, insgesamt bescheiden aus. An den sogenannten Maastricht-Kriterien will Brüssel festhalten: Die 3-Prozent-Grenze für das laufende Budgetdefizit soll ebenso bleiben wie das 60-Prozent-Limit für die Gesamtverschuldung.

Selbst Deutschland reißt diese Zielmarken. Am Mittwoch hat das Bundeskabinett ein Stabilitätsprogramm beschlossen. Demnach erwartet die Regierung bei Bund, Ländern, Gemeinden und Sozialversicherungen 2023 rechnerisch ein Defizit von etwa 4,25 Prozent. Für den Schuldenstand prognostiziert das Stabilitätsprogramm für 2023 einen Wert von 67,75 Prozent des Bruttoinlandsprodukts.

Doch eine Streichung der Maastricht-Kriterien, wie sie Frankreich gefordert hatte, ist auf EU-Ebene ebenso wenig durchsetzbar wie eine Lockerung. Stattdessen soll es mehr Spielraum beim Schuldenabbau geben. Die Kommission will mit den Euroländern maßgeschneiderte „Referenzpfade“ vereinbaren, um die Schulden schrittweise abzubauen.

EU-Kommission kommt Lindner nicht ganz entgegen

Die Länder hätten nach dem Vorschlag vier Jahre lang Zeit, um die Ziele zu erreichen. Solange das Defizit über 3 Prozent liegt, müssten sie ihre Schul­denquote um jährlich einen ­halben Prozentpunkt verringern.

Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hatte eine solche Mindestvorgabe gefordert. Allerdings wollte Lindner hoch verschuldete Länder wie Griechenland oder Italien zwingen, ihre Schuldenquote um mindestens einen Prozentpunkt jährlich zu senken. So weit wollte die EU-Kommission nicht gehen.

Ihr Vorschlag ist ein Kompromiss. Er muss jetzt von den 27 EU-Staaten diskutiert und beschlossen werden. Viel Zeit bleibt nicht mehr – die neuen Regeln sollen schon 2024 gelten. Die alten Vorgaben des Stabilitätspakts waren in der Coronakrise ausgesetzt worden.

Dass Streit droht, lassen schon die ersten Reaktionen aus dem Europaparlament erkennen. Die Debatte gehe in die falsche Richtung, meint der linke Europaabgeordnete Martin Schirdewan. Statt um Schuldenabbau müsse es um Investitionen gehen. „Lindner isoliert Deutschland in der EU“, kritisiert Schirdewan, dies sei ein Fehler.

Für Markus Ferber von der CSU geht der Vorschlag aus Brüssel dagegen nicht weit genug. Die Kommission tue zu wenig für die Finanzstabilität, so Ferber. Die Bundesregierung sei in einer schwachen Position: „Wer zu Hause mit Schattenhaushalten operiert und in Brüssel das Sparen predigt, hat ein Glaubwürdigkeitsproblem.“

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