„Lärmblitzer“ am Kurfürstendamm: Lärmjagd mit Köpfchen

Berlin testet am Breitscheidplatz seinen ersten „Lärmblitzer“. Was aus den gewonnenen Daten folgt, ist allerdings völlig offen.

Auspuff an Auto in Großaufnahme

Röhr, röhr: Der Lärmblitzer soll jetzt rausfinden, wer's war Foto: IMAGO / Christian Ohde

BERLIN taz | Die Hydra war eine vielköpfige Schlange, deren Trick darin bestand, für jeden abgetrennten Kopf zwei neue nachwachsen zu lassen – Herkules hatte seine liebe Mühe damit. Die Köpfe der „Hydre“ sind dagegen erst auf den zweiten Blick zu erkennen: Es handelt sich um zwei Bündel Richtmikrofone, die sich hinter Gitterblenden verbergen. Das gesamte Konstrukt in Form eines länglichen Kastens, aus dem auch Kameraobjektive ragen, hängt an einem Mast gegenüber der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche.

„Arrête, arrête“, ruft ein Techniker seinem Kollegen zu, der die „Hydre“ gerade justiert, „plus à gauche!“ Dass die beiden Französisch sprechen, liegt daran, dass sie das Gerät, das die Senatsmobilitätsverwaltung und die Technische Universität (TU) für acht Wochen von der Lärmschutzorganisation Bruitparif geliehen haben, punktgenau aus Paris angeliefert worden ist. Dort hat es zuletzt an einer Straße im 20. Arrondissement seinen Dienst getan.

Die „Hydre“ misst Lärm, und zwar sehr präzise. Sie ist in der Lage, besonders aktive Lärmquellen selbst in einer ohnehin schon lauten Umgebung zu identifizieren und Foto- sowie Videoaufnahmen davon zu machen. An Straßen hängt man sie auf, um Auto- oder Motorradfahrende dingfest zu machen, die ihr vielleicht sogar per Tuning angeschärftes Gefährt ohne triftigen Grund aufheulen lassen. Das ist in Deutschland zwar eine Ordnungswidrigkeit, die mit 80 Euro Bußgeld sanktioniert werden kann, aber die Täter zu erwischen, ist für die Polizei bislang extrem kompliziert.

Laut auch ohne Raser

Auf der anderen Straßenseite sagt die neue Mobilitätssenatorin Manja Schreiner (CDU) in die Mikrofone der Presse, dass Verkehrslärm Stress erzeuge, dass sie gespannt sei auf die Messresultate der „Hydre“, und dass Lärmblitzer – ein solcher nämlich ist die französische Innovation – künftig mehr Regelkonformität garantieren könnten. Sie muss laut reden, denn auch ohne Raser und Poser, die an dieser Stelle mutmaßlich besonders häufig unterwegs sind, ist die Geräuschkulisse beachtlich. Dabei macht der Straßenmusiker mit seinem Kochtopf-Schlagzeug ein paar Meter weiter freiwillig Pause.

In Frankreich hoffe man noch in diesem Jahr auf die Zulassung des Geräts, sagt Raphael Coulmann von der Firma, die die „Hydre“ entwickelt hat. In sieben Städten sei sie bereits getestet worden, nun fehle das Votum der Prüfanstalt Laboratorie Nationale de métrologie et d'essais. „Strafzettel gibt es in Frankreich bis jetzt nicht.“

In Berlin wird die Sanktionierung von Krachmachern wohl noch länger auf sich warten lassen. Jetzt werde erst mal getestet, sagt Senatorin Schreiner. Danach flössen die Erkenntnisse in den Lärmaktionsplan ein, der 2024 neu aufgelegt werde. Und dann? „Müssten wir eine Änderung der StVO in den Blick nehmen“, so die Senatorin, „und Gesetzgebungsprozesse dauern ja leider immer länger, als man denkt.“

Blitzen wird der Blitzer übrigens nicht. Schon weil man nicht fördern wolle, dass Autofahrende das Gerät mit ihrem Gaspedal absichtlich auslösten, heißt es in der Senatsverwaltung. Eine Art „Hau den Lukas“-Effekt für Krachmacher, das fehlte Berlin gerade noch.

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