CDU-Vorstoß gegen Asylrecht: Union schürt Vorurteile

Unions-Geschäftsführer Thorsten Frei schlägt vor, das individuelle Recht auf Asyl durch Kontingente zu ersetzen. Seine Idee beruht auf zwei groben Denkfehlern.

Ein weiß gehaltener Raum mit Hochbett. Daneben sind vier Stühle auf einen Tisch gestellt.

Unterkünfte für ankommende Mi­gran­t:in­nen, wie hier in Dresden, sind rar in deutschen Kommunen Foto: Sylvio Dittrich/imago

Thorsten Frei verspricht das Blaue vom Himmel. Endlich sollen in Europa die wirklich Hilfsbedürftigen Zuflucht bekommen, die illegale Migration wäre unterbunden und den Rechts­po­pu­lis­t:in­nen der Boden entzogen. Dies alles will der parlamentarische Geschäftsführer der CDU/CSU-Fraktion erreichen, indem das individuelle Asylrecht abgeschafft und durch Kontingente ersetzt wird.

Er hat damit sofort eine veritable Debatte ausgelöst und viel Kritik erfahren. Viele sehen etwa das Grundrecht auf Asyl in Gefahr. Diese Kri­ti­ke­r:in­nen haben allerdings vergessen, dass das deutsche Grundrecht auf Asyl bereits 1993 weitgehend abgeschafft wurde. Unser Asylrecht beruht heute auf EU-Recht.

Thorsten Frei weiß das, er fordert die Abschaffung des Individualrechts auf Asyl in der EU. Die Hürde hierzu ist zwar hoch. Denn die EU-Grundrechte-Charta müsste einstimmig geändert werden. Aber wenn es gegen Flüchtlinge geht, ist das inzwischen leider nicht undenkbar.

Frei hat auch einen bedenkenswerten Punkt: Solange die EU zwar einen Individualanspruch auf Asyl gewährt, aber gleichzeitig den Zugang erschwert, kommen vor allem starke und zahlungskräftige Flüchtlinge nach Europa, so Frei. Wer zu schwach oder arm ist, sei chancenlos. Die EU solle deshalb pro Jahr bis zu 400.000 wirklich hilfsbedürftige Flüchtlinge aufnehmen.

Die liquiden Flüchtlinge kommen trotzdem

Der Vorschlag beruht auf zwei groben Denkfehlern. Auch wenn sich die EU für eine Kontingentlösung entscheidet, kommen die starken und zahlungskräftigen Flüchtlinge und Mi­gran­t:in­nen dennoch illegal nach Europa. Sie erhielten nach Freis Lösung nur keine Unterstützung mehr und dürften auch nicht arbeiten. Das macht Europa wohl nicht sicherer.

Auch die Zahl an Kontingentflüchtlingen pro Jahr ist völlig illusorisch. Wer die Aufnahmebereitschaft der EU-Staaten kennt, würde schon 30.000 bis 40.000 Personen als Erfolg betrachten. Humanitär wäre das nicht der versprochene Fortschritt.

Doch ist der Status quo wirklich so problematisch? Die meisten Flüchtlinge kommen immer noch aus Syrien und Afghanistan. Nur 20 Prozent der Asylanträge werden aus inhaltlichen Gründen abgelehnt. Der Anteil von Frauen und Kindern unter den Asylantragstellenden beträgt 43,6 Prozent. Dazu befinden wir uns in einer Phase zunehmender Arbeitskräfteknappheit.

Der Vorwurf, dass das EU-Asylrecht die Falschen schütze, ist vor allem geeignet, Vorurteile gegenüber den hier lebenden Flüchtlingen zu legitimieren. Indem man Hilfe für andere Flüchtlinge fordert, kann man guten Gewissens Stimmung gegen die real hier lebenden Flüchtlinge machen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Geboren 1965, Studium in Berlin und Freiburg, promovierter Jurist, Mitglied der Justizpressekonferenz Karlsruhe seit 1996 (zZt Vorstandsmitglied), Veröffentlichung: „Der Schiedsrichterstaat. Die Macht des Bundesverfassungsgerichts“ (2013).

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.