Gehirn-Computer-Schnittstelle ohne OP: Die Schädeldecke bleibt zu

Ein neue Studie zeigt, dass eine Schnittstelle per Sonde über die Blutbahn ins Gehirn geschickt werden kann. Eine Operation könnte so umgangen werden.

Elektroden ragen aus einer Kappe auf einem Kopf

Mit Elektroden verkabelter Kopf Foto: Keystone/picture alliance

Gehirn-Computer-Schnittstellen zeichnen mithilfe von Elektroden Nervensignale auf und übertragen sie an einen Computer. So können etwa gelähmte Menschen mit Kraft ihrer Gedanken Gliedmaßen bewegen oder einen Mauszeiger steuern. Wis­sen­schaft­le­r:in­nen untersuchen zudem, ob man mit solchen Schnittstellen Krankheiten wie Depressionen oder Parkinson therapieren kann.

In den meisten Fällen werden dafür Signale aus dem Inneren des Hirns benötigt, es muss also die Schädeldecke geöffnet und ins Gehirn gestochen werden. Auch wenn die eingesetzten Elektroden sehr fein sind, kann es zu Schädigungen des Hirngewebes kommen; bisweilen mindern Entzündungsreaktionen die Aufzeichnungsqualität.

Die Studie

Ein Team um Anqi Zhang von der Stanford University präsentiert in der Fachzeitschrift Science nun eine Alternative, die keiner risikoreichen Operation bedarf: Die For­sche­r:in­nen entwickelten eine Sonde, die über die Blutbahnen ins Gehirn geschoben werden kann. Nervenzellen sind auf eine gute Sauerstoffversorgung angewiesen, weshalb Blutgefäße nie weit entfernt sind.

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Die Sonde ähnelt einem Stent, wie er bei Gefäßverengungen eingesetzt wird. Allerdings ist sie viel kleiner, besteht aus einem hochflexiblen Kunststoffgeflecht und verfügt über elektrische Fühler. In der aktuellen Ausfertigung passt die Sonde in Blutgefäße mit einem Durchmesser von einem Zehntel Millimeter, also ungefähr der Dicke eines Haares.

Die Wis­sen­schaft­le­r:in­nen beluden einen kleinen Katheter mit dieser smarten Sonde und führten ihn in die Hirnarterien von betäubten Ratten. Sobald es für den Katheter zu eng wurde, entluden sie die Sonde und schoben sie mithilfe einer Salzlösung in noch dünnere Bahnen. Dort entfaltete sich das Minimessgerät. Das kann man sich das vorstellen wie eine spiralförmige Feder, die sich aufdreht und an die Innenwand eines Blutgefäßes schmiegt. Innen ist sie hohl, sodass das Blut ungehindert durchfließen kann.

Weil das Polymergeflecht biegsamer als die Arterien ist, scheint es keinen Schaden anzurichten. Zumindest fand das Team um Zhang nach einem Monat keine Hinweise auf Vernarbungen oder entzündete Stellen. Besonders beeindruckend: Die neue Sonde ist so klein und empfindlich, dass sie sogar die Aktivität einzelner Nervenzellen aufzeichnet. Sie kann also was die Genauigkeit angeht mit den herkömmlichen Schnittstellen mithalten.

Was bringt’s?

Bereits früher gab es ähnliche Versuche mit Geräten aus Metall. Diese waren aber starrer und ungefähr 15-mal dicker, deshalb konnten sie nicht so weit ins Blutgefäßsystem vordringen. Falls die neue Methode bei Ratten funktioniert, ist es bis zur möglichen Anwendung bei Menschen immer noch ein längerer Weg. Die Sonde ist aber ein vielversprechender Prototyp für ein Implantat, das ohne Operation eingesetzt werden kann und so Komplikationen vermeidet.

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