Spanischer Experte über rechte Medien: „Es droht das Ende der Vielfalt“

Private TV-Sender in Spanien haben rechtes Wording übernommen, sagt Paco Audije. Es werde sich mehr ändern, wenn PP und VOX bei der anstehenden Wahl gewinnen.

Stühle bei einer Wahlkampfveranstaltung mit Fahnen.

Bei einer Wahlkampfveranstaltung der rechten Partei Vox in Andalusien im Juli 2023 Foto: Jon Nazca/reuters

taz: Señor Audije, die Rechte in Spanien hat die Linkskoalition unter Pedro Sánchez nie akzeptiert. Sie sei „illegitim“, eine „Frankensteinregierung“, die sich auf die „Feinde der Nation“ stützt – jetzt gehe es darum, diesen „Sanchismus“ zu besiegen, heißt das Motto im Wahlkampf zu den Parlamentswahlen am kommenden Sonntag. Sánchez kritisiert immer wieder die Medien, diese Propaganda mitzutragen. Ist dem so?

Paco Audije: Die privaten Fernsehsender haben in diesem Prozess eine sehr wichtige Rolle gespielt. Sie haben von Anfang an den ideologischen Rahmen der Rechten akzeptiert. Sie haben die Schlagworte der Rechten in ihren Debattensendungen und in den Morgenprogrammen übernommen und ständig wiederholt. Das geht so weit, dass sie Sánchez vorwerfen, mit der ETA zusammenzuarbeiten, einer bewaffneten Separatistenorganisation, die sich vor 12 Jahren auflöste. Das klingt absurd, aber diese Vorwürfe haben ihren Einfluss in einem breiten Teil der Bevölkerung. Denn die großen Medien Spaniens gehören zwei Konzernen, Mediaset der Familie Berlusconi und Atresmedia. Sie dominieren die Fernsehlandschaft.

Die Rechte hat die spanische TV-Landschaft also fest in der Hand?

Es sind zwei mächtige, sehr konservative Medienimperien. Der Sender mit der höchsten Einschaltquote ist TeleCinco, die spanische Kopie des ursprünglich italienischen Tele 5; ein Sender, der in der Form von Unterhaltungssendungen politische Botschaften verbreitet.

Die von rechts geschaffenen Streitthemen haben den kompletten Wahlkampf bei den Kommunal- und Regionalwahlen Ende Mai bestimmt und jetzt angesichts der Parlamentswahlen versucht die Rechte erneut damit die Debatte zu dominieren.

Ja, die Regierung tut sich schwer, für die eigene Politik zu werben. Es ist kaum möglich, über soziale Errungenschaften trotz Covid- und Ukraine-Krise zu reden. Darüber, dass die spanische Wirtschaft im europäischen Vergleich sehr gut abschneidet. Oder dass die Regierung mit ihrer Politik die Lage in Katalonien befriedet hat.

69, ist ehemaliges Mitglied der Auslandsredaktion im spanischen öffentlichen Fernsehen TVE, Gründer der Gruppe Tele para Todos (TV für alle) zur Verteidigung der Qualität und Unabhängigkeit des öffent­lichen Fernsehens, sowie Mitglied der Broadcasting Experts Group des Gewerkschaftsverbands Europäische Journalisten-Föderation (EJF).

Die Radiolandschaft ist noch nicht ganz so konzentriert. Dort ist der meist gehörte Sender die Cadena Ser, der zur Gruppe Prisa rund um die linksliberale Tageszeitung El País gehört. Jetzt hat der Sohn von Silvio Berlusconi angekündigt, diesen Sender aufzukaufen. Was hätte das für Auswirkungen?

Die Cadena Ser ist mit weit über vier Million Hörern am Tag der wichtigste Sender in Spanien und stellt ein Gegengewicht dar. Wenn Berlusconis Mediaset den Sender tatsächlich aufkauft und in Spanien die konservative Partido Popular zusammen mit der rechtsextremen VOX regiert und somit das öffentliche Radio und Fernsehen RTVE in die Hände bekommt, würde die Rechte direkt oder indirekt 90 Prozent der Nachrichtensendungen kontrollieren. Es droht die Gleichschaltung, das Ende der Vielfalt.

Hat die Regierung Sánchez verpasst, die öffentliche Anstalt RTVE zu reformieren, sie unabhängiger zu machen?

Es gab einen Versuch, mittels öffentlicher Ausschreibung einen Aufsichtsrat aus unabhängigen Spezialisten zu installieren. Aber letztendlich scheiterte das daran, dass die Parteien dies dann doch nicht umsetzen wollten. Insgeheim waren sie sich alle einig. Der derzeitige Aufsichtsrat ist aus Mitgliedern zusammengesetzt, die alle der einen oder anderen Partei nahestehen.

Was bedeutet dies im Falle eines rechten Wahlsieges?

Eine solche Regierung wird ihr nahestehende Führungspersonen ernennen und diese werden dann nach und nach die Posten nach unten hin mit ihnen genehmen Personen besetzen.

Eine Modell wie in Ungarn, wo es keinerlei Vielfalt mehr gibt?

Ich würde das eher mit Italien vergleichen. Die spanische Gesellschaft ist der italienischen ähnlicher als der ungarischen. In Italien sehen wir dieser Tage, wie die Regierung von Giorgia Meloni versucht, das öffentliche Fernsehen RAI zu übernehmen. Und das in einem Land, in dem es eine lange Tradition gibt, den Einfluss in Radio und Fernsehen unter den verschiedenen politischen Kräften aufzuteilen. Tele-Kabul nennt die Rechte das und will das Modell zerschlagen. Hier werden sie dazu aufrufen, den „Sanchismus“ in RTVE zu zerschlagen. Leere Worthülsen, die allerdings gut funktionieren, wie wir im Wahlkampf sehen.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.