Marschflugkörper für die Ukraine: Ringen um Taurus

Das politische Berlin diskutiert weiter über eine mögliche deutsche Lieferung von Marschflugkörpern an Kyjiw. Kanzler Scholz bleibt zurückhaltend.

Kampfjet Tornado mit einem Lenkflugkörper Taurus bestückt

Kampfjet Tornado mit einem Lenkflugkörper Taurus bestückt Foto: Bienert/Bundeswehr via dpa

BERLIN taz | Die Diskussion über die Lieferung deutscher Taurus-Marschflugkörper an die Ukraine füllt weiter das Sommerloch im politischen Berlin. FDP und Grüne drängen, SPD-Politiker:innen bremsen, Linke lehnen ab, die Union zeigt sich vielstimmig. Und Bundeskanzler Olaf Scholz gibt sich weiter bedächtig.

Es sei „dringend erforderlich, die Taurus zu liefern“, sagte die FDP-Abgeordnete Marie-Agnes Strack-Zimmermann der Süddeutschen Zeitung. „Wir dürfen keine Zeit verlieren“, so die Vorsitzende des Bundestags-Verteidigungsausschusses. Auch die Grüne Agnieszka Brugger forderte die Bundesregierung auf, sie sollte „schnell und positiv entscheiden“. Alle Argumente seien ausgetauscht, befand die stellvertretende Fraktionsvorsitzende ebenfalls gegenüber der SZ.

Demgegenüber mahnte der SPD-Verteidigungspolitiker Johannes Arlt, Bedenken gegen die von der Ukraine geforderte Abgabe von Marschflugkörpern ernst zu nehmen. „Ich finde, dass die Kritik und die Zweifel an solchen Lieferungen in der öffentlichen Debatte viel zu wenig vorkommen“, sagte er am Montag im Deutschlandfunk. Dass mit den Taurus aufgrund ihrer Reichweite theoretisch Ziele auf russischem Territorium angegriffen könnten, fände er selbst „eigentlich nicht akzeptabel“.

Eindeutig gegen die Lieferung sprach sich Linken-Bundesgeschäftsführer Tobias Bank aus. Jede neue Waffe beinhalte „auch ein neues Eskalationsrisiko“, warnte er am Montag. „Das ist ein Spiel mit dem Feuer, das da betrieben wird.“ Deutschland solle lieber Vorreiter für ein „großes Bündnis für den Frieden“ sein, „um den nötigen Druck auf Russland auszuüben“, so Bank.

Scharfe Worte aus Sachsen

Mit ähnlich scharfen Worten lehnte der stellvertretende CDU-Bundesvorsitzende Michael Kretschmer eine Taurus-Lieferung ab. Er sei „ganz klar gegen die Lieferung von Marschflugkörpern“, sagte er dem Spiegel. Immer wieder überschreite die Bundesregierung selbstgesetzte rote Linien, erst bei der Lieferung von Leopard-Panzern, nun bei den Taurus. „Was kommt als Nächstes?“, fragte der sächsische Ministerpräsident.

Mit seiner Wortmeldung stellte sich Kretschmer gegen seinen Parteikollegen Norbert Röttgen, der den Zeitungen der Funke-Mediengruppe sagte, dass die Lieferung von Marschflugkörpern moralisch und politisch dringend geboten sei. Es wäre „völlig unverständlich und verantwortungslos“, wenn die Bundesregierung die entsprechende Anfrage der Ukraine ablehne, so der CDU-Außenpolitiker.

Sein Fraktionskollege Johann Wadephul äußerte sich zurückhaltender. „Die Lieferung eines Waffensystems wie Taurus muss wohl abgewogen werden“, sagte er der SZ. Deshalb halte er „das Vorgehen der Bundesregierung in diesem Fall für strukturiert und nachvollziehbar“, so der CDU-Mann.

Im ZDF-Sommerinterview hatte Scholz am Sonntag zu einer möglichen Marschflugkörperlieferung Deutschlands gesagt: „So wie in der Vergangenheit werden wir jede einzelne Entscheidung immer sehr sorgfältig überprüfen.“ Die Regierung werde es sich „auch weiter schwermachen“. Ansonsten wolle er sich dazu erst konkreter äußern, „wenn es etwas zu sagen gibt“.

Bislang beruhten deutsche Waffenlieferungen stets auf einer engen Absprache mit den USA. Das will Scholz weiterhin so halten. Nachdem inzwischen Großbritannien und Frankreich Storm Shadow- und Scalp-Marschflugkörper an die Ukraine liefern, dürfte allerdings Deutschland in absehbarer Zeit nachziehen. Auch in der Biden-Administration verstärkt sich die Diskussion, ob sie ihre von der Ukraine erbetenen ATACMS-Kurzstreckenraketen liefern will. Die Republikaner im Repräsentantenhaus haben die Regierung bereits offiziell aufgefordert, sie „sofort“ zu schicken.

Storm Shadow und Scalp haben eine Reichweite von bis zu 560 Kilometer, Taurus von bis zu 500 und ATACMS von bis zu 300 Kilometer. Mit ihnen könnten also russische Stellungen im Hinterland angegriffen werden. Dass sie der Ukraine ermöglichen würden, „die Befreiung ihrer Gebiete zu beschleunigen und den Krieg schneller zu beenden“, wie Kyjiws Außenminister Dmytro Kuleba der Bild am Sonntag sagte, bezweifeln Mi­li­tär­ex­per­t:in­nen jedoch.

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