Uranabbau in Niger: Da strahlt das Land

Niger ist der wichtigste Uranlieferant der EU. Der Abbau ist in französischer Hand und wird weiter ausgebaut: Dieses Jahr gab es einen neuen Vertrag.

Die französische Uranmine in Arlit besteht zum Teil von außen betrachtet aus vielen Rohren und Metall

Der Vertrag der größten Uranmine in Niger am Rande der Stadt Arlit läuft bis 2040 Foto: Maurice Ascani/areva/via ap

BRÜSSEL taz | Niger ist international von strategisch viel größerer Bedeutung als Mali oder Burkina Faso. Das liegt auch an seinen Bergbau­ressourcen.

Nach den Daten der World Nuclear Association war Niger 2022 der sechstgrößte Uranproduzent der Welt, hinter Kasachstan, Kanada, Namibia, Australien und Russland. Seine auf 311.000 Tonnen geschätzten Uranreserven machen 5 Prozent der Weltreserven aus, gleichauf mit Südafrika und nur übertroffen von Australien, Kasachs­tan, Kanada und Namibia. Die EU insgesamt importierte im Jahr 2021 2.905 Tonnen Uran aus Niger, 24,3 Prozent ihrer Gesamtimporte; Niger lag damit an erster Stelle. 2022 kam ein Drittel des in Frankreich verwendeten Urans aus Niger.

Botschafter „weiter im Amt“: Frankreich akzeptiert die Ausweisung seines Botschafters in Niger nicht. Botschafter Sylvain Itté sei „weiter im Amt“, erklärte Präsident Emmanuel Macron am Montag. Am Freitagabend hatte Nigers Militärregierung ihm 48 Stunden Zeit gegeben, Niger zu verlassen. Frankreichs Außenministerium hatte das zurückgewiesen mit dem Argument, die Militärputschisten seien nicht Nigers legitime Regierung.

Maßnahmen gegen Botschaft: Wo Botschafter Itté sich genau aufhält, ist unbekannt. Am Montag stellten die nigrischen Behörden dem Botschaftsgebäude Strom und Wasser ab.

Nigers Uranförderung ist fest in französischer Hand. Die Firma Somair (Société des Mines de l’Air), die in der Saharawüste Nigers größte Uranmine am Rand der Stadt Arlit ausbeutet und einen Vertrag bis 2040 hat, gehört zu 63,4 Prozent der mehrheitlich staatlichen französischen Orano-Gruppe, ehemals Areva. Die restlichen 36,6 Prozent gehören der nigrischen Staatsfirma Sopamin (Société du Patrimoine des Mines au Niger­).

Aus Arlit kamen 2021 über 90 Prozent des nigrischen Uran­exports. Bei der chemischen Behandlung des uranhaltigen Gesteins vor Ort entsteht Urankonzentrat, das wegen seiner goldgelben Farbe „Yellow Cake“ genannt wird. Einmal im Monat rollt ein Lkw-Konvoi voller blauer Fässer mit jeweils 600 Kilogramm Yellow Cake von Arlit bis zum Hafen Cotonou in Benin 1.950 Kilometer weiter südlich. Dort werden sie nach Narbonne in Frankreich verschifft.

Ein neuer Vertrag

Seit dem Militärputsch in Niger am 26. Juli geht das alles nicht mehr. Die Westafrikanische Wirtschaftsgemeinschaft (Ecowas) hat Nigers Grenzen geschlossen, die Übergänge nach Benin sind dicht. Nigers Militärjunta hat den Luftraum gesperrt, Orano-Mitarbeiter können nicht mehr zwischen Frankreich und Niger reisen.

Die Junta hat außerdem einen Uranexportstopp verfügt, wobei unklar ist, was das in der Praxis heißt. „Die aktuelle Krise hat keine kurzfristigen Auswirkungen auf die Lieferkapazitäten von Orano“, erklärte ein Unternehmenssprecher vor kurzem gegenüber AFP. Orano fördert auch in anderen Ländern.

Die Uranmienen in Niger liegen vor allem im Westen des Landes, in der Nähe der Grenzen zu Mali und Algerien, das für China interessante Ölfeld bei Agadem liegt im Osten

Erst am 4. Mai, wenige Monate vor dem Putsch, unterschrieb Orano mit Nigers damaliger Regierung ein neues Partnerschaftsabkommen. Die vor zwei Jahren stillgelegte Mine Cominak (Compagnie Minière d’Akokan) südwestlich der Mine Somair soll saniert werden, und vor allem soll Orano die zweite große Uranreserve Nigers neben denen um Arlit neu in Angriff nehmen: Imouraren, das zwischen Arlit und Agadez liegt und dessen Uranreserven auf über 213.000 Tonnen geschätzt werden.

Orano hält daran gemeinsam mit südkoreanischen Investoren 66,65 Prozent, der nigrische Staat den Rest. Oranos Vorgänger Areva erwarb die Förderrechte dort bereits 2009, aber nach ersten Bohrungen wurde die Arbeit 2014 eingefroren.

Im neuen Abkommen hat sich Orano nun verpflichtet, mit Investitionen von 85 Millionen Euro die Machbarkeit der Uranförderung in Imouraren zu prüfen, um bis 2028 eine Entscheidung darüber treffen zu können. Aus Imouraren sollen 35 Jahre lang 5.000 Tonnen Uran pro Jahr kommen, viel mehr als aus den Minen von Arlit. Orano soll ab 2030 außerdem jährlich 40 Millionen Euro für Sozialprojekte ausgeben.

Die teuren und langen Prüfungen haben damit zu tun, dass in Imouraren eine neue Fördermethode geplant ist, nämlich die Injektion von Säure in die uranhaltigen Böden, um das Mineral herauswaschen zu können. Dies wird als moderne Alternative zum Tagebau gepriesen, wie er in den Somair-Minen von Arlit betrieben wird. Aber Umweltschützer fürchten eine radioaktive Belastung der Böden und des Grundwassers.

Vier Jahrzehnte Uranabbau bei Arlit und dem Nachbarort Akokan haben dort aber heftige Spuren hinterlassen: 35 Meter hohe Abraumhalden auf einer Fläche von 120 Hektar, insgesamt 20 Millionen Tonnen Geröll. Oranos Filiale Cominak hat zwar zugesagt, zehn Jahre lang das Gelände mit Ausgaben von 150 Millionen Euro zu säubern, gefolgt von mindestens fünf Jahre Umweltüberwachung. Aber Umweltschützer bezweifeln, dass das genügt.

Die Folgen des Uranabbaus

Die Abraumhalden „sind radioaktiv“, sagt der Chef der Minenabteilung des Departments Arlit, Bassirou Babalé, und warnt von Radon-Gaskonzentrationen in der Stadt Arlit. Die Gesundheitsbehörde Osra (Observatoire de la santé de la région d’Agadez), die seit 2012 die Gesundheit ehemaliger Beschäftigter von Somair und Cominak verfolgt, hat unter 2.000 Personen 10 auf radioaktive Verseuchung zurückzuführende Berufserkrankungen festgestellt.

Der nigrische Dokumentationsfilm „La Colère dans le vent“ (Wut im Wind) wies 2016 eine Häufung von Krebserkrankungen, Lungenerkrankungen und Missbildungen bei Neugeborenen nach, ebenso Viehsterben dort, wo der Wind radioaktiven Staub hinträgt. Aus dem Abraum der Uranminen seien Häuser gebaut worden, die verseucht seien, sagten Anwohner aus; die Diemenbelegschaft bekäme Mineralwasser zu trinken, die Anwohnerinnen müssten das verseuchte Grundwasser nutzen. Der Film wurde in französischen Instituten weltweit gezeigt – nicht aber in Nigers Hauptstadt Niamey, wo Frankreichs Botschaft sich querstellte.

„Mit Nigers Uran bekommt Frankreich Strom und Geschäfte, Niger bekommt Verschmutzung und Radioaktivität“, sagt ein französischer Bergbauingenieur der taz. Unter diesen Umständen ist die gute Zusammenarbeit zwischen Nigers wechselnden Regierungen und Frankreichs Uranförderern problematisch. Niger profitiert trotz mehrerer Nachverhandlungen für bessere Preise sehr wenig vom Uran – nur 5 Prozent des Staatshaushalts, ärgerte sich 2014 Nigers damaliger Präsident Mahamadou Issoufou.

Nigrischen Exilberichten zufolge war der gewählte und mittlerweile gestürzte Präsident Mohamed Bazoum skeptisch gegenüber dem neuen Abkommen mit Orano. Er ließ es im Mai von seinem Premier­minister Mahamoudou Ouhou­moudou unterzeichnen, während er nach London zur Krönungsfeier für Charles III. flog. Seine Skepsis bezog sich auch auf die neue Fördermethode.

Chinas Interessen in Niger

Kritik gibt es aber auch daran, dass Orano mit dem neuen Vertrag nun Imouraren erstmal brachliegen lassen darf. Denn ein anderer großer Abnehmer drängt längst nach ­Niger: China. 2007 wurde die staatliche chinesische Nukleargesellschaft CNNC (China National Nuclear Company) Hauptaktionär des Joint Ventures Somina (Société des Mines d’Azelik) mit 37,2 Prozent der Anteile, vor Nigers Regierung mit 33 Prozent sowie anderen Firmen aus China und Südkorea.

Azelik, westlich der Handelsstadt Agadez gelegen, soll bis zu 10.000 Tonnen Uranreserven halten. Die kanadische Uranfirma Goviex will die etwas größeren Uranreserven von Madaouela nahe Arlit entwickeln, die ebenfalls kanadische Global Atomic die mit 39.500 Tonnen noch größeren Reserven von Dasa 100 Kilometer südlich.

China interessiert sich auch für einen anderen Rohstoff in Niger: Öl. Aktuell fördert Niger lediglich 20.000 Barrel Rohöl pro Tag, zumeist in Agadem im Osten des Landes, wo die chinesische PetroChina tätig ist. Aber im April 2023 verkündete der Ölminister der jetzt gestürzten Regierung, Sani Mahamadou, Niger wolle seine Ölförderung verzehnfachen. Mit 200.000 Barrel täglich werde das Öl bis 2025 80 Prozent der Exporteinnahmen und 50 Prozent der Staatseinnahmen ausmachen und Uran verdrängen.

Das neue Öl findet sich vor allem unter dem 100.000 Quadratkilometer großen Naturschutzgebiet RNNTT (Réserve Naturelle Nationale Termin et Tin-Toumma) mitten in der Saharawüste.

2019 ließ Nigers Regierung eigens die Grenzen dieses Gebiets verändern, auf Druck von PetroChinas Vorgängerfirma CNPC (China National Petroleum Corporation). Und im Nachbarland Algerien interessiert sich die staatliche Ölfirma Sonatrach für Ölvorkommen in Niger nahe der Grenze. Die Sonatrach-Tochter Sipex unterschrieb im Februar 2023 ein Production Sharing Agreement mit Nigers Ölministerium.

Für den Ölexport bräuchte Niger noch etwas anderes: eine Ölpipeline. Die im Bau befindliche Niger-Benin-Pipeline aus den Ölfeldern von Agadem quer durch den Süden Nigers und dann durch Benin bis zum Hafen Cotonou wäre mit 1980 Kilometer die längste in Afrika und soll 110.000 Barrel Öl pro Tag transportieren. Das 4 Mil­liar­den US-Dollar teure Bauwerk ist angeblich zu großen Teilen fertig. Es soll von China betrieben werden.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.