US-Präsident Biden besucht Vietnam: Breite Kooperation

Die früheren Kriegsgegner USA und Vietnam vereinbaren eine „umfassende strategische Partnerschaft“. Das richtet sich gegen Chinas Vormachtansprüche.

Präsident Biden und Präsident Vo Van Thuong halten Weingläser in der Hand und sitzen an einem runden Tisch.

US-Präsident Bidne mit seinem Amtskollegen Vo Van Thuong am 11. September in Hanoi Foto: Evan Vucci/ap

BERLIN taz | Für US-Präsident Joe Biden war es der erste Besuch in Vietnam. Seit Bill Clinton war jeder US-Präsident mindestens einmal in dem südostasiatischen Boomland. Erst 1995, 20 Jahre nach dem Ende des Vietnamkrieges, hatten die einstigen Kriegsgegner diplomatische Beziehungen aufgenommen.

Für den Besuch in Hanoi hatte Biden sogar auf die letzte Arbeitssitzung des G20-Gipfels verzichtet sowie auf eine Teilnahme an der Sitzung der Südostasiatischen Staatengemeinschaft Asean. Dass den einstigen Kriegsgegnern das Treffen in Hanoi so wichtig ist, hängt viel mit dem Aufstieg der neuen Weltmacht China zusammen. Die USA und Vietnam forderten in einer gemeinsamen Erklärung, ohne China zu nennen, „die friedliche Beilegung von Streitigkeiten im Einklang mit dem Völkerrecht“ im Südchinesischen Meer, die „Freiheit der Schifffahrt, des Überflugs“ und des Handels dort.

China beansprucht völkerrechtswidrig fast das gesamte Südchinesische Meer für sich, auch Teile, auf die Vietnam und weitere Staaten Anspruch erheben. China hat dort künstliche Inseln geschaffen, in denen es nach Erdöl bohrt, hat immer wieder vietnamesische Fischerboote gewaltsam aus ihren Hoheitsgewässern verdrängt.

Aber auch wirtschaftlich soll die Kooperation zwischen den USA und Vietnam vorangehen. So wurde beispielsweise ein Vertrag unterzeichnet, nach dem Vietnam Airlines 50 Boeing-Verkehrsflugzeuge kauft.

Rüstungsgüter: Russland hat Lieferschwierigkeiten

In der Pandemie hat sich für die USA gezeigt, dass die einseitige wirtschaftliche Abhängigkeit von China Gefahren birgt. Etliche Industriefirmen wurden bereits aus China ausgelagert, auch nach Vietnam. Hanoi profitiert davon, die Wirtschaft wuchs im vergangenen Jahr um 8 Prozent, das ist eine der höchsten Wachstumsraten weltweit. Nach China sind die USA der zweitwichtigste Handelspartner.

Aber die einstigen Kriegsgegner wollen auch militärisch zusammenarbeiten. Vietnam will mit Aufrüstung dem Vormachtstreben Pekings im Südchinesischen Meer Einheit gebieten. Und da ist es ein Problem, dass Vietnams größter Waffenlieferant und Militärausbilder Russland Lieferschwierigkeiten wegen Eigenbedarfs hat. Von dort bezog Vietnam bis 2014 sogar 90 Prozent seiner Rüstungsgüter, danach gab es einen leichten Rückgang.

2016 fiel das US-Rüstungsembargo, und 2017 verkauften die USA erstmalig ein Patrouillenboot an Vietnam. Sehr zum Unwillen Chinas besuchten seitdem mehrfach US-Flugzeugträger vietnamesische Häfen.

Vietnam betreibt eine unabhängige Außenpolitik

Beide Staaten wollen ihre Beziehungen in Zukunft als „umfassende strategische Partnerschaft“ pflegen. „Umfassende strategische Partnerschaft“ ist die höchste Kategorie in Vietnams dreistufiger diplomatischer Rangliste. Auch Russland und China sind „umfassende strategische Partner“. Indem Vietnam auch der dritten Weltmacht USA diese Weihe verleiht, signalisiert es der Welt, dass es eine unabhängige Außenpolitik betreibt.

Vietnam hatte sich im Vorfeld des Treffens auch finanzielle Hilfen der USA bei der Beseitigung der Kriegsschäden erhofft. Noch immer sind große Flächen mit Giften verseucht, die die US-Armee im Krieg dort abgeworfen hat, und noch immer werden deshalb Kinder mit schweren Missbildungen geboren. Es ist nicht bekannt, ob das Thema überhaupt zur Sprache kam.

US-Präsident Biden wiederum wurde von NGOs gedrängt, von Vietnam Fortschritte auf dem Gebiet der Menschenrechte anzumahnen. Experten hatten erwartet, dass Vietnam die preisgekrönte inhaftierte Journalistin Pham Doan Trang in die USA ausfliegen lässt. Hanoi hatte den Religions- und Menschenrechtler Nguyen Bac Truyen am Freitag nach Deutschland ausfliegen lassen.

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