Entlastung der Wirtschaft bei Strompreis: Staatshilfe kontra klügere Verträge

Unternehmen klagen über zu teuren Strom. Muss die Politik helfen? Wenn ja, wie? FDP-Minister Lindner und der Grüne Trittin treiben die Debatte weiter.

Der Strom muss nicht nur bezahlbar sein, sondern auch ankommen: Stromautobahn Südlink Foto: Marijan Murat/dpa

FREIBURG taz | Bundesfinanzminister Christian Lindner (FDP) hat eine Verlängerung des Spitzenausgleichs bei der Stromsteuer für ein weiteres Jahr vorgeschlagen – als Alternative zu einem subventionierten Industriestrompreis, wie ihn Wirtschaftsminister Robert Habeck (Grüne) propagiert.

Der Spitzenausgleich kommt aktuell energieintensiven Unternehmen zugute. Unter bestimmten Bedingungen bekommen sie bis zu 90 Prozent der Stromsteuer erlassen. Lindner knüpfte seinen Vorschlag allerdings an die Voraussetzung, dass man „woanders Mittel zur Gegenfinanzierung findet“.

Erst Anfang Juli hatte das Bundeskabinett völlig überraschend entschieden, den Spitzenausgleich zum Jahresende auslaufen zu lassen. Getrieben war die Ministerrunde von dem Ziel, klimaschädliche Subventionen zu reduzieren. Von der Änderung betroffen wären rund 8.800 Unternehmen im Deutschland. Diese müssten danach ab 2024 jedes Jahr zusätzliche Stromsteuern in Höhe von insgesamt 1,5 Milliarden Euro bezahlen. Betroffen seien auch „viele kleine und mittlere Unternehmen des energieintensiven Mittelstands“, so der Bundesverband der Deutschen Industrie. Weil die Konjunkturprognosen nicht die besten sind, wird nun darüber diskutiert, ob, wie und welche Firmen trotzdem entlastet werden können.

Zu dem Konflikt in der Koalition – von SPD und Grünen kamen bereits kritische Stimmen zu einem möglichen Fortbestand des Spitzenausgleichs – gesellt sich auch ein Disput zwischen der Industrie und Umweltverbänden. Der von Mittelständlern getragene Bundesverband der Energie-Abnehmer nennt den Plan, die Subvention für die Industrie abzuschaffen, einen „Schock und herben Rückschlag für den Wirtschaftsstandort Deutschland“. Für viele Unternehmen sei dies „der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen bringt“. Der allgemeine Tenor der Firmen sei, dass sie in Deutschland keine Investitionen mehr tätigen wollten. Schließlich bräuchten die Betriebe dafür ein Mindestmaß an Sicherheit.

Was ist mit den Klimazielen?

Das Forum Ökologisch-Soziale Marktwirtschaft (FÖS) unterdessen begrüßt den Vorstoß, den Spitzenausgleich auslaufen zu lassen. Er sei „überholt und nicht ausreichend auf die klimapolitischen Ziele Deutschlands ausgerichtet“, weil er für weniger Effizienzanreize in der Industrie sorge: „Es werden auch Unternehmen entlastet, denen durch die Energiesteuerbelastung kein Wettbewerbsnachteil entsteht“, so das FÖS. Es sei richtig, „alte Zöpfe abzuschneiden und die steuerliche Subventionierung von fossilem Energieverbrauch zu beenden“. Das Subventionsvolumen aus dem Spitzenausgleich solle besser verwendet werden, „um die Unternehmen bei der Transformation zu unterstützen“.

Unterdessen hat der frühere grüne Bundesumweltminister Jürgen Trittin erklärt, Unternehmen könnten ja auch mit Power Purchase Agreements (PPAs) günstigen Strom beziehen. PPAs sind direkte Strombezugsverträge zwischen Unternehmen und Stromerzeugern, zumeist solchen, die Wind- und Solarstrom produzieren. Diese Verträge sind relativ komplex und werden deshalb bislang überwiegend von Großunternehmen abgeschlossen. Trittin propagierte sie kürzlich in einem Interview: „Beide profitieren: Die Industrie kriegt einen festen Preis für erneuerbaren Strom für 10, 15 Jahre. Und der Produzent ist sich sicher, dass sein Strom gekauft wird.“

Mit PPAs können sich in der Tat beide Seiten langfristig gegen Preisrisiken absichern. Gleichwohl ist das Instrument kein Wundermittel, das zwingend niedrige Strompreise für Unternehmen generiert: Die Konditionen der PPAs orientieren sich eng an den Preisen, die auf dem allgemeinen Strommarkts zum Zeitpunkt des Vertragsabschlusses gelten. Das ist nur logisch: Kein Produzent wird seinen Strom unter Marktwert verkaufen, kein Einkäufer mehr als den Referenzwert des Marktes bezahlen.

Energieexperten können daher den Strompreis eines PPAs recht präzise berechnen. Das Berliner Analystenhaus Energy Brainpool zum Beispiel kalkuliert börsentäglich auf Basis der Notierungen am Terminmarkt den „fairen Wert eines PPAs“ bei einer Laufzeit von fünf Jahren. Zuletzt ergab sich danach für Photovoltaikstrom ein Wert von rund 9,5 Cent pro Kilowattstunde, für Windstrom aus Onshore-Anlagen von 8,7 Cent und für solchen aus Offshore-Anlagen von 9,6 Cent. Die unterschiedlichen Marktwerte ergeben sich durch die jeweiligen Erzeugungsprofile, also abhängig davon, ob eine Technik statistisch gesehen mehr Strom in Stunden niedriger oder hoher Börsenpreise erzeugt.

PPAs versuchen also schlicht, den Wert des Stroms mit viel Marktstatistik über Jahre hinaus zu prognostizieren. Unternehmen, die einen solchen Vertrag abschließen, können sich so zwar gegen steigende Preise absichern, doch im Fall von sinkenden Marktpreisen bergen PPAs im Gegenzug das Risiko, dass der Käufer auf überteuerten Stromkontingenten sitzenbleibt.

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