Iran-Aktivistin über Social Media: „Die Macht eines Herzchens“

Seit dem Tod von Jina Mahsa Amini vor einem Jahr ist Daniela Sepehri unermüdlich im Einsatz. Auf Social Media informiert sie über Iran.

Porträt von Daniela Sepehri mit Brandenburger Tor im Hintergrund

Ist Aktivismus gewohnt: Daniela Sepehri am Brandenburger Tor Foto: Sebastian Wells/Ostkreuz

wochentaz: Frau Sepehri, mit dem Tod von Jina Mahsa Amini am 16. September 2022 begannen in Iran massive Proteste, die als feministische Revolution weltweit gefeiert wurden. Wie denken Sie darüber, dass das Mullahregime immer noch an der Macht ist?

Daniela Sepehri: Ich muss gestehen, in den ersten zwei, drei Wochen bin auch ich jeden Morgen aufgewacht und habe erst mal online geguckt, ob der Iran nun frei ist. Das war die anfängliche, sehr euphorische Hoffnung. Aber die Mullahs zu stürzen ist ein langer Prozess – die sind so fest auf ihrem Thron, haben international so viel Unterstützung, auch in Europa. Ich sage dennoch: Die Mullahs werden gehen. Es ist etwas ausgelöst worden, was nicht mehr aufzuhalten ist.

Der Mensch

Daniela Sepehri kam vor 25 Jahren als Kind zweier iranischer Flüchtlinge in Paderborn zur Welt. Ihr Vater ist evangelischer Pastor für persischsprachige Christen in Westfalen. Nach dem Abitur ging sie nach Berlin und hat an der Freien Universität Geschichte, Publizistik und Kommunikationswissenschaften studiert. Inzwischen hat sie sich als Social-Media-Beraterin und Moderatorin selbstständig gemacht.

Der Aktivismus

Seit ihrer Jugend ist die engagierte Christin aktiv für Geflüchtete, gegen Rassismus, für Feminismus – und in Sachen Iran. Dafür nutzt sie zunehmend ihre wachsende Reichweite auf Social Media, vor allem bei Instagram. Dort hat sie als @danielasepehri 30.000 Follower und informiert über Iran und die Solidaritätsbewegung. Sie organisiert Demonstrationen in Berlin. Zusammen mit der Organisation Hawar Help und der Aktivistin Mariam Claren hat Sepehri das „Patenschaftsprogramm“ für politische Gefangene und von Hinrichtung bedrohte Menschen in Iran initiiert. Inzwischen haben über 400 politische Amts­trä­ge­r*in­nen Patenschaften übernommen. Vielfach führte die damit verbundene öffentliche Aufmerksamkeit zu Hafterleichterungen oder sogar zur vorzeitigen Entlassung.

Seit einem Jahr sind Sie nonstop in Sachen Iran im Einsatz, informieren auf Social Media, reden mit Politikern, haben die Patenschaften für politische Gefangene initiiert. Wie lange halten Sie noch durch?

Der Aktivismus ist etwas, das ich gewohnt bin. Ich habe mich schon vor diesem 16. September vergangenes Jahr eingebracht, wenn auch nicht in der Intensität wie heute. Dazu kommt, ich bin nicht allein, sondern Teil eines breiten Netzwerks: Ich arbeite mit vielen zusammen, von den Iranians of Berlin, die auf Instagram sehr aktiv sind, oder Feminista Berlin bis zur Organisation Hawar Help. Natürlich habe ich Phasen, wo ich alles hinschmeißen möchte – vor allem an Tagen, wo es wieder neue Meldungen von Hinrichtungen gibt. Aber genau das will das Regime ja: uns einschüchtern. Schon deshalb muss ich weitermachen.

Haben Sie manchmal Angst um sich? Der iranische Geheimdienst ist ja auch hier in Berlin aktiv.

Ja, der Verfassungsschutz hat gerade erst gewarnt vor iranischen Hackern, etwa den „Charming Kittens“, die Ak­ti­vis­t*in­nen in Deutschland hacken. Ich bekomme auch täglich Hass im Netz ab. Das kenne ich aber schon von den deutschen Rechten wegen meiner Antirassismusarbeit, jetzt kommt die Islamische Republik dazu. Außerdem denke ich, den Menschen in Iran geht es schlechter, die müssen wirklich um ihr Leben fürchten, viel mehr als ich. Da reicht es, auf die Straße zu gehen und man ist vogelfrei. Ich habe gewusst, was ich tat, als ich an die Öffentlichkeit ging – und ich stehe zu meiner Entscheidung.

Ihre Eltern mussten aus Iran fliehen. Möchten Sie davon erzählen?

Ich glaube, von meinem Vater habe ich diesen lebensmüden Aktivismus. Er ist in Iran zum Christentum konvertiert und war sehr aktiv in der Kirche. Er hat Bibeln ins Land geschmuggelt und verteilt. Er war sehr aktiv und wurde immer wieder festgenommen, war mehrfach im berüchtigten Teheraner Evin-Gefängnis. Er erzählte mal scherzhaft: „Ich hatte nie einen langen Aufenthalt dort, man hat mich immer nur ein paar Tage zusammengeschlagen und dann wieder gehen lassen.“ Irgendwann wurde es aber wirklich gefährlich. Viele seiner Lehrer wurden ermordet, auch ihm hat man mit Hinrichtung gedroht. Als er meine Mutter geheiratet hat, meinte er, er habe jetzt Verantwortung für zwei Personen, und er ist nach Deutschland geflohen.

Haben Sie noch Familie in Iran, zu der Sie Kontakt halten?

Die meisten aus meiner Familie väterlicherseits sind in Deutschland beziehungsweise den USA. Ich hab mütterlicherseits Familie dort, mit der ich aber nie über Politisches rede.

Waren Sie schon oft da?

Als Kind zweimal, mit acht und mit zehn Jahren. Das erste Mal, weil meine Mama wollte, dass wir, also mein kleiner Bruder und ich, das Land sehen und ihre Familie kennenlernen. Das zweite Mal, weil meine Oma väterlicherseits, die einen Tumor hatte, vor ihrem Tod noch einmal ihren Sohn in Iran besuchen wollte. Meine Mutter ist mit ihr und uns Kindern hin geflogen. Heute sagt sie, dass sie da begriffen hat, dass ich nicht noch mal dorthin gehen sollte.

Wieso?

Weil ich schon damals sehr rebellisch war. Ich musste natürlich wie alle Frauen längere Kleidung tragen. Zwar trug ich kein Kopftuch, obwohl man das mit zehn eigentlich muss. Aber Mama meinte, ich sähe so jung aus, wir würden einfach sagen, ich sei erst acht. Es war Hochsommer, wir saßen in einem Bus und mir war viel zu warm. Ich hatte schon protestiert, dass meine Cousins woanders saßen wegen der Geschlechtertrennung. Und als ich unbeobachtet war, habe ich mir das Oberteil ausgezogen und war im Unterhemd. Meine Mutter und meine Tante waren völlig geschockt. Ein anderes Mal auf einem Spielplatz durfte ich nicht mit den Jungs aufs Trampolin. Ich habe es absolut nicht verstanden und einen Aufruhr gemacht. „Was ist das für ein Land hier, was ist das für eine Sch…!“ Ich habe ziemlich deftige Ausdrücke auf Persisch benutzt.

Ihre Mutter hatte Angst um Sie?

Natürlich. Ich war dann fünfzehn, als ich mich zum ersten Mal in der Öffentlichkeit politisch geäußert habe. Wir hatten ein christliches persisches Musikvideo aufgenommen für den iranisch-christlichen Sender Sat-7 Pars, den auch viele Christen in Iran schauen. Anschließend habe ich im Interview gesagt, wie schade ich es finde, dass in Iran Christen verfolgt werden. Als ich etwas später zu meinen Eltern sagte, ich würde gerne wieder in den Iran fahren, meinte mein Vater, nein, das sei viel zu gefährlich. Das habe ich damals nicht verstanden, ich hielt das für übertrieben.

Trotz der Geschichte Ihres Vater?

Ja. Auch als mein Vater meinte, die Mullahs könnten herausfinden, dass ich seine Tochter bin, und mich als Geisel für ihn verhaften, dachte ich damals, das sei total absurd. Ich konnte mir nicht vorstellen, dass in Iran deutsche Staatsbürger als Geiseln genommen werden, konnte mir auch nicht vorstellen, dass Menschen in Iran verhaftet werden, weil ihre Verwandten hier politisch aktiv sind! Und irgendwann, als ich in Paderborn, in meiner Heimatstadt, angefangen habe, öffentlich zum Thema Iran zu sprechen, sagte mein Vater: „Jetzt kannst du auch wegen deiner Arbeit nicht mehr in den Iran reisen.“

Wie war das so, als Kind von Iranern in Paderborn?

Ich sage immer scherzhaft, meine Eltern sind aus dem Iran nach Paderborn geflohen, und ich bin bei erster Gelegenheit aus Paderborn nach Berlin geflohen. Meine Eltern waren als Asylbewerber dorthin verteilt worden und haben, sobald sie eine Wohnerlaubnis hatten, die erste Wohnung genommen, die zur Verfügung stand, ohne sie sich vorher anzusehen. Meine Mama war hochschwanger mit mir, und mein Papa wollte auf keinen Fall, dass ich auch nur einen Tag meines Lebens in einem Geflüchtetenheim zubringen muss. Meine Eltern haben alles versucht, um es mir so einfach wie möglich zu machen. Sie haben mir einen deutschen Vornamen gegeben! Daniela – deutscher geht es doch kaum!

Hat der Name für Sie etwas einfacher gemacht?

Ach, ich weiß nicht. Es gab vieles, was ich im Nachhinein als Rassismus erkenne. Damals gab es kaum Iraner in Paderborn und viele Menschen, auch Lehrer*innen, sind mit mir anders umgegangen als mit „richtigen“ Deutschen. Und so habe ich immer versucht, diese iranische Seite in mir zu unterdrücken, sobald ich aus der Wohnung rausging – was ich im Nachhinein sehr traurig finde. Ich habe zum Beispiel eine Phase gehabt, da habe ich mir die Haare blond gefärbt, weil ich dachte, je „deutscher“ ich aussehe, desto weniger komische Fragen stellt man mir.

Das klingt nicht gut.

Inzwischen wäre das wohl auch in Paderborn anders, aber Anfang der 2000er war es eine sehr weiße Stadt. Für meine Identitätsbildung war das schwierig. Ich wollte das Iranische in mir unterdrücken und habe gleichzeitig nach Vorbildern gelechzt. Immerhin gab es Nina Moghaddam im Kinderfernsehen, sie war bei „Togo“ Moderatorin – alle haben sie geliebt. Das war für mich die Identifikation. Ich konnte meinen Freundinnen sagen: Guckt mal, wie cool die ist, und die kommt auch aus dem Land, aus dem meine Eltern kommen.

War es der Rassismus, der Sie zur Politik brachte, oder die Geschichte Ihres Vaters?

Ich war immer in der Kirche aktiv. Seit ich vier war, habe ich Gitarrenunterricht bekommen, und bald war ich in unseren persischsprachigen Gottesdiensten für die Musik zuständig. Auch hab ich mich immer schon für Politik interessiert, weil es zu Hause kein anderes Gesprächsthema gab. Wenn Besuch da war, hat man immer über Iran gesprochen. Ich weiß noch genau, wie ich die grüne Bewegung in Iran 2009 verfolgt habe. Allerdings ohne genau zu wissen, was ich da verfolge – ich war elf Jahre alt. Als ich kürzlich bei Instagram erinnert habe an Neda Agha-Soltan, eine junge Frau, die damals erschossen wurde, kamen mir die Bilder wieder in den Kopf. Die letzten Minuten, bevor sie gestorben ist, wurden damals gefilmt und im Fernsehen ausgestrahlt. Ich weiß heute noch, wo im Wohnzimmer unser Fernseher stand, als das lief. Ich weiß, dass ich daran vorbeigegangen bin und von diesem Anblick so negativ gefesselt war. So bin ich aufgewachsen. Politik war immer ein Thema.

Iranpolitik?

Damit fing es an. In unserer Gemeinde hatten wir irgendwann immer mehr Geflüchtete aus dem Iran, und als hier Geborene und Aufgewachsene konnte ich viel besser Deutsch als meine Eltern. Wenn die Geflüchteten Hilfe brauchten, einen Brief zu übersetzen oder zu schreiben oder zum Arzt zu gehen oder irgendwo einen Anruf zu tätigen, bin ich eingesprungen. So habe ich sehr schnell gesehen, welche Probleme es in unserem Asylsystem gibt und wie tief rassistisch unser Migrationssystem ist. Ich habe mich mit den Lebensgeschichten der verfolgten Chris­t*in­nen aus dem Iran befasst, wenn ich für sie übersetzt habe, und gemerkt, wie heftig die Verfolgung in Iran ist. Ich konnte nichts anderes tun als zu sagen, das nehme ich so nicht hin. So habe ich angefangen, mich einzubringen.

Und wie?

Zum Beispiel hatten ich und andere junge Leute überlegt, die zwei Geflüchtetenheime, die es damals in Paderborn gab, auf eigene Faust zu renovieren, weil es die Stadt nicht tat. Die Toiletten waren in katastrophalem Zustand, die Wände mussten gestrichen werden. Wir waren dabei zu gucken, von wem wir dafür Geld kriegen. Das war 2015, dann war Bürgerkrieg in Syrien und es kamen auf einmal viel mehr Menschen, es entstanden viele neue Geflüchtetenheime. Wir haben das Renovieren dann gelassen, weil wir gemerkt haben, dass wir den Leuten bei ganz anderem helfen müssen: Übersetzungsarbeit, Asylverfahren, Anwaltsterminen, solche Dinge.

Und dann kamen ja auch die Rechten aus ihren Löchern.

Genau. Zur selben Zeit kam der Hass aus der rechten Ecke, die AfD wurde immer stärker. Wir hatten dann ein Bündnis gegen rechts in Paderborn, ganz klassisch. Da war ich sehr aktiv. Wir haben Gegendemos organisiert, wenn die AfD da war. Und ich habe das Thema beim Poetry­slam aufgegriffen.

Sie machen Poetryslam?

So mit fünfzehn habe ich damit angefangen und das später auch in meinem Aktivismus genutzt. Ich bin über die Bühnen – zunächst in NRW – getourt und habe in Fünfminutentexten über Rassismus, Migration und Feminismus gesprochen. Und je älter ich wurde, desto mehr hab ich gemerkt: Mein Gott, wir müssen echt viel mehr tun in unserer Gesellschaft. Dann hat sich das so entwickelt, dass ich auch Social Media als Kanal genutzt habe.

Wie kam das?

„Seien wir ehrlich: Wenn Menschen nach einem harten Arbeitstag nach Hause kommen, schauen sie sich lieber tollen Reisecontent oder lustige Videos an, als sich mit Rassismus zu beschäftigen“

2019 war ich drei Monate für ein Praktikum in Indien bei der deutschen Botschaft. Alle meine Freundinnen meinten, ich solle auf Instagram ein Tagebuch führen, weil sie daran teilhaben wollten. Ich habe eine große Leidenschaft für Indien, und so wollte ich in der Zeit möglichst viel lernen über das Land. Ich habe also gepostet, was ich jeden Tag so gelernt habe: Dinge, die ich spannend fand, Dinge, die komisch waren oder die mich aufgeregt haben. Erst hatte ich nur ein paar Follower, aber durch die richtigen Hashtags kamen immer mehr Leute dazu. Ich dachte, oh, da interessieren sich tatsächlich Leute für das, was ich schreibe. Nach Indien wollte ich das nicht einschlafen lassen, aber ich wollte auch keine Reise-Influencerin werden. So habe ich angefangen, Social Media für meine anderen Themen zu nutzen.

Wie viele Follower hatten Sie?

Etwa 1.000. Das ist auch nur langsam gestiegen. Denn seien wir ehrlich: Wenn Menschen nach einem harten Arbeitstag nach Hause kommen, schauen sie sich lieber tollen Reisecontent oder lustige Videos an oder Katzenbilder, als sich mit Rassismus zu beschäftigen. Ich habe zum Beispiel über die berüchtigte Frage „Wo kommst du her?“ gesprochen, die People of Color sich immer anhören müssen. Aber wer möchte sich in seiner Freizeit mit seinen inneren Rassismen beschäftigen? Nur die wenigsten.

Also hat Ihnen erst die Iranrevolution Ihre 30.000 Insta-Follower beschert?

Ja, den Boom gab es nach dem 16. September. Ich hatte auch vorher über Iran gepostet, es gab ja zum Beispiel im Sommer 2022 Proteste in Chusistan. Auch über den zum Tode verurteilten Deutsch-Iraner Jam­shid Shar­mahd hatte ich schon gesprochen – aber da hatte ich nur eine geringe Reichweite. Seit meinem ersten Post zum Mord an Jina Mahsa Amini hat sich das gewandelt. Auf einmal wollten alle was zum Iran wissen, was mich natürlich total freut. Nur finde ich es schade, dass es dieses Interesse nicht vorher schon gab. Die Menschen in Iran hätten es allerspätestens nach den blutigen Protesten 2019 verdient, dass man da mal hinschaut. Eigentlich schon seit 1979. Aber besser spät als nie.

Was erreichen Sie mit Ihrer Instagram-Arbeit?

Ich glaube, ich erreiche ziemlich viel damit. Ich bekomme viele Rückmeldungen, dass Leute Dinge nicht wussten und was sie durch meine Beiträge gelernt haben. Ich berichte ja quasi ausschließlich auf Deutsch, weil für mich die Zielgruppe nicht in erster Linie die iranische Diaspora ist. Ich will diejenigen ansprechen, die mit dem Thema nicht vertraut sind. Mit jedem Post, den ich mache, jeder Story, die ich setze, will ich Leute aufklären, Dinge einordnen. Und natürlich geht es oft um die meist gestellte Frage: Was kann ich denn tun? Ich zeige also immer wieder, so und so kannst du dich einbringen.

Wie denn?

Zum Beispiel hatten wir kürzlich in Berlin ein Filmscreening mit „White Torture“ von Narges Mohammadi, danach gab es eine Diskussion. Wenn ich auf so einer Veranstaltung bin, teile ich das natürlich, auch um zu sagen: Hey, guckt mal, das ist eine Form, Solidarität zu zeigen! Geht in die Kinos eurer Städte, bittet sie darum, einen politischen iranischen Film zu zeigen. Menschen schauen sich gerne einen Film an, auch politische Filme. Auch so kann man aufklären und Schallverstärker sein für die Menschen in Iran.

Als Social-Media-Aktivistin geht es bei Ihnen auch viel um Online-Aktivismus. Aber was bringt der? Man macht sein Herzchen bei Insta, statt auf eine Demo zu gehen?

Dieser Text stammt aus der wochentaz. Unserer Wochenzeitung von links! In der wochentaz geht es jede Woche um die Welt, wie sie ist – und wie sie sein könnte. Eine linke Wochenzeitung mit Stimme, Haltung und dem besonderen taz-Blick auf die Welt. Jeden Samstag neu am Kiosk und natürlich im Abo.

Aktivismus ist nicht nur, auf die Straße zu gehen! Klar ist das wichtig, aber unterschätze nie die Macht eines Herzchens auf Instagram oder die Macht eines Retweets bei Twitter beziehungsweise X. Das sieht man am Iran sehr gut: Es gibt für die Protestierenden als „Waffe“ nur die Öffentlichkeit. 2019 haben die Mullahs das Internet abgeschaltet, die Proteste wurden niedergeschossen, niemand auf der Welt hat hingeschaut. Jetzt schicken die Iraner Filme, wie sie auf die Straße gehen. Das ist lebensgefährlich, sie machen es trotzdem, damit wir es teilen, damit die Welt sieht, was ihnen widerfährt. Da ist es unsere Pflicht, das zu verbreiten – und ein Like hilft in einem algorithmenunterstützten System, etwas zu verbreiten. Und wenn Menschen damit jeden Tag auf Social Media konfrontiert sind, bleibt etwas hängen.

Die deutsche Politik konnten Sie aber noch nicht überzeugen. Kürzlich haben Sie beim Tag der offenen Tür Außenministerin Annalena Baerbock besucht und kritische Fragen gestellt. Warum ist die Ampel so zögerlich in Sachen Iran?

Ich erkläre mir das Nichtstun der Bundesregierung damit, dass man die Beziehung zur Islamischen Republik nicht kaputt machen will. Das Auswärtige Amt erkennt nicht das Potenzial der Menschen in Iran, dass sie das Regime tatsächlich zum Sturz bringen werden. Stattdessen halten sie an dem Glauben fest, irgendwie das sogenannte Atomabkommen wiederzubeleben. Wobei ich es sehr naiv finde zu denken, dass man damit den Bau einer Atombombe verhindern kann. Man zögert das vielleicht um wenige Jahre hinaus, und in diesen wenigen Jahren füllt man wieder die Kriegskassen der Islamischen Republik.

Aber der Bundeskanzler hat zu Beginn der Proteste eine sehr gute Rede gehalten und das Mullahregime verurteilt.

Ja, weil wir maximalen Druck gemacht haben. Ich hatte damals mit innn.it die Petition #Olafsagwas gestartet, wo die Videos dazu über eine Million Reichweite hatten. Ich denke, wegen des öffentlichen Drucks hat er ein Statement gemacht, was nicht schlecht war, er hat wirklich gute Worte gefunden. Der Kanzler kann, wenn er will. Aber er will nicht. Er hat auch nichts gesagt, als der Oberste Gerichtshof Irans das Todesurteil gegen Jamshid Sharmahd bestätigt hat. Auch der Bundespräsident sagt nichts dazu. Das muss man sich auf der Zunge zergehen lassen. Was ist das für eine Regierung, die sich nicht einmal für die eigenen Staatsbürger einsetzt?

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.