Deutsche Kolonialverbrechen in Tansania: „Sorry“ allein reicht nicht

Steinmeier hat für Kolonialverbrechen um Entschuldigung gebeten. Nun geht es um Rückgaben – auch von menschlichen Überresten.

Steinmeier am Denkmal im Memorial Park in Tansania

Bundespräsident Steinmeier legt am 1. November einen Kranz im Memorial Park von Songea nieder Foto: Bernd von Jutrczenka/dpa

DARESSALAM taz | Deutschlands zweite Entschuldigung für Kolonialverbrechen in Afrika – in Tansania, nach der in Namibia – könnte eine neue Ära in den deutsch-afrikanischen Beziehungen einläuten, die den Weg zu Reparationen ebnet. Doch das Schuldeingeständnis des deutschen Präsidenten Frank-Walter Steinmeier während seines Staatsbesuchs in Tansania und seine Bitte um „Verzeihung“ hat gemischte Reaktionen hervorgerufen.

In Songea im Süden Tansanias, Schauplatz eines Massakers an einheimischen Aufständischen durch deutsche Truppen zu Beginn des 20. Jahrhunderts, hatte Steinmeier am 1. November eine Gedenkstätte besucht, einen Kranz niedergelegt und Nachfahren der Getöteten getroffen. „Als deutscher Bundespräsident möchte ich um Verzeihung bitten für das, was Deutsche hier Ihren Vorfahren angetan haben“, hatte er gesagt. „Ich bitte um Verzeihung, und ich möchte Ihnen versichern, dass wir Deutsche mit Ihnen nach Antworten suchen werden auf die offenen Fragen, die Ihnen keine Ruhe lassen.“

Tansanias Außenminister January Makamba nannte Steinmeiers Worte „sehr wichtig“ und sprach von einem „notwendigen Schritt im Umgang mit einem dunklen – und sehr zerstörerischen – Kapitel in unserer Geschichte“. Er schrieb auf X (Twitter) weiter: „Unsere beiden Regierungen werden jetzt ein gemeinsames Team zusammenstellen, um Dialog zu führen und vielfältige Dinge zu klären, einschließlich einer Art konkreter Wiedergutmachung und der Rückgabe von Gütern und menschlichen Überresten“.

Staatspräsidentin Samia Suluhu Hassan hatte zuvor auf ihrer Abschlusspressekonferenz mit Steinmeier in Daressalam bereits angekündigt: „Wir haben dies im Detail diskutiert, und wir stehen bereit, Verhandlungen zu eröffnen, um zu sehen, wie wir uns über das deutsche koloniale Erbe einig werden.“

Den Worten müssen Taten folgen

Völkermord: 1904/05 verübten deutsche Truppen in Namibia (Deutsch-Südwestafrika) einen Völkermord an den aufständischen Herero und Nama.

„Versöhnungsabkommen“: Nach langen Debatten vereinbarten die Regierungen Deutschlands und Namibias 2021, dass Deutschland für „Versöhnung“ Namibia 1,1 Milliarden Euro über 30 Jahre zusagt. Reparationen lehnte Berlin ab.

Neuverhandlungen: Das stieß auf breite Kritik. Vergangene Woche sagte Namibias parlamentarischer Opposi­tions­führer McHenry Venaani, Neuverhandlungen seien nun mit einer erhöhten Geldzusage zu Ende gegangen. Nami­bias Regierung erwiderte, Gespräche und Konsultationen dauerten an.

Diese Äußerungen machen deutlich, dass von tansanischer Seite Erwartungen an Deutschland geknüpft werden, den präsidialen Worten Taten folgen zu lassen. Manche in Tansania hoffen nun auf eine beschleunigte Rückgabe der nach Deutschland gebrachten sterblichen Überreste getöteter traditioneller Führer.

„Tansanier begrüßen diesen wichtigen Schritt Deutschlands“, sagte Analyst Peter Nyanje. „Aber die ehemalige Kolonialmacht muss daran erinnert werden, dass eine Bitte um Verzeihung allein nicht ausreicht. Nun sollte die Repatriierung der Freiheitskämpfer folgen, die nach Deutschland gebracht wurden, nachdem der Maji-Maji-Aufstand brutal niedergeschlagen wurde.“ Aktivisten wünschen sich beispielsweise die Rückgabe der Leiche des Königs Manga Meli, der von den Deutschen gehenkt wurde.

Zugleich entfacht diese Debatte alte Differenzen zwischen Tansanias Zentralregierung und lokalen Gemeinschaften in ehemaligen Aufstandsgebieten, die bis in die Gegenwart reichen. Unter der Herrschaft der seit der Unabhängigkeit regierenden CCM (Chama Cha Mapinduzi) sind manche Bevölkerungsgruppen von ihrem angestammten Land vertrieben worden, um Platz für Nationalparks und Tourismus zu schaffen. Dass eine deutsche Institution daran beteiligt ist, wirft Fragen über die Ernsthaftigkeit des deutschen Umgangs mit tansanischen Bevölkerungen auf.

„Hört auf, Indigene zu vertreiben“
January Makamba, Tansanias Außenminister

„Dinge klären wie konkrete Wieder-gutmachung und Rückgabe von Gütern und mensch-lichen Überresten“

Zuletzt betraf dies die Maasai-Bevölkerung im Gebiet Loliondo in der nördlichen Ngorongoro-Provinz. Regierungsstreitkräften wird brutale Gewalt vorgeworfen, während Vertriebene angeblich weder Alternativland noch Entschädigung erhalten. Die Naturschutzaktivitäten in diesem Gebiet werden von der Zoologischen Gesellschaft Frankfurt finanziert.

„Um Verzeihung zu bitten, hilft niemandem“, sagt ein Aktivist, an die Deutschen gerichtet. „Hört auf, Indigene aus dem Land ihrer Vorfahren zu vertreiben.“ Aktivistin Sussana Nordlund fordert eine Entschuldigung der Zoologischen Gesellschaft für ihre Aktivitäten.

Die Frankfurter Naturschutzorganisation sagt, dass sie ihre tansanischen Partner seit über 60 Jahren unterstützt, Wildhüter ausrüstet und Monitoring-Flüge anbietet. Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung sei zentral.

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