Ehemaliges Militärgelände in Deutschland: Rückkehr der Soldaten

Seit dem russischen Einmarsch in die Ukraine wird die Verteidigungspolitik neu ausgerichtet. Ein Ende der Ära der Konversion ist absehbar.

ein zugewucherter Bunkereingang auf einem ehemaligen Militärgelände der US-Streitkräfte in Rheinhessen

Ein ehemaliger Bunker der US-Streitkräfte im Ober-Olmer Wald in Rheinhessen wird von Sträuchern überwachsen Foto: Peter Zschunke/dpa

BERLIN taz | Wo früher Sol­da­t:in­nen wohnten, decken heute Mütter und Väter den Frühstückstisch. Wo früher Schießübungen stattfanden, wandern Menschen durch Naturschutzgebiete. Durch den Abzug der Nato-Truppen aus Deutschland wurden bis 2020 laut der Bundesanstalt für Immobilienaufgaben (Bima) 400.000 Hektar Land frei. Die sowjetischen Streitkräfte hatten laut Recherchen des Museums Karlshorst (ehemals Deutsch-Russisches Museum Berlin-Karlshorst) eine Fläche in der Größe des Saarlandes besetzt. Der größte Teil davon ist bereits für die Konversion freigegeben worden.

Auch die Bundeswehr reduziert seit Jahrzehnten ihre Standorte und Flächen. Im aktuellen Stationierungskonzept wurden 31 Standorte zur Schließung angekündigt und 90 weitere sollten drastisch verkleinert werden. Die Umnutzung von ehemals militärisch genutzten Flächen war in den vergangenen Jahrzehnten das Gebot der Stunde. Nicht nur Land sollte entmilitarisiert werden. Seit dem Ende des Kalten Krieges wurde die deutsche Verteidigungspolitik grundlegend neu ausgerichtet: Die Wehrpflicht wurde ausgesetzt, der Verteidigungshaushalt gekürzt und der Truppenbestand der Bundeswehr mehr als halbiert.

Doch seit zwei Jahren befindet sich Europa wieder im Krieg. 2022 verkündete der deutsche Bundeskanzler die Zeitenwende. Das 2-Prozent-Ziel der Nato, dass jedes Bündnisland 2 Prozent des Bruttoinlandsprodukts in die Verteidigung investiert, würde erfüllt werden. 100 Milliarden Euro würden in das Sondervermögen der Bundeswehr fließen. Kurzum: „Was für die Sicherung des Friedens in Europa gebraucht wird, das wird getan“, sagte Olaf Scholz (SPD) damals, nur drei Tage nach dem Einmarsch Russlands in die Ukraine.

Seither ist viel passiert. Verteidigungsminister Boris Pistorius (SPD) will Deutschland wieder „kriegstüchtig“ machen. Er will sein Ressort umkrempeln und effizienter machen. Dazu soll die Bundeswehr erstmals dauerhaft im europäischen Ausland stationiert werden. Spätestens 2027 sollen 5.000 Sol­da­t:in­nen einer Kampfbrigade in Litauen die Ostflanke der Nato schützen.

„Gut ausgebildete Reserve“

Pistorius will nicht nur die Truppen im EU-Ausland verstärken. Die Bundeswehr soll auf 203.000 Sol­da­t:in­nen aufgestockt werden. Derzeit sind es knapp 181.000. Dazu veröffentlichte der Verteidigungsminister im November neue Richtlinien für sein Ministerium. Darin wird unter anderem eine „gut ausgebildete Reserve“ gefordert, die im Falle einer Landes- und Bündnisverteidigung für Verstärkung sorgen soll.

Hält der aktuelle Trend der Militarisierung an, wird die Bundeswehr irgendwann Flächen für ihre Expansion benötigen. Der taz sind noch keine Fälle bekannt, in denen der Bund bereits konvertierte Flächen zurückfordern will. Doch ein Fall in Gütersloh zeigt, was möglich ist. Der Flugplatz der Stadt in Nordrhein-Westfalen wurde während des Zweiten Weltkriegs von der deutschen Luftwaffe genutzt. Nach Kriegsende lag der Militärflugplatz in der britischen Besatzungszone. Bis 2018 wurde die Fläche von verschiedenen britischen Militäreinheiten genutzt. Als sich die britischen Streitkräfte aus Deutschland zurückzogen und der letzte Hubschrauber abgehoben hatte, wurde das Gelände an die Bima übergeben.

Inzwischen ist der Flugplatz in zwei Teile geteilt: Seit 2017 gehört der nördliche Teil der Gewerbepark Flugplatz Gütersloh GmbH, die zu 70 Prozent im Besitz der Stadt Gütersloh ist. Der südliche Teil gehört weiterhin der Bima, die für die Konversion ehemaliger Militärflächen zuständig ist. Auf deren Website wird der Flughafen auch noch als „Konversionsfläche“ bezeichnet.

Doch das könnte sich bald ändern. Seit 2023 liegt ein Antrag der US-Luftwaffe vor, den südlichen Teil des Flugplatzes wieder militärisch nutzen zu dürfen. Auf Nachfrage der taz wollten weder die Bima noch die Gütersloh GmbH sagen, wie weit die Verhandlungen über die Remilitarisierung des Flugplatzes fortgeschritten sind. Die Anfrage der U.S. Air Force lässt jedoch erahnen, in welche Richtung künftig konvertiert wird.

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Dieser Artikel stammt aus dem stadtland-Teil der taz am Wochenende, der maßgeblich von den Lokalredaktionen der taz in Berlin, Hamburg und Bremen verantwortet wird.

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