Vorstoß für Volksbefragungen – Pro: Weniger Stress, weniger Ausgaben

Die SPD will, dass Volksabstimmungen künftig auch vom Abgeordnetenhaus angestoßen werden können. Die Aufregung ist groß. Dabei ist es eine gute Idee.

Das Bild zeigt eine Wahlurne mit der Aufschrift "Volksentscheid"

Ob am Ende eine Initiative oder das Parlament ein Referendum anstößt: Die Entscheidung trifft in jedem Fall die Wählerschaft Foto: Jörg Carstensen/dpa

Volksentscheide, die in Folge eines Volksbegehrens abgehalten werden, haben in Berlin ein entscheidendes Manko: Mit ihnen lässt sich nur sehr verzögert auf ein Vorhaben reagieren. Wenn heute eine Mehrheit gegen ein aktuelles Projekt der Regierung wäre, könnte sie auf diesem Weg bei normalem Verlauf erst in zwei Jahren darüber abstimmen und eine Korrektur erzwingen.

In diesen zwei Jahren aber – in denen in zwei Stufen Unterschriften zu sammeln sind – können schon viele, viele Millionen in ein Projekt geflossen, Verträge geschlossen, Verpflichtungen eingegangen sein, die – wenn überhaupt – nur teuer rückgängig zu machen sind.

Dass es einen Vorlauf gibt, hat seinen guten Grund: Könnte jede Initiative schon für den nächsten Sonntag einen Volksentscheid anmelden, würde das absehbar zu Abstimmungsmüdigkeit führen und damit letztlich das Instrument eines Referendums entwerten.

Anders verhält es sich beim Abgeordnetenhaus: Dessen Mitglieder sind per Wahl legitimiert, nach dem Prinzip der repräsentativen Demokratie Entscheidungen zu treffen. Könnte das Landesparlament künftig entscheiden, das Ja oder Nein für ein politisches Projekt punktuell in die Hände aller Wahlberechtigten zu legen, und von sich aus weit kurzfristiger ein Referendum ansetzen, dann wäre die eingangs skizzierte zeitliche Lücke geschlossen.

Schon Wowereit wollte Volksbefragungen

Wie dringend das ist, zeigt beispielhaft die Debatte über eine Olympiabewerbung. Eine Volksabstimmung ist sinnig, bevor sich das Land bewirbt. Bei einem in zwei Jahren dräuenden Volksentscheid erledigt sich das Thema von selbst, auch wenn die Stimmung im Land olympiafreundlich ist: Niemand vergibt die Spiele an einen Ort, an dem noch ein Referendum darüber aussteht.

Klaus Wowereit, dem SPD-Vor-Vor-Vorgänger von Regierungschef Kai Wegner (CDU), schwebte schon 2014 vor, dass der Senat die Möglichkeit haben sollte, bei grundsätzlichen Fragen direkt die Wählerschaft zu befragen. Das würde also passieren, solange der Stein noch nicht in den Brunnen gefallen sei, so formulierte er es einmal in einem Gespräch mit der taz.

Der Senat, das sind aktuell allerdings nur elf Leute, nämlich Wegner und zehn weitere Mitglieder. Da ließe sich sagen: Hmmm, bisschen viel Macht in der Hand einiger weniger, wenn die allein ein Referendum ansetzen könnten.

Der aktuelle Vorstoß der SPD-Fraktion legt die Sache denn auch breiter an: Nicht der Senat, sondern das Landesparlament mit seinen aktuell 159 Mitgliedern soll darüber entscheiden, ob ein Referendum anzusetzen ist oder nicht. 159 Abgeordnete also, von denen 78 direkt in ihren Wahlkreisen gewählt wurden und nicht über die Kandidatenlisten ihrer Parteien ins Parlament gerückt sind. Menschen also, die jeweils ein Mandat bekommen haben, stellvertretend Entscheidungen zu treffen.

Kritik am Vorstoß schwer nachvollziehbar

Ein Gutachten des Wissenschaftlichen Parlamentsdienstes hielt schon 2015 ein vom Senat auszulösendes Referendum sogar ohne Verfassungsänderung für möglich. Einzige größere Einschränkung: Die Landesregierung dürfe nicht mit Haushaltsmitteln selbst für Zustimmung werben und müsse sich Zurückhaltung auferlegen.

Nicht wirklich nachvollziehbar ist, wieso es bei Kritikern des Projekts – bei den Grünen, der Linkspartei oder dem Verein „Mehr Demokratie“ – so viel Skepsis gegenüber dem SPD-Vorstoß gibt. Denn ganz egal, ob am Ende eine Initiative, der Senat oder aber das Parlament ein Referendum anstößt: Die Entscheidung trifft in jedem Fall die Wählerschaft.

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Jahrgang 1967. Seit 2002 mit dreieinhalb Jahren Elternzeitunterbrechung bei der taz Berlin. Schwerpunkte: Abgeordnetenhaus, CDU, Grüne.

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