Rassismusvorwürfe in Mölln: Polizist aus dem Dienst entfernt

Offenbar gab es in einer schleswig-holsteinischen Polizeiwache jahrelang rassistische Äußerungen, toleriert von den Führungskräften.

Polizeibeamte stehen in Mölln vor dem Bahide-Arslan-Haus in der Mühlenstraße 9, in dem am 23.11.1992 bei einem Brandanschlag drei Menschen getötet wurden.

Unter Beobachtung: Po­li­zist*in­nen vor dem Möllner Bahide-Arslan-Haus, in dem 1992 bei einem Brandanschlag drei Menschen starben Foto: Marcus Brandt/dpa

HAMBURG taz | Einer hetzt und die anderen lassen ihn gewähren. Und das offenbar seit Jahren. Diese Vorwürfe gegen Beamte der Polizeistation in Mölln (Kreis Herzogtum Lauenburg) hat die schleswig-holsteinische Landespolizei am Freitag öffentlich gemacht. Einzelheiten zu den Inhalten der rassistischen Äußerungen sind bisher nicht bekannt.

Nur so viel: „Das mutmaßlich Gesagte stellt nationalsozialistisches Gedankengut dar, ist diskriminierend, herabwürdigend, menschenverachtend und begründet damit erhebliche Zweifel an der Verfassungstreue des Polizeibeamten“, sagte der Leiter der Polizeidirektion Ratzeburg, Bernd Olbrich, am Freitag auf einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem stellvertretenden Landespolizeidirektor Hartmut Kunz in Kiel.

Der Polizist, der nationalsozialistisches Gedankengut äußerte, ist demnach bereits aus dem Dienst entfernt worden, Ermittlungen gegen sechs weitere Polizisten laufen. Gegen drei Führungskräfte wurden Disziplinarverfahren eingeleitet, unter anderem, weil sie entsprechende Äußerungen einfach geduldet und in einem Fall sogar mitgemacht haben sollen. Sie wurden versetzt und haben keine Führungsaufgaben mehr. Sie sollen außerdem Zeugen beeinflusst haben.

„Der Vorfall auf der Polizeistation Mölln ist durch nichts zu entschuldigen oder zu rechtfertigen“, sagte Schleswig-Holsteins Innenministerin Sabine Sütterlin-Waack (CDU). „Um es ganz offen zu sagen – hier haben Führungskräfte versagt.“ Die Aufarbeitung dieses Falles aber zeige, dass Instrumente, wie das polizeiinterne Früh-Warnsystem „Radar“, das im September 2019 eingeführt wurde, oder verschiedene Ansprechstellen, die richtigen seien, bekannt seien und genutzt würden, so die Innenministerin.

Polizist löste Ermittlungen in Mölln aus

Losgetreten hatte die Ermittlungen ein Polizist der Möllner Wache. Während einer Streifenfahrt im Mai 2022 habe sich sein dienstälterer Kollege rassistisch geäußert. Der jüngere Beamte habe daraufhin die Antirassismus- und Wertebeauftrage der Polizei informiert, sagte Olbricht auf der Pressekonferenz am Freitag. In der Folge sei es zu Durchsuchungen gekommen, auch Chats der Beamten untereinander wurden ausgewertet. Dabei seien weitere Hinweise auf rassistische Äußerungen und auch auf Betrugsdelikte zum Beispiel zu Arbeitszeit gefunden worden.

Die Ermittlungen wurden später auf weitere Polizisten der Möllner Polizeiwache ausgeweitet. Mittlerweile liefen, so Olbricht, gegen zehn der 29 Polizeibeamten der Station Mölln Disziplinar- und Strafverfahren. Mit dem Ergebnis, dass es dort bereits seit 2015 rassistische Äußerungen gegeben hat. „Dass ein Polizeibeamter über ganze sieben Jahre unbehelligt rassistisch, gar in nationalsozialistischer Rhetorik im Dienst auftreten und agieren konnte, lässt mich erschaudern“, sagte SSW-Fraktionschef Lars Harms. Er zollte dem dienstjüngeren Polizisten Respekt, der dem Treiben ein Ende gesetzt habe.

„Gravierende Führungsprobleme“ auf der Wache

„Mich beunruhigt vor allem der lange Zeitraum, über den die Äußerungen offenbar getätigt wurden“, sagte Niclas Dürbrook, polizeipolitischer Sprecher der SPD-Landtagsfraktion Schleswig-Holstein. „Das wirft Fragen nach einer Gruppendynamik und gravierenden Führungsproblemen vor Ort in Mölln auf.“ Sollte sich bestätigen, dass sich Führungskräfte beteiligt und sogar auf einen Zeugen eingewirkt hätten, wäre das sogar Ausdruck eines massiven Führungsversagens, so Dürbrook.

„Die nun bekannt gewordenen Erkenntnisse sind schwerwiegend“, sagte der innen- und rechtspolitische Sprecher der Grünen-Fraktion, Jan Kürschner. „Wie die Polizeiführung sich sofort und eindeutig positioniert hat, war sowohl vorbildhaft als auch notwendig. Rassistisches und kriminelles Verhalten kann und wird die Polizei Schleswig-Holstein nicht in ihren Reihen dulden. Das ist das Signal.“

Ausgerechnet in der Möllner Polizei

Es sei niederschmetternd, dass „ausgerechnet in der Möllner Polizei Beamte ihren Dienst verrichtet haben, die sich ausländerfeindlich geäußert haben und deren Verfassungstreue infrage steht“, sagte der CDU-Kreisvorsitzende und Möllner Landtagsabgeordnete Rasmus Vöge am Freitagnachmittag.

Die Stadt Mölln steht immer auch in einer Reihe mit Hoyerswerda, Rostock-Lichtenhagen und Solingen. Der Brandanschlag, bei dem 1992 in Mölln drei Menschen starben, ist jetzt gut 30 Jahre her. Die Stadt setzt sich mit dieser Geschichte aktiv auseinander. Gemeinsam mit anderen Städten, in denen in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten rassistisch oder rechtsextrem motivierte Anschläge verübt worden sind, baut sie ein bundesweites Netzwerk „Tatorte rassistischer Gewalt“ auf.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Wir würden Ihnen hier gerne einen externen Inhalt zeigen. Sie entscheiden, ob sie dieses Element auch sehen wollen.

Ich bin damit einverstanden, dass mir externe Inhalte angezeigt werden. Damit können personenbezogene Daten an Drittplattformen übermittelt werden. Mehr dazu in unserer Datenschutzerklärung.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.