Empörung über die Berlinale: Der Ruf nach Konsequenzen

Nach den vorwiegend propalästinensischen Statements auf der Bühne schlägt die offizielle Kulturpolitik Alarm. Ist das noch gerechtfertigt?

Guillaume Cailleau und Ben Russell mit anderen Personen auf einer Bühne.

Guillaume Cailleau und Ben Russell nach der Preisübergabe auf der Bühne der Berlinale am 24. Februar Foto: Fabrizio Bensch/reuters

Deutschland ist empört. Der Bundeskanzler sagt, „dass eine derart einseitige Positionierung so nicht stehen gelassen werden kann“. Kulturstaatsministerin Claudia Roth (Grüne) kündigt an, die „Vorfälle“ aufarbeiten zu wollen, damit so etwas nie wieder passiert. Der Antisemitismusbeauftragte Felix Klein findet, die ausländischen Filmschaffenden hätten „ihr Gastrecht missbraucht“. Berlins Kultursenator Joe Chialo (CDU) kündigt Konsequenzen für die Kulturförderung an. Der Justizminister droht mit strafrechtlichen Konsequenzen.

Was ist passiert? Auf der Abschlussgala der Berliner Filmfestspiele äußerten sich Jury-Mitglieder sowie Preisträgerinnen und Preisträger zu Israels Krieg in Gaza. Einige forderten mit Ansteckern einen Waffenstillstand. Der US-amerikanische Regisseur Ben Russell sprach von einem „Genozid“, er und andere trugen Palästinensertücher. Der israelische Filmemacher Yuval Abraham, dessen Film über die Siedlungspolitik seines Landes in der Westbank ausgezeichnet wurde, sprach von „Apartheid“. Sein palästinensischer Co-Regisseur Basel Adra forderte Deutschland auf, keine Waffen mehr an Israel zu liefern. Das Publikum applaudierte. Die Berlinale-Leitung distanzierte sich anschließend von den Statements.

In den überschäumenden Reaktionen ist jetzt viel von „Israel-Hass“ und „Antisemitismus“ die Rede. Dabei handelt es sich in all diesen Fällen um eine politische Kritik. Man kann diese Kritik einseitig und falsch finden, für plakativ, völlig überzogen, naiv oder unfair halten. Es bleibt aber eine politische Kritik an Staaten, in diesem Fall an Israel und Deutschland. Das ist etwas anderes als ein Ressentiment gegen­ eine Minderheit, und es ist von der Meinungs- und Kunstfreiheit gedeckt, auch wenn es einer vermeintlichen „Staatsraison“ widerspricht.

Muss man das aushalten? Ja, auch wenn es einem nicht gefällt. Alles andere läuft auf Gesinnungsprüfungen, Benimmregeln, Verbote und Zensur hinaus. Das wollen manche offenbar, denn das meinen sie mit „Konsequenzen“. Das sollten sie dann auch so offen sagen, statt sich hinter Antisemitismusvorwürfen zu verstecken.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Daniel Bax ist Redakteur im Parlamentsbüro der taz. Er schreibt über Innen- und Außenpolitik in Deutschland, über die Linkspartei und das neue "Bündnis Sahra Wagenknecht" (BSW). 2015 erschien sein Buch “Angst ums Abendland” über antimuslimischen Rassismus. 2018 veröffentlichte er das Buch “Die Volksverführer. Warum Rechtspopulisten so erfolgreich sind.”

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.