Gewalt in der Weimarer Republik: Breite Blutspur

Die Berliner Gedenkstätte Topographie des Terrors thematisiert in einer Ausstellung, wie Gewalt die ersten Jahre der Weimarer Republik prägte.

An einer Straßenecke sieht man Uniformierte an einer provisorischen Barrikade

Regierungstruppen in Berlin, März 1919 Foto: BArch, Bild 183-18594-0025 / o. Ang.

Am Anfang steht ein Stahlhelm, Modell 1917, darauf ein aufgemaltes Hakenkreuz. Der Kopfschutz kam beim Kapp-Putsch 1920 zum Einsatz, als einer der Männer der daran beteiligten Marinebrigade Hermann Erhardt der jungen Republik den Garaus machen wollte. Zwar verweigerte damals die Reichswehr den Regierenden die Gefolgschaft, doch ein Generalstreik der Arbeiterschaft sorgte dafür, dass der Umsturzversuch nur eine Episode blieb – aber eine Episode unter vielen.

„Gewalt gegen Weimar“ lautet der Titel der Sonderausstellung in der Berliner Topographie des Terrors über die frühen Jahre der deutschen Repu­blik. Das Thema lädt zwangsläufig zu historischen Vergleichen ein, auch wenn die Ausstellungsmacher solche tunlichst vermeiden.

„Viele Parallelen machen den heutigen Besucher nachdenklich“, bekannte Berlins Regierender Bürgermeister Kai Wegner (CDU). Man sei damals gegen „rechte Gewalt nicht entschieden genug vorgegangen“, sagte die Direktorin der Topographie des Terrors Andrea Riedle bei einer Pressekonferenz am Dienstag.

Vom selbst inszenierten Chaos zum autoritären Staat

Gewalt gegen Weimar. Zerreißproben der frühen Republik 1918-1923. Topographie des Terrors, Berlin. Bis zum 1. September.

Allerdings ist die Gewalt in den fünf Jahren zwischen 1918 und 1923 sowohl quantitativ als auch qualitativ kaum vergleichbar mit dem, was Rechtsradikale in Deutschland im Jahr 2024 anrichten, so furchtbar dies auch ist.

Vor gut einhundert Jahren marodierten paramilitärische Banden wie die Gruppe Erhardt durch das Land, deren Anführer am Mord an den Herero und Nama im heutigen Namibia beteiligt gewesen war. Geheimgesellschaften wie die „Organisation Consul“ versuchten mit Attentaten auf Spitzenpolitiker ihre Vorstellungen durchsetzen zu können – vom selbst inszenierten Chaos zum autoritären Staat.

In München übernahm 1921 ein gewisser Adolf Hitler den Vorsitz einer Splitterpartei. Zwei Jahre später glaubte er, die Macht in Deutschland an sich reißen zu können – und scheiterte mit seinem Putschversuch. Auf der linken Seite unterstütze die noch junge, aber doch schon von der Sowjetunion abhängige Kommunistische Partei hoffnungslose Aufstandsbewegungen im Glauben an die Gründung einer Sowjetrepublik.

Verrohung der Sprache

Und doch fallen Parallelen zwischen heute und damals auf – in der Sprache. So wie heute der politische Gegner von Rechtsradikalen und ihren Hilfstruppen in Messenger-Diensten verunglimpft wird, so sprachen die rechten Gegner der Weimarer Republik den Demokraten jegliches Existenzrecht ab. Sie galten ihnen als „Erfüllungsgehilfen“ (des Versailler Vertrags) und „November-Verbrecher“ (am deutschen Volk). Verbrecher aber gehören eingesperrt – so wie 100 Jahre später die „Impf-Verbrecher“ gegen Corona. Die Verrohung der Sprache war und ist die unabdingbare Voraussetzung für den bedenkenlosen Einsatz von Gewalt.

Dies galt und gilt zweifellos auch für linksradikale Sekten und Gruppierungen. Aber lassen sich die Gewaltexzesse beider Seiten deswegen gleichsetzen?

Die Ausstellung balanciert da auf einem schmalen Grat. Einerseits heißt es etwa zur Münchner Räterepublik von 1919, von beiden Seiten, Kommunisten, Anarchisten und rechtsradikalen Freikorps, sei Gewalt ausgegangen. Diese Gleichsetzung hält einer genaueren Betrachtung aber kaum stand.

Auf dem rechten Auge blind

Die Ausstellung macht freilich deutlich, dass es die Rechtsradikalen waren, die bei ihren Versuchen, die Republik zu liquidieren, eine viel breitere Blutspur durch das Land zogen

Andererseits macht die Schau durchaus deutlich, dass Polizei und Justiz in der jungen Repu­blik auf dem rechten Auge blind waren, um dafür umso heftiger auf Kritiker von der linken Seite einzuschlagen. Wie zum Beweis dafür stehen da die Bücher des Mathematiker Emil Julius Gumbels, der die Tatsachen schon damals nachwies.

Der Hamburger Aufstand von 1923, die Ruhrkämpfe im März 1920, der Aufstand in Mitteldeutschland – zweifellos setzte auch die kommunistische Linke auf Gewalt, wenn es ihr nützlich erschien. Da wurden nicht nur Fabrikanten-Villen niedergebrannt, sondern auch Menschen umgebracht.

Die Ausstellung macht freilich deutlich, dass es die Rechtsradikalen waren, die bei ihren Versuchen, die Republik zu liquidieren, eine viel breitere Blutspur durch das Land zogen – mit den Mordattentaten wie gegen Karl Gareis, Matthias Erzberger, Philipp Scheidemann und Walter Rathenau, mit Fememorden und Putschversuchen.

Sie erklärten Gewalt zum legitimen Mittel der politischen Auseinandersetzung – und die Republik, in deren Auftrag diese Herrschaften (Damen waren es sehr selten) ursprünglich aktiv geworden waren, besann sich und rüstete ihrerseits auf. Die Ausstellung kann da mit einem polizeilichen Gummiknüppel aufwarten, schwarz und von der Größe eine Fahrradpumpe. Nur wen das Instrument getroffen hat, ob Rechte oder Linke, das muss offen bleiben.

1923 hielt die Republik noch stand. Zehn Jahre später nicht.

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