Polizeiliche Kriminalstatistik 2023: Gefährlicher Alarmismus

Die Kriminalstatistik ist noch gar nicht veröffentlicht, da starten rechte Medien schon eine Migrationsdebatte. Dabei geben die Zahlen dazu keinen Anlass.

Ein Schild warnt vor Taschendieben.

Die Polizeiliche Kriminalstatistik (PKS) kann Hinweise darauf geben, wo mehr Prävention nötig ist Foto: Arnulf Hettrich

In Deutschland wird es gefährlich, und schuld sind „die Ausländer“. So eine Pauschalaussage ist natürlich falsch, doch sie wird seit Tagen in einigen Medien verbreitet. „Gewaltkriminalität in Deutschland steigt massiv“ oder „Über 40 Prozent der Verdächtigen sind Ausländer“, heißt es in den Schlagzeilen.

Im Verhältnis zur Zuwanderung ist der Anstieg unter Ausländer_innen sogar geringer als unter Deutschen

Begründet werden die Aussagen mit der Polizeilichen Kriminalstatistik (PKS) für das Jahr 2023. Die wird zwar eigentlich erst am Dienstag vorgestellt, doch die alarmistische Debatte dazu gibt es schon seit Samstag. Grund war ein Vorabbericht der Welt über Auszüge aus der Statistik. Seither scheinen sich die Medien bei dem Versuch zu überschlagen, einen Zusammenhang zwischen Zuwanderung und Kriminalität herzustellen. Dabei lässt sich das aus den Zahlen so nicht herauslesen.

Was in den Auszügen steht: 2023 wurden 5,9 Millionen Straftaten verzeichnet, ein Plus von 5,5 Prozent im Vergleich zum Vorjahr. Und: Von den Tatverdächtigen haben 41 Prozent keinen deutschen Pass. Dazu gehören Geflüchtete, Menschen, die seit Jahrzehnten in Deutschland wohnen und Tourist_innen.

Dass die Zahl der ausländischen Straftäter_innen zum Vorjahr gestiegen ist, liegt auch daran, dass die Zahl der Ausländer_innen gestiegen ist. Relativ dazu ist der Anstieg sogar geringer als bei Deutschen. Und unter den Straftaten finden sich auch Dinge wie „illegal ins Land einreisen“. Straftaten, die Passdeutsche gar nicht verüben können.

Nicht mal, dass es in Deutschland gefährlicher wird, lässt sich aus den Zahlen ablesen. Denn die PKS bildet nicht die reale Kriminalität ab, sondern lediglich die Fälle, die die Polizei bearbeitet. Ob also die Zahl der Straftaten oder die Anzeigebereitschaft steigt, lässt sich damit nicht beantworten.

Interessant kann die PKS trotz allem sein, denn sie kann Hinweise darauf geben, wo mehr Prävention nötig ist. Doch für die Zahlen im Detail interessieren sich nur die wenigsten, viele wollen lieber mit einigen wenigen Zahlen Stimmung machen. So wie Bayerns Innenminister Joachim Herrmann, der bereits jetzt einen Kurswechsel in der Asylpolitik fordert. Und das ist wirklich gefährlich.

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Ressortleiterin bei taz zwei - dem Ressort für Gesellschaft und Medien. Schreibt hauptsächlich über intersektionalen Feminismus, (digitale) Gewalt gegen Frauen und Popphänomene. Studium der Literatur- und Kulturwisseschaften in Dresden und Berlin. Seit 2017 bei der taz.

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