Gewalt gegen Frauen: Gefährliche Nähe

Berlin registriert 2023 deutlich mehr Übergriffe in Partnerschaft und Familie als im Vorjahr. Dagegen bräuchte es eine massive Verunsicherung der Täter.

Femen-Aktivistinnen demonstrieren auf einem Boot auf der Spree im Regierungsviertel gegen Gewalt gegen Frauen. Anlass ist der Internationale Tag zur Beseitigung von Gewalt gegen Frauen

Femen-Aktivist*innen protestieren auf der Spree in Berlin gegen Gewalt gegen Frauen im Frühjahr 2022 Foto: Kai Nietfeld / dpa

Bei Gewalt „in privaten Lebensbereichen“ offenbart Berlins Kriminalstatistik eine „deutliche Zunahme“: Rund 19.000 Menschen mussten in Berlin im vergangenen Jahr Gewalt in Partnerschaft und Familie erfahren. Im Vergleich zu 2022 sind die Zahlen demnach noch gestiegen – rund 1.500 Übergriffe mehr registrierte die Polizei 2023. Es ist außerdem der höchste Wert der vergangenen zehn Jahre. 70 Prozent der Betroffenen waren weiblich. 75 Prozent der Täter männlich.

Das Dunkelfeld im Bereich der sogenannten Partnerschaftsgewalt ist groß. Es ist also unklar, ob der Anstieg der Zahlen bedeutet, dass die Gewalt im Familiären noch zugenommen hat. Oder ob mehr Frauen es wagen, sie anzuzeigen – vor allem, nachdem häusliche Gewalt während der Pandemie stärker öffentlich zur Sprache kam. Doch eins zeigen die Zahlen deutlich: Weiterhin üben Täter immense Gewalt gegen Frauen aus, weil sie Frauen sind. Frauen sind in ihrem eigenen Zuhause sehr oft ungeschützt. Das gleiche gilt für Kinder.

Beim Senat ist die Betroffenheit groß. Gemeinsam mit der Polizei gehe man den Ursachen nach, schaffe Kontakt- und Beratungsangebote und entwickle Ansätze zur Bekämpfung. So unterstütze der Senat etwa auch die Initiative „Gewaltfrei in die Zukunft“, die eine App entwickelt hat, sagte Innensenatorin Iris Spranger (SPD) bei der Vorstellung der Zahlen am Mittwoch. Die App soll gewaltbetroffenen Frauen helfen, Vorfälle zu dokumentieren und Anlaufstellen zu finden.

Die Täter verunsichern

Gut ist, dass die Innensenatorin die immense Gewalt gegen Frauen benennt und ernst nimmt. Der Kampf gegen Partnerschaftsgewalt ist richtig angesiedelt in ihrem Ressort. Noch Ende vergangenen Jahres lud sie zu einem Fachtag, um sich gemeinsam mit Beratungsstellen und Initiativen über innovative Ansätze gegen Gewalt gegen Frauen auszutauschen. Die dort vorgestellten Apps, Notrufsysteme und auch Frauenhäuser sind wichtig, aber letztlich nur Bausteine für eine am Ende recht dünne Schutzwand.

Um das System der Gewalt einzureißen braucht es eine massive Verunsicherung der männlichen Täter. Und wer gewalttätig wird oder zu werden droht, muss andrerseits umgehend Hilfe bekommen. Bisher verstärkt zu vieles in unserer Kultur die Abwertung von Frauen. Und genau daraus erwächst Gewalt. Doch Männer, die Gewalt ausüben, dürfen sich darin nicht mehr sicher fühlen.

Das gilt auch schon im Kleinen: Beim sexistischen Witz in der Arbeitspause oder beim abfälligen Kommentar in den sozialen Medien. Gewalt gegen Frauen ist kein Frauenthema. Dazu braucht es einen Kulturwandel. Es braucht Gleichheit und Selbstbestimmung beim Gehalt, bei Wissensvermittlung, bei politischer, gesellschaftlicher und wirtschaftlicher Repräsentation. Wer Frauen abwertet, muss auf Widerspruch stoßen. Insbesondere Männer sollten endlich anfangen, hier deutliche Grenzen ziehen.

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