SpaceX startet einen Flugtest des Starship auf der Starbase in Boca Chica, Texas. Unter der Rakete ist Feuer zu sehen - ein Vogel fliegt am Himmel, Rauchwolken steigen auf

3 … 2 … 1: Umweltzerstörung! Start einer „Starship“-Rakete in Boca Chica im März 2024 Foto: Joe Marino/imago

Elon Musks Raketenfirma SpaceX:Schlechter Start

Die Firma SpaceX testet in Texas Raketen, die die Menschheit zum Mars bringen sollen – und lässt jetzt schon Umweltschäden und Zerstörung zurück.

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18.4.2024, 15:50  Uhr

Wer ins All möchte, muss erst mal Richtung Äquator. Je näher, desto besser, denn entlang dieser Achse kreist die Erde ein wenig schneller, eine Rakete bekommt einen letzten Schub auf ihrem Weg in Richtung Sterne.

Die Europäische Raumfahrtagentur ESA unterhält deswegen eine Startbasis in Französisch ­Guayana, die berühmtesten Flüge der Nasa starteten im tropischen Florida, und auch die Sowjetunion versuchte mit dem „Kosmodrom“ Baikonur im südlichen Kasachstan möglichst nah an den warmen Breitenkreis heranzukommen.

Der Boca Chica-Strand in Texas ist vielleicht nicht der südlichste Punkt der USA und damit dem Äquator am nächsten, doch für die größte Rakete aller Zeiten reicht es trotzdem. Boca Chica liegt zumindest am südlichen Ende von Texas, umgeben von Salzwiesen, aus denen Stöße von Wandervögeln in den Himmel steigen. An einem diesigen Morgen steht die 50 Meter lange Raumfähre vom Typ „Starship“ wie abflugbereit neben ihrer Startrampe. Ihre schillernde Metallhülle reflektiert das Morgenlicht und erinnert an einen überdimensionierten alten Wohnwagen, der auf seinem Heck steht und senkrecht in die Höhe ragt.

Über 90.000 Kilonewton Schub hat die neueste Ausführung der Rakete, die neben dem Starship steht und die Fähre ins Weltall bringen soll – fast dreimal so viel wie die „Saturn V“, mit der die ersten Menschen zum Mond geflogen sind. Die Rakete selbst ist wiederverwendbar und soll bis zu 150 Tonnen Ballast tragen können. „Tor zum Mars“ steht auf der Mauer des Firmengeländes von SpaceX. Eigentümer Elon Musk prophezeit, dass der rote Planet dank der Erfindungen seiner Firma kolonisiert werden wird. Am Strand von Boca Chica testet SpaceX das System, um es marktreif zu machen.

Gloria Thomas, Aktivistin

„Bei vielen Leuten, die in billig gebauten Häusern und Wohnungen leben, zerbarsten durch den Start die Rohre“

Die Region, aus der seit genau einem Jahr und einem Tag die Raketen starten, heißt Rio Grande Valley, viele Menschen in Texas nennen das Gebiet schlicht „das Tal“. Es wird eingerahmt durch den Golf von Mexiko im Osten und den Fluss Rio Grande im Westen, dessen Verlauf zugleich die Grenze zu Mexiko bildet. Zwischen den Ballungsgebieten im Zentrum des Bundesstaates und dem Rio Grande Valley liegen Hunderte dünn besiedelte Kilometer – und mehrere Welten.

„Elon Musk hat selbst gesagt, dass hier unten nichts ist, und dass es deshalb auch in Ordnung ist, wenn er hier alles explodieren lässt“, sagt Gloria Thomas. Die junge Aktivistin mit dem schnellen Lächeln kommt aus Brownsville, mit 190.000 Menschen die größte Stadt im Rio Grande Valley, etwa eine halbe Stunde Autofahrt von Boca Chica gelegen. Vor einem kleinen Café in der historischen Innenstadt erzählt sie von ihrer Heimat. „Brownsville hat eine ganz eigene Kultur, die meisten Menschen hier haben auf beiden Seiten der Grenze gelebt.“

Zum nächsten Grenzübergang in die mexikanische Stadt Matamoros sind es nur wenige Minuten zu Fuß, doch schon hier ist der Unterschied zum Nachbarland nicht mehr zu greifen. An die 90 Prozent der Ein­woh­ne­r:in­nen der Region sind Latinos, in den Straßen wird Spanisch gesprochen, viele Geschäfte kommen ganz ohne englischsprachige Schilder aus.

Im subtropischen Süden des Staates ist es noch ein wenig wärmer als im ohnehin schon heißen Texas. Morgens zieht dichter Nebel vom Meer heran, in den fruchtbaren Feldern wachsen Zuckerrohr, Zitrusfrüchte und Baumwolle. „Die USA sehen Mexiko schon lange nur als Lieferant für Rohstoffe und billige Arbeitskräfte, und zu einem gewissen Maß trifft das auch auf uns hier zu“, sagt Thomas. Das Rio Grande Valley, kurz vor der Grenze, liefert zwar immense Mengen an Lebensmitteln, gehört aber zu den benachteiligten Gegenden des Landes, ein Drittel aller Ein­woh­ne­r:in­nen lebt in Armut.

Gloria Thomas wehrt sich zusammen mit der Gruppe South Texas Environmental Justice Network gegen den Ausbau der Weltallinfrastruktur im Rio Grande Valley, denn sie fürchtet dessen Folgen für ihre Heimat.

Die ersten Tests der gigantischen Rakete am Boca Chica Beach ließen Fensterscheiben umliegender Häuser zerbersten, ein Feuer auf dem Startgelände setzte 16 Hektar Grünflächen in Brand. Als es bei einem missglückten Test auf der Startfläche zu einer Explosion kam, schleuderte diese Feinstaub und große Betonsteine durch die Luft, die mehr als einen Kilometer weiter im Meer landeten. Ende letzten Jahres setzte ein weiterer Test solche Energien frei, dass diese auch 30 Kilometer weiter von Geräten erfasst wurden, mit denen Erdbeben gemessen werden. „Bei vielen Leuten, die in billig gebauten Häusern und Wohnungen leben, zerbarsten die Rohre“, erzählt Thomas.

„Boca Chica ist alles andere als ein perfekter Ort für Raketenstarts“, sagt Erich Roesch. Der Mittdreißiger arbeitet seit Jahren als Ingenieur in großen Industriewerken und stellt sicher, dass deren Betriebsabläufe mit geltenden Umweltauflagen im Einklang sind. „Mit Weltraumsachen habe ich eigentlich gar nichts zu tun, aber ich habe mich für die Startbasis interessiert und mit der Zeit gemerkt, dass niemand genau mitzukriegen scheint, was dort passiert.“

Roesch betreibt einen Blog mit dem Namen „ESG Hound“, dessen Lektüre für Ak­ti­vis­t:in­nen und Mitglieder der Presse mit einem Interesse an Boca Chica fast obligatorisch ist. Mit langen, hoch detaillierten und von Sarkasmus triefenden Einträgen widmet sich Roesch den vielen Ungereimtheiten, die dazu führen konnten, dass ein winziger Landstreifen an der Küste von Texas zum Testgebiet für die größte Rakete aller Zeiten werden konnte.

„Das Gesetz sieht eigentlich vor, dass eine umfangreiche ökologische Studie vorgenommen wird, bevor solche Anlagen in Betrieb gehen können“, erzählt Roesch der taz. Betreiber sind dazu verpflichtet, in einem umfangreichen Verfahren zu überprüfen, ob die von ihnen geplanten industriellen Abläufe in diesem Umfang an einem bestimmten Ort stattfinden können, ohne Mensch und Umwelt maßgeblich zu beeinträchtigen. Im Fall von SpaceX in Boca Chica „war das alles Bull­shit“, sagt Roesch,

Die Ungereimtheiten beginnen für Roesch schon mit der Rakete, für die das Startgelände eigentlich geplant war. SpaceX hatte bei den Anträgen auf Baugenehmigungen angegeben, dass auf diesem Areal eine Variante der „Falcon“-Rakete getestet werden sollte, die den größten Teil der SpaceX Flotte ausmacht. Nachdem sich die Firma das Gelände gesichert hatte, machte sie eine Kehrtwende und erklärte es zum Testgebiet für Starship – eine Rakete, die mehr als viermal so groß ist wie die Falcon.

Roesch beschloss, sich neben seiner Arbeit intensiver mit Boca Chica zu beschäftigen, nachdem er auf die Blaupausen im ersten Antrag des Konzerns gestoßen war. „Eigentlich hatten sie auch noch ein Gaswerk geplant“, sagt Roesch, über dieses könnte das Methangas direkt verarbeitet werden, das einen maßgeblichen Teil des Antriebs für das Starship liefert. „Als ich gesehen habe, was sie alles mit diesem winzigen Streifen Land vorhaben, habe ich mir gedacht, dass ist doch wahnsinnig.“

Für Roesch ist einer der eigenartigsten Umstände des eigentlich ungenehmigten Ausbaus an der Küste, dass SpaceX von der zuständigen Luftfahrtbehörde FAA weiter Startgenehmigungen für ihre Prototypen bekommt. „Sie spielen einfach mit“, sagt er. Trotz des Umstandes, dass der Musk-Konzern bis heute keine umfassende ökologische Studie für seine Startbasis vorgelegt hat, und dass er eine vollkommen andere Anlage betreibt als eigentlich angemeldet, darf er weiter seine Marsrakete testen.

Pelikane in der Lagune, ein Pelikan fliegt, die anderen schwimmen vor sich hin

In der Gefahrenzone: Pelikane in der Bucht von Boca Chica. Bis hierhin wurden von Teststarts Trümmer geschleudert Foto: Johannes Streeck

Eine schmale Asphaltpiste führt von Brownsville zum Strand von Boca Chica. Links und rechts der Straße breiten sich die salzigen Marschlandschaften aus, die auf mehrere Naturschutzgebiete aufgeteilt sind. Das Ökosystem um den Strand ist einzigartig, in den Dünen brüten Meeresschildkröten, zwei Migrationskorridore für Zugvögel laufen über ihm zusammen. Die „Starbase“, wie Elon Musk die Startbasis nennt, ist auf mehrere Parzellen aufgeteilt. Ein Entwicklungsgelände, auf dem mehrere Prototypen stehen, liegt keinen Meter höher als die angrenzende Lagune, sie scheint wie eine Fata Morgana am Horizont zu schweben.

Christopher Basaldu führt an der Startplattform mit der gleißenden Starship-Rakete vorbei zum Strand und von dort weiter zur Mündung des Rio Grande. Wenn in Boca Chica die Raketen starten, lässt SpaceX die gesamte Straße und damit den Zugang zum Meer sperren. Heute ist das Publikum eine Mischung aus schaulustigen Weltraumfans, Strand­be­su­che­r:in­nen und Angehörigen der Grenzpolizei, die mit Pick-up-Trucks und Geländefahrzeugen den Strand patrouillieren.

Basaldu kommt aus Brownsville und ist Angehöriger der Esto’k Gna, einer indigenen Gruppe, deren Geschichte im Süden von Texas weit zurückgeht. Er ist groß, mit sanften Gesichtszügen, und schwitzt ein wenig, während er die letzten Schritte vom Meer zur Mündung des Flusses zurücklegt. „Boca Chica“ heißt „kleine Mündung,“ diesen Namen gab die Spanische Kolonialmacht der Gegend, als sie in das heutige Texas kam. Der große Fluss Rio Grande hat hier sein schlammiges Ende und vermischt sich mit dem Golf von Mexiko, ein Randmeer des Atlantiks. Am vermüllten Flussufer zwischen USA und Mexiko treiben Pelikane, ein bulliger Grenzbeamter sitzt in seinem Auto und schaut Richtung Meer.

„Die Mündung des Flusses ist für uns der Ursprungsort“, erzählt Basaldu später in seiner Wohnung in Brownsville. „Hier hat der Schöpfer die erste Frau gemacht, die unser aller Mutter ist.“ Die Esto’k Gna, von den Spaniern „Carrizo Comecrudo“ genannt, lebten auf beiden Seiten der heutigen Grenze, heute zählt die Gruppe ein paar hundert Mitglieder, von denen Basaldu einer der politisch aktivsten ist. Basaldu hat an der Harvard Universität studiert, promoviert, und sich dabei auch fachlich mit dem Umgang mit Amerikas indigener Bevölkerung auseinandergesetzt. In seiner Heimatstadt Brownsville engagiert er sich wie Gloria Thomas beim South Texas Environmental Justice Network.

„Ich habe einen Ablehnungsreflex gegen alles, was sich Kolonisierung nennt“, sagt Basaldu über die Bestrebungen von SpaceX, über Boca Chica Beach den Mars zu erobern. Basaldu lacht über die Ideen und Projekte des Science-Fiction-Fans Elon Musk: „In diesen Namen und Ideen spiegelt sich immer wieder das gleiche. Terra-Forming zum Beispiel, bei dem andere Planeten umgeformt werden sollen, um der Erde zu ähneln. Der Mars kann doch einfach der Mars bleiben.“

Christopher Basaldu, Aktivist

„Wir geben Milliarden in die Hände des reichsten Kolonialisten der Erde, statt uns hier um Wasser und Essen für Menschen zu kümmern“

Basaldu versteht nicht, warum Milliarden in die Raumfahrt investiert werden, während im Rio Grande Valley die Armut grassiert. Die Esto’k Gna haben eine schwierige Position, da sie von der Bundesregierung in Washington nicht anerkannt werden. Obwohl ihre Geschichte historisch belegt ist, steht ihnen offiziell kein Land und kein Platz an den Verhandlungstischen zu.

Basaldu kämpft mit seiner Gruppe gegen die Industrialisierung entlang der Küste. In diesem Jahr wurde nach langem Widerstand eine alte Kultstätte der Esto’k Gna umgegraben, um Platz für ein LNG Exportwerk zu machen. „Wir geben Milliarden in die Hände des reichsten Kolonialisten der Erde, statt uns hier um Wasser, Essen und Wohnräume für Menschen zu kümmern.“

560 Kilometer weiter nördlich steht Mary Branch in ihrem Haus in Austin und regt sich auf. „Sie nannten es früher das magische Tal, und es war unvergleichlich“, erzählt Branch von ihrer Kindheit in Brownsville. Die Pensionärin hat wache, braune Augen und flucht im breiten texanischen Dialekt, während sie ihre Aktenordner durchgeht. „Jetzt zünden sie dort Raketen und bauen LNG-Werke“, sagt sie und schüttelt den Kopf. „Es wird nie wieder so sein wie früher.“

Auch Branch engagiert sich gegen SpaceX, ihr anderes Haus in dem winzigen Ort Port Isabel liegt an derselben Bucht, wie die Startbasis. Branch hat über Jahre beobachtet, wie Elon Musk sich in Texas den Boden bereitet hat. „Kurz nachdem sie die Baugenehmigung bekommen haben, haben sie die Bundestaatsregierung dazu bewegt, Gesetze zu verabschieden, über die die Industrie geschützt wird.“ Unter dem republikanischen Gouverneur Greg Abbott erließ die Regierung von Texas einen Klageschutz für SpaceX, aufgrund dessen es unmöglich ist, die Firma rechtlich für die Folgen ihrer Tests zu belangen.

Der Konzern hat in der Lokalpolitik großen Einfluss. Nachdem ein Starship-Prototyp über Boca Chica explodierte und die Trümmer Häuser in der Gegend beschädigten, versprach Elon Musk 20 Millionen Dollar für Schulen und die Wiederbelebung der schönen, aber maroden Innenstadt von Brownsville. Unter den Firmen, die Gelder für die Renovierung eines historischen Gebäudes bekamen, befand sich auch eine in der Hand des damaligen Bürgermeisters Trey Mendez, erzählt Branch.

Porträt von Christopher Basaldu, er schaut in die Ferne und trägt ein blaues Halstuch um den Hals

Ihm ist die Erde wichtiger als der Mars: Christopher Basaldu, Angehöriger der Esto’k Gna Foto: Johannes Streeck

Während seiner Amtszeit veröffentlichte Mendez zudem die privaten Daten eines Mitglieds des South Texas Environmental Justice Network, das beschuldigt wurde, ein von SpaceX in Auftrag gegebenes Wandbild mit einer Anti-Gentrifizierungs-Parole übermalt zu haben. Mendez ist mittlerweile zurückgetreten, arbeitet aber nach wie vor in der örtlichen Immobilienbranche.

Mary Branch ist auch deswegen gerade in der texanischen Hauptstadt Austin, weil in dieser entschieden wird, ob der Bundesstaat Land mit SpaceX tauscht, damit das Gelände am Boca Chica Beach weiter ausgebaut werden kann. Für die Entscheidung zuständig ist die Natur und Wildnis Behörde „Texas Parks and Wildlife Department“ (TPWD).

Ein paar Tage später haben sich in einem brutalistischen Betonbau am Stadtrand von Austin um die 100 Aktivist:innen, Anwälte und Presserverteter eingefunden, um an der Anhörung teilzunehmen. TPWD wird von einer Kommission geleitet, deren Mitglieder persönlich vom Gouverneur berufen werden. Wer zu den SpaceX Vertretern gehört, und wer aus dem Rio Grande Valley angereist ist, lässt sich nicht nur an der Sitzverteilung im dunkel getäfelten Sitzungssaal erkennen, sondern auch demografisch: Fast alle An­woh­ne­r:in­nen sind Latinos oder indigen, die Delegation der Befürworter fast ausschließlich weiß.

Zur Entscheidung steht, ob TWPD SpaceX einen 17 Hektar großen Landtrakt abtritt, der an einem der Naturschutzgebiete liegt. Dieses hatte sich die Behörde einst gesichert, um das empfindliche Ökosystem zu schützen. SpaceX bot im Tausch eine mehr als 20-mal so große Fläche weiter nördlich an.

Die Stimmen aus dem Rio Grande Valley sind fast einvernehmlich: Nein. Einer Verkleinerung des geschützten Gebietes am Meer widersprechen sie vehement. Der Reihe nach sprechen junge und alte Menschen, die die 6 Stunden Autofahrt aus dem Süden auf sich genommen haben, über die Relevanz von Boca Chica. Für Menschen in Brownsville ist es der einzige Strand, erzählen sie. Schon jetzt schränken die regelmäßigen Schließungen durch die Starbase den Zugang ein, viele fürchten sich vor noch mehr Testflügen, mehr Explosionen, mehr Umweltverschmutzung.

Mary Branch schreitet energetisch ans Mikrofon und erzählt von den einzigartigen Lebensformen, die durch SpaceX bedroht sind. Auch Christopher Basaldu ist angereist, um vorzusprechen, der Öl-Milliardär Jeffery Hildebrandt, der der Kommission vorsitzt, spricht ihn als „Frau Basaldi“ an. Nach ein paar Stunden werden die öffentlichen Beratungen beendet, die Kommission zieht sich zurück, um sich zu besprechen. Kurz danach wird die einstimmige Entscheidung bekannt gegeben: Der Tausch darf stattfinden. Rund einen Monat später gibt das South Texas Environmental Justice Network bekannt, dass es gegen den Beschluss der Kommission Klage eingelegt hat.

Zurück am Boca Chica Beach sitzt Calvin Wehrle an seinem alten Pick-up-Truck, auf dessen Ladefläche er eine kleine Holzhütte gebaut hat. Wehrle ist um die 60, hager und von der Sonne gezeichnet. Neben seinem Campingstuhl steht ein Fernglas auf einem Stativ. „Basecamp Zero“ hat er auf die Seite des Fahrzeugs gemalt. Wehrle ist oft an der Starbase anzutreffen, meistens zeltet er dann ein wenig versteckt in den Dünen und parkt wie heute direkt gegenüber des Startgeländes. „Es ist ein desolater Ort“, gibt er zu, aber „unheimlich aufregend.“

Darauf angesprochen, was ihn an der Starbase so anzieht, erzählt Wehrle erst mal lange von einer schwierigen Trennung und einer Tochter, zu der er keinen Kontakt mehr hat. „Deshalb steht auch hinten auf meinem Pick-up ‚Wertschätzt Väter wieder‘“, sagt er. Er stehe vor allem oft hier und verteile selbst gedruckte Pamphlete und Aufkleber, „für die Kinder“, wie er sagt.

„Es geht mir gar nicht so doll um den Mars“, sagt Calvin Wehrle. Er deutet auf die Startbasis hinter sich, von der Lautsprecherdurchsagen herüber schallen. „Damit können wir alles machen.“ Für ihn ist das Versprechen der Raketen wichtiger, als die Orte, zu denen sie fliegen. „Elon hat nicht gesagt, wir werden mit dem Starship zum Mars fliegen, sondern er hat gesagt, wir werden damit zu einer interplanetaren Spezies“, sagt Wehrle überzeugt. „Also wird das auch passieren.“

Elon Musk hat Millionen in das Rio Grande Valley als Raumfahrtzentrum investiert. Über Steuervergünstigungen und Gesetzesänderungen haben Bundesstaats- und Lokalpolitiker ihrerseits das gleiche getan. Der Umweltingenieur Eric Roesch bezweifelt jedoch, dass SpaceX wirklich vorhat, am Boca Chica zu bleiben. „Ich glaube, es geht vor allem darum, der Nasa zu beweisen, dass das System funktioniert, damit SpaceX in ein paar Jahren über die Basis in Florida starten kann“, sagt er. Roesch muss an die sogenannten „Boom-Bust“- Zyklen denken, in denen ganze Städte durch fallende Ölpreise in den Bankrott gestürzt werden. „Ich wäre nicht überrascht“, sagt Roesch. „Das ist die Geschichte von Texas.“

Diese Recherche wurde durch das Olin / Netzwerk Recherche Stipendium unterstützt.

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