Aufarbeitung der Coronapandemie: Lernen für das nächste Virus

Bis heute sind Folgen der Coronapandemie im Sozialbereich spürbar. Die Caritas fordert eine Aufarbeitung mit Stimmen aus der Praxis.

Ein leerer Raum einer Kita. Die Stühle sind auf die Tische hochgestellt.

Kita-Schließungen während der Pandemie haben Familien vor große Herausforderungen gestellt Foto: Friso Gentsch/dpa

BERLIN taz | Der Deutsche Caritasverband fordert eine konstruktive und kritische Corona-Aufarbeitung. Ein öffentlicher Wettstreit, wer die meisten Fehler findet, helfe dabei nicht, hieß es vom katholischen Wohlfahrtsverband. Vielmehr rät Caritas-Präsidentin Eva Maria Welskop-Deffaa mit Rückblick auf die Pandemie auch die Stärken, die sich aus der Arbeit in der Praxis entwickelt haben, in den Blick zu nehmen. Die Coronazeit sei eine „unglaublich tiefgreifende Zäsur“ gewesen, so Welskop-Deffaa, am Mittwoch. Es sei deswegen nicht überraschend, dass jetzt die Frage gestellt wird, wie man daraus lernen kann.

Die öffentliche Debatte über eine Aufarbeitung der Pandemie hatte zuletzt wieder Fahrt aufgenommen, nachdem teilweise geschwärzte Protokolle des Krisenstabs des Robert Koch Instituts (RKI) öffentlich wurden. Einer Enquete-Kommission, wie sie beispielsweise aus den Reihen der FDP gefordert wird, steht Welskop-Deffaa grundsätzlich offen gegenüber. Es wäre aber fatal, wenn eine solche Kommission nur mit Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern besetzt werde. „Die Gesamtverantwortung und Gesamtbewältigung verdankte sich in der Krise dem Zusammenspiel von Wissenschaft und Praxis“, betonte sie. Der Verband fordert daher eine Einbindung von Stimmen aus der Praxis von Anfang und nicht nur selektiv durch Anhörungen.

Kinder und Jugendliche aus dem Blick geraten

Derweil sind die Folgen der Pandemie in den sozialen Einrichtungen auch heute noch immer zu spüren. Die Caritas berichtet von höheren Krankenständen und extremer Erschöpfung beim Personal. Gundekar Fürsich, Geschäftsführer der Caritas Trägergesellschaft St. Elisabeth in Erfurt, beobachtet eine Verschärfung des Pflegearbeitsmarkts durch die Pandemie. „Einige Beschäftigte haben nicht nur die Caritas, sondern den Pflegebereich insgesamt verlassen“, so Fürsich.

Besonders die Belange von Kindern und Jugendlichen sind laut der Caritas während der Pandemie zu sehr aus dem Blick geraten. Psychische Probleme hätten sich in dieser Gruppe verdoppelt, heißt es. Besonders Homeschooling und Kita- und Schulschließungen haben laut Verband eine Belastung dargestellt. „Selbst Familien, die sonst gut aufgestellt sind, ein gutes Netzwerk und ausreichend Ressourcen haben, sind an ihre Grenzen gekommen“, so Monika Kießig, Einrichtungsleitung des Kinder- und Jugendhauses St. Josef in Berlin-Neukölln. Für diejenigen, die diese Ressourcen nicht hatten, sei die Situation umso schwieriger gewesen. Sie sprach von einer „ganzen Generation von Kindern, die vergessen wurden“. Wichtig für die Zukunft seien deshalb starke Netzwerke auch innerhalb von Einrichtungen, die in Krisenzeiten aktiviert werden können, so Kießig.

Keine Einsparungen im Sozialbereich

Insgesamt brauche es Pufferkapazitäten in den sozialen Einrichtungen und Diensten, um für zukünftige Krisen besser vorbereitet zu sein, betonte Caritas-Präsidentin Welskop-Deffaa. Es brauche eine nachhaltige, verlässliche soziale Infrastruktur, die nicht nur auf Kante genäht für den Normalfall reiche, sondern tatsächlich auch in Krisensituationen flexible Reaktionen ermögliche. Deshalb mahnt sie auch an, den Sozialbereich im Bundeshaushalt nicht zu kürzen.

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