Bewegungstermine in Berlin: Die Kriegskassen, sie klingeln

Der Antiimperialismus ist nicht tot, schon deshalb, weil der Imperialismus so quietschlebendig ist. Die militaristische Logik gehört weiter bekämpft.

Aktivisten demonstrieren Anfang September 2022 mit einem Banner "Kriegsprofiteure angreifen! Fluchtursachen bekämpfen heißt Rheinmetall bekämpfen" vor dem Firmengelände vom Rüstungsunternehmen Krauss-Maffei Wegmann. Das antimilitaristische Bündnis "Rheinmetall Entwaffnen" hatte zu einem Aktionstag aufgerufen.

An jedem Krieg, in jedem Land … Foto: dpa | Swen Pförtner

Der Begriff des Antiimperialismus hat heute faden Beigeschmack erhalten. Ihm haftet der Ruch von Steinzeitlinken an, welche die Welt durch eine Schubladenlogik betrachten, in der alle entweder Unterdrückte oder Unterdrücker sind, ohne Graustufen. Im Kern das Resultat eines verhärteten Antiamerikanismus, steht die Tradition unter dem Verdacht notorischer Falschabbiegerei, zum Beispiel wenn sich mit der aggressiven Expansionspolitik Putins oder dem islamistischen Gemetzel der Hamas solidarisiert wird.

Gleichwohl zeugt ja gerade Russlands Krieg in der Ukraine davon, wie lebendig der Imperialismus ist. Die grundlegende Tendenz bleibt, dass kapitalistische Staaten auf politische Macht und auch auf Gewalt setzen, um ihre Absatzmärkte zu sichern und zu erweitern. Statt der Situation einer bipolaren Systemkonkurrenz wie im Kalten Krieg und später einer unipolaren US-Weltmachtstellung können wir heute eine Situation beobachten, in der verschiedene kapitalistische Machtblöcke untereinander entlang vielfältiger ökonomischer, geopolitischer und ideologischer Konfliktlinien konkurrieren.

Das verkompliziert die Verhältnisse und macht alte pauschale Weisheiten teilweise redundant. Es ändert aber nichts an den grundsätzlichen Wechseldynamiken zwischen Aufrüstung und Neoliberalismus, Militarismus und einem sich nach Innen verschärfenden Autoritarismus. Die Kriege zwischen imperialen Machtblöcken bleiben ein patriarchaler und rassistischer Albtraum, der guten Nährboden für die Faschisten schafft, die die Sicherheitsbehörden ohnehin schon heute durchsetzen.

Kriegsindustrie verjagen

Tot kann der Antiimperialismus also gar nicht sein, schon weil der Imperialismus so quietschlebendig ist. Davon zeugt die Berlin Security Conference (BSC), die am Mittwoch und Donnerstag (29. – 30. 11.) zum 22. Mal in Berlin stattfindet. Als befänden wir uns in den Zeiten des Bismarck'schen Imperialismus, lassen hochrangige Militärs, die politische Führungsriege und Ver­tre­te­r:in­nen der Kriegsindustrie in einem Nobelhotel die Gläser klirren.

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Das Geschäft mit dem Sterben läuft schließlich gut. Im Kapitalismus ist jedes zerstörte Haus, je­de:r zer­fetz­te:r Sol­da­t:in und jeder ausgebrannte Panzer eine Vernichtung von Warenwerten, die schleunigst ersetzt gehören. An jedem Krieg in jedem Land verdient die Kriegsindustrie – auf beiden Seiten. So hat sich seit Russlands Überfall auf die Ukraine im Februar 2022 der Wert der Rheinmetall-Aktie verdreifacht, im ähnlichen Maße ist auch die Rendite angestiegen.

Ein Bündnis aus linksradikalen, antifaschistischen und antimilitaristischen Gruppen ruft dazu auf, sich der widerlichen Logik des Militarismus entgegenzustellen. Unter dem Motto „Keine Kriegskonferenz in unserer Stadt! Abrüsten statt Sozialabbau!“ wird am Mittwoch (29. 11.) um 18 Uhr eine Demonstration am Frankfurter Tor starten und von dort aus zur Landsberger Allee ziehen. Dort liegt das Hotel Vienna House by Wyndham Andel's, wo sich die Kriegstreiber treffen werden.

Militarismus im Innern

Aufgerüstet werden soll in Deutschland aber auch im Innern. Die rot-schwarze Landesregierung Berlins etwa – anders als noch Rot-Grün-Rot davor – setzt in der sich zuspitzenden sozialen Lage auf mehr Befugnisse für die Polizei, also auf Repression. Auf dem Wunschzettel der Law-and-Order-Fanatiker:innen stehen zum Beispiel mehr Taser, Bodycams und Videoüberwachung sowie eine Ausweitung der Möglichkeit für Präventivgewahrsam von zwei auf fünf Tage.

Trotz umfassender Kritik scheint Innensenatorin Iris Spranger (SPD) entschlossen, das Gesetz durchzuboxen. Die Frage stellt sich deshalb: „Was wollen wir gegen die CDU/SPD-Innenpolitik tun?“ Unter diesem Titel findet am Donnerstag (30. 11., 19 Uhr) im Haus der Demokratie und Menschenrechte eine Podiumsdiskussion statt. Eingeladen sind der Juraprofessor Hartmut Aden, die Aktivisten im “Bündnis für soziale Sicherheit #noASOG“ David Kiefer (auch bei Wrangelkiez United!) und Ali Mehrens sowie der Linken-Innenpolitiker Niklas Schrader.

Natürlich – darum wird es auch in der Diskussion gehen – sind nur soziale Ansätze tatsächlich in der Lage, soziale Probleme zu lösen. Doch das können Menschen, die in der imperialistischen Logik gefangen sind, nicht verstehen. Denn die imperialistische Idee, neue Absatzmärkte durch politische Macht herzustellen, ist verbunden mit dem neoliberalen Gedankengut, also der Unterwerfung immer weiterer Gesellschaftsbereiche unter das Diktat des Kapitals. Wer Waffen kaufen will, muss schließlich woanders einsparen, vorzugsweise im Sozialbereich.

No nations, no borders

Welche Auswirkungen der Neoliberalismus zum Beispiel auf die soziale Arbeit hat, darum geht es bei einer Lesung und Diskussion mit Mechthild Seithe, die am Donnerstag (30. 11.) um 19 Uhr in der Bibliothek am Luisenbad (Badstraße 39) stattfindet. Die ehemalige Professorin an der Uni Jena ist seit vielen Jahren eine Aktivistin für die Arbeitsbedingungen in der sozialen Arbeit und hat unter anderem das “Schwarzbuch Soziale Arbeit“ verfasst. Auf der vom Solidaritätstreff für Beschäftigte der sozialen Arbeit organisierten Veranstaltung wird sie aus ihrem unveröffentlichten Buch „Das war gestern, Ackermann!“ lesen.

Dass der Imperialismus untrennbar mit dem Kapitalismus zusammenhängt, macht sich auch an Europas Außengrenzen bemerkbar. Mit den Militärtechnologien des imperialistischen Komplexes wird hier versucht, den Zustrom von gewünschtem und ungewünschtem Humankapital zu steuern. Flugzeuge und Drohnen, Satelliten- und Sensortechnik, umfassende Datenanalysen – all dies dient Frontex und Co. zur Aufspürung und Abwehrung von ungewollten Menschen.

Doch mit der Technik ist es ja oft so, dass sie auf gute und auf schlechte Weisen genutzt werden kann. Eine Veranstaltung von verschiedenen mit Geflüchteten solidarischen Organisationen will deshalb darüber informieren, wie die Tools der Unterdrücker auch dafür genutzt werden können, Menschenrechtsverletzungen wie Pushbacks vor Gericht zu bringen und die Seenotrettung effektiver zu gestalten. Die Veranstaltung findet auf Englisch statt. (Freitag, 1. 12., 19 Uhr, Südblock am Kottbusser Tor, Skalitzer Straße 6).

Internationale Solidarität

Wenn die Regierungen aufrüsten und immer autoritärer werden, ist es umso wichtiger, dass die Menschen überall zusammenstehen. Das bedeutet auch, zusammenzuhalten, wenn kapitalistische Staaten kooperieren, um unliebsame politische Ak­ti­vis­t:in­nen loszuwerden.

Deutschland beispielsweise verfolgt mit großem Eifer türkische Kommunist:innen. Seit Mitte Juni finden am Oberlandesgericht Düsseldorf drei Prozesse gegen Özgül Emre, İhsan Cibelik und Serkan Küpeli statt, die der „Mitgliedschaft in einer ausländischen terroristischen Vereinigung“ (§129b) verdächtigt werden. Die drei sollen führende Mit­glie­der:in­nen der Revolutionären Volksbefreiungspartei-Front DHKP-C sein, die auch Attentate gegen den türkischen Staat verübt hat und von der BRD als Terrororganisation eingestuft wird.

Doch Emre, Cibelik und Küpeli werden keine Gewalttaten vorgeworfen. Paragraf 129b erlaubt es, harmlose Aktivitäten wie das Sammeln von Spenden oder das Organisieren von Konzerten zu kriminalisieren. Um gegen diese Ungerechtigkeit zu protestieren, befinden sich mehrere türkische Ak­ti­vis­t:in­nen teils seit vielen Monaten im Hungerstreik. Um internationale Solidarität und einen konsequenten Antiimperialismus praktisch werden zu lassen, lohnt es sich, zur Demo am Samstag (2. 12.) zu erscheinen, die um 14 Uhr vor dem Bundesjustizministerium startet.

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