Bewegungstermine in Berlin: Heraus zum 8. März!

Das Patriarchat hat viele Facetten – deshalb muss auch der Feminismus vielfältig sein. Am 8. März dürfte in Berlin für je­de:n eine Demo dabei sein.

Unter dem Motto Internationaler Frauentag 8. März demonstrieren ca. 5.000 Demonstrierende am 8.3.2023 in Friedrichshain. Auf dem Fronttransparent steht "Class Struggle is Feminist Struggle".

Feminismus ist Klassenkampf ist Antifaschismus ist Internationalismus Foto: imago / A. Friedrichs

Der feministische Kampftag am 8. März bleibt leider bitter nötig. Der Tag, der ursprünglich aus der kommunistischen Ar­bei­te­r:in­nen­be­we­gung stammt, richtet sich schon längst nicht mehr ausschließlich gegen die ökonomische Unterdrückung von Flinta* – obwohl diese gravierend bleibt. Noch immer wird Care-Arbeit systematisch abgewertet, noch immer erhalten Frauen* weniger Gehalt und Rente, noch immer verrichten sie einen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit.

Doch der Kampf gegen das Patriarchat, er ist noch viel, viel mehr: Es ist ein Kampf gegen die alltägliche männliche Gewalt, die sich in Femiziden entlädt. Es ist ein Kampf gegen den Faschismus, der droht, Frauen wieder zu Gebährmaschinen für die völkische Kriegsmaschinerie zu degradieren. Es ist ein Kampf für einen widerständigen Feminismus, der sich auch gegen die Aneignung dieses Tages durch das Kapital und den Feminismus™ zur Wehr zu setzt, der will, dass #Girlbosse plötzlich die gleiche Scheiße betreiben wie die Männer.

Es ist ein Tag, der sich gegen den weißen, neoliberalen Feminismus zur Wehr setzt, der schon viel zu oft als Unterdrückungsinstrument von People of Color im Globalen Süden (im Namen des Fortschritts) hergehalten hat. Es ist ein Tag, der sich gegen reaktionäre Ideologien jeder Art richtet – auch wenn sie aus dem Globalen Süden stammen. Da sich die patriarchale Gewalt in so vielfältigen Formen äußert, muss auch der Widerstand divers sein. Wie in jedem Jahr bilden in Berlin eine Großzahl an Demos und Veranstaltungen diese Vielfältigkeit ab.

Demos schon am Vorabend

Schon am Abend des 7. März wollen die IL Berlin, Deutsche Wohnen & Co enteignen und das Netzwerk gegen Femizide unter dem Motto „Patriarchat enteignen!“ auf die Verknüpfung von Femiziden mit der Wohnungsfrage aufmerksam machen. Denn häufig geschehen Femizide, weil Betroffene schlicht nicht die Möglichkeit eines Wohnungswechsels haben. Laut der Frauenhauskoordinierung fehlen deutschlandweit 14.000 Frauenhausplätze. An durchschnittlich 303 Tagen im Jahr melden Frauenhäuser einen Aufnahmestopp an. Dagegen könnte helfen: die Vergesellschaftung von Wohnraum (Donnerstag, 7. 3., Rosa-Luxemburg-Platz, 17 Uhr).

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Zeitgleich organisiert der Jugendclub Keimzelle eine Demonstration, die „Ratte“ gedenkt, einem Straßenkind, das im Alter von nur 17 Jahren am 7. Mai 2023 verstorben ist. Auf dem Blog des Jugendclubs ist eine bewegende Erinnerung an Ratte zu finden. Auf der Demonstration wollen Freun­d:in­nen Ratte gedenken – und am Vorabend des 8. März auf die Situation von Frauen und Queers auf der Straße hinweisen (Donnerstag, 7. 3., S-Bahnhof Warschauer Straße, 17 Uhr).

Im Wedding findet auch eine kinderfreundliche Krawalldemo statt. Das Stadtteilkomitee Wedding hat sich die Kochtopfdemos aus Chile zum Vorbild genommen – und ruft deshalb auf, gegen Ausbeutung und für körperliche Selbstbestimmung laut zu werden. Klein und Groß sind willkommen, um eine wahrlich solidarische Gesellschaft der Fürsorge zu erkämpfen (Donnerstag, 7. 3., Elise-und-Otto-Hampel-Platz, 17 Uhr)

Demos am 8. März

Am 8. März rufen die DGB-Gewerkschaften und das Bündnis für sexuelle Selbstbestimmung unter dem Motto „Feministisch, solidarisch, gewerkschaftlich“ zur großen DGB-Demo um 11:30 Uhr am Oranienplatz in Kreuzberg auf. Denn die Gleichberechtigung ist noch lange nicht erreicht. Zu Recht wird im Aufruf kritisiert, dass Frauen 18 Prozent weniger als Männer verdienen, aber einen Großteil der unbezahlten Sorgearbeit übernehmen. Am Ende des Erwerbslebens erhalten Frauen ein Drittel weniger Rente als Männer – und sind allgemein viel häufiger Opfer sexueller Gewalt.

Ein klassenkämpferischer Block findet sich beim Banner „Schlechte Arbeitsbedingungen, niedrige Löhne, Armut und Unterdrückung – Nicht mit uns!“ des Solidaritätsbündnisses Soziale Arbeit zusammen. Ein Schwerpunkt werden hier die drohenden Kürzungen in der Sozialen Arbeit sein – die nach wie vor zu 70 Prozent von Frauen* geleistet wird. Dass neoliberale Po­li­ti­ke­r:in­nen hier als erstes den Rotstift ansetzen, ist eine patriarchale Abwertung, gegen die es nur ein Gegenmittel gibt: Klassenkampf.

Gegen den reaktionären Rollback ruft unter anderem das Bündnis Reclaim Club Culture zwischen 12 und 14 Uhr unter dem Motto „Love Feminism, Hate AfD“ zur Landesgeschäftsstelle der Partei an der Kurfürstenstraße 79. Denn wenig bedroht queerfeministische Errungenschaften so real wie der voranschreitende Rechtsruck. In der völkischen „Volksgemeinschaft“ sind Frauen schließlich nur zum Kinderkriegen da, geschlechtlicher und sexueller Vielfalt wird die Existenzberechtigung abgesprochen. Gegen diese Horrorvision hilft nur ein offensiver, antifaschistischer Feminismus.

Wie hältst Du's mit Palästina, Genossin?

Die traditionell revolutionär-internationalistische Demonstration wird von der Alliance of Internationalist Feminists veranstaltet. Um 14 Uhr startet der Protestzug unter dem Motto „Down With Imperialist Feminism“ an der Straße Unter den Linden 21. Der imperialistische Feminismus sei immer schon das “‚unschuldige‘ Gesicht der kolonialen Gewalt“ gewesen, heißt es im Aufruf. Dort wird auch eine Doppelmoral jener Fe­mi­nis­t:in­nen kritisiert, die sich gegen Faschismus aussprechen, gleichzeitig aber die „völkermörderischen Aktionen des faschistischen israelischen Regimes“ in Gaza verteidigten.

Damit erhält der Nahostkonflikt Einzug in die feministischen Proteste am 8. März. Wohl als Gegenveranstaltung zum internationalistischen Protest hat sich das Bündnis „feminism unlimited“ gebildet, deren Demo um 15 Uhr am Helsingforser Platz am S-Bahnhof Warschauer Straße startet. Kritisiert wird der Antisemitismus linker Strukturen, der zunehmende Einfluss autoritärer Gruppen und eine Blindheit gegenüber der reaktionären Ideologie des Islamismus, die sich in den Relativierungen der Hamas-Massaker gezeigt habe. Es gelte deshalb, für einen universellen Feminismus auf die Straße zu gehen – bei dem Jü­d:in­nen nicht unter den Tisch fallen.

Am Abend findet dann die kämpferische „Fight By Night“-Demonstration statt. Auch in diesem Jahr wird es auf der autonomen queerfeministischen Demonstration einen All-Gender Block geben, der Fontblock ist für Flin­ta*s reserviert. Es wird darum gebeten, sich in Bezugsgruppen zu organisieren und keine Handys mitzunehmen. Los geht es um 18 Uhr an der Admiralbrücke am Planufer in Kreuzberg.

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