Bürgerkrieg in Kolumbien: Petros peinliches Vorpreschen

Auch wenn der Präsident ihn bereits verkündet hatte, lässt der Waffenstillstand in Kolumbien auf sich warten. Die ELN will vorerst verhandeln.

Portrait

Der kolumbianische Präsident Gustavo Petro im Dezember Foto: Sebastian Barros/imago

Die Nachricht, die Präsident Gustavo Petro in den letzten Minuten des alten Jahres auf Twitter verkündete, klang wie ein Traum für die Menschen im gewaltgebeutelten Kolumbien: Fünf große bewaffnete Gruppen und die Regierung würden mindestens bis zum 30. Juni die Waffen niederlegen. Drei Tage nach der Jubelbotschaft sah es schon anders aus, wie die Regierung zugeben musste.

Die ELN-Guerilla (Nationale Befreiungsarmee) hatte recht mit ihrer Mitteilung kurz nach Neujahr. Sie hatte nie einem Waffenstillstand zugestimmt, sondern nur die Absicht geäußert, bei den mit ihr laufenden Friedensgesprächen darüber zu reden. Die ganze Angelegenheit ist hochgradig peinlich und gefährlich – nicht nur für Petro und seine Regierung.

Dass der Präsident erneut auf Twitter vorprescht, sein Innenminister ein paar Tage später öffentlich korrigieren und das von der Regierung vorbereitete Dekret zum Waffenstillstand mit der ELN-Guerilla kassieren muss – peinlich. Dass Polizei und Armee noch Tage später sagten, keinen Befehl zum Waffenstillstand bekommen zu haben und daher weiter wie bisher zu verfahren – peinlich.

Peinlich ist aber auch, dass die internationalen Garanten und BegleiterInnen der Friedensgespräche mit der ELN offensichtlich geschlafen haben, statt zu kontrollieren. Dazu gehören unter anderem auch Deutschland, die Kirche und vor allem die Vereinten Nationen. Deren Generalsekretär António Guterres hatte an Neujahr den verkündeten Waffenstillstand sogar „positiv aufgenommen“.

Miserable Kommunikation

Präsident Petro hat als Hauptziel seiner Regierung den „totalen Frieden“ ausgerufen und dafür Verhandlungen mit allen verbliebenen bewaffneten Gruppen angekündigt. Wenn das so weitergeht, droht aber das totale Chaos. Die Regierung muss besser mit allen Beteiligten kommunizieren und koordinieren– und mit öffentlichen Äußerungen warten. Sonst sind die fragilen Friedensgespräche in Gefahr, das Vertrauen in die Regierung und letztlich die Sicherheit der Zivilbevölkerung.

Die nationalen und internationalen Garanten und Beobachter müssen künftig wirklich prüfen, dass alles korrekt abläuft. Akut nötig ist aber, dass sich die vier anderen bewaffneten Gruppen endlich klar äußern, die die Regierung in ihrer Jubelbotschaft erwähnt hatte. Das sind die beiden Post-Farc-Dissidentengruppen „Segunda Marquetalia“ und „Estado Mayor Central“, der Golf-Clan und die Autodefensas de la Sierra Nevada.

Die wegen der ELN-Blamage auf einmal offene Frage ist: Haben sie wenigstens dem Waffenstillstand tatsächlich zugestimmt? Dann können die separaten Verhandlungen mit ihnen während des Waffenstillstands wie geplant erfolgen. Sollten auch sie nicht zugestimmt haben, hat die Regierung ein massives Glaubwürdigkeitsproblem.

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stammt aus dem Bayerischen Wald und berichtet seit 2017 überwiegend aus Kolumbien. Sie ist Mitglied des Reporterinnen-Teams von #tazFolgtDemWasser und Mitgründerin des Magazins „Südamerika+Reporterinnen“ auf der genossenschaftlichen Journalismus-Plattform-„RiffReporter“.

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