Clubs in Berlin: A 100 wegbassen

Die Clubs haben einen neuen Gegner. Sollte der 17. Abschnitt der Autobahn 100 wirklich gebaut werden, müssten viele Kulturorte rund um das Ostkreuz weichen.

Eine Trauerweide steht vor einem einstöckigen, einfachen Gebäude, Graffiti und bewachsene Steinplatten

Das neue Gelände des Club „Zukunft am Ostkreuz“ Foto: Fabian Sommer/picture alliance

Leer und traurig sieht es aus. Auf dem Boden gammelt ein Pappschild vor sich hin, das von vergeblichen Kämpfen gegen die Schließung zeugt und auf dem steht: „Zukunft am Ostkreuz muss bleiben!“ So wie hier könnte es bald überall in der Umgebung aussehen. Das ist die Message einer Pressetour, zu der die Berliner Clubcommission unlängst geladen hatte, und die auch in die Räumlichkeiten der Kulturstätte „Zukunft“ am Ostkreuz führt, die eben erst schließen musste.

Dabei musste die „Zukunft“ gar nicht mal dem unheimlichen Gegner weichen, gegen den die Clubcommission aktuell mobilisiert, sondern wurde bloß Opfer der üblichen Interessen des Eigentümers des Grundstücks, auf dem sie sich niedergelassen hatte. Am Ende konnte sie sogar gerettet werden und hat ein paar hundert Meter weiter eine neue Bleibe gefunden. Allerdings ausgerechnet dort, wo ihr dasselbe noch einmal passieren könnte wie eben, nämlich inmitten des 17. Abschnitts der Autobahn A 100.

Der ist nun der neue Hauptfeind der „Zukunft“, und wenn mit dessen Bau tatsächlich begonnen werden sollte, müsste auch die neue „Zukunft“ wieder verschwinden. Und, so gibt die Clubcommission an, gleich um die 20 weitere Clubs und Kulturorte, die sich rund um das Ostkreuz angesiedelt haben, mit dazu.

Dass der Weiterbau der A 100 drohen könnte, ist schon lange bekannt. Eli vom Kollektiv des ebenfalls bedrohten Clubs About Blank, die im Rahmen der Pressetour Fragen beantwortet, sagt, als man vor 13 Jahren einen Mietvertrag unterschrieb, kam in diesen bereits eine Sonderkündigungsklausel, die besagt: Wird die A 100 verlängert, müsst ihr weg.

Protestrave Den Anfang macht „A100 wegbassen“ am Wochenende. Samstag, 2. September, 14 bis 22 Uhr. Ort: Markgrafendamm.

Suppe & Mucke Am nächsten Wochenende geht es weiter mit den Aktionswochen „Spektakel auf der Autobahn“. Anlass genug, das jährlich stattfindende Straßenfest dieses Mal auf den Vorhalteflächen der A100 zu veranstalten. Zum Fest selbst gibt es nicht viel zu sagen, der Name ist Programm. Samstag, 9. September, 14 bis 22 Uhr. Ort: Alt-Stralau 68.

Offenes Plenum Wer sich außer tanzen gegen die A100 engagieren will, ist zum Plenum der Bürgerinitiative A100 eingeladen. Mittwoch, 13. September, 20 Uhr. Ort: Alt-Straulau 68.

Flohmarkt Tischgebühr auf Spendenbasis. Sonntag, 10. September & 17. September, 13 bis 17 Uhr. Ort: Alt-Stralau 68.

Circus Charivari Das Zirkuskollektiv präsentiert seine neue Show auf der Vorhaltefläche. Mischung aus Zirkus, Schattentheater, Klang und Tanz. Donnerstag, 21. September & Freitag, 22. September, 19 Uhr. Ort: Alt-Stralau 68.

www.spektakel.zirkus-zack.de

Der Weiterbau schleppte sich

Lange wurde immer eher vereinzelt und temporär gemurrt über diese Bedrohung. Der Weiterbau schleppte sich so hin, und der rot-rot-grüne Senat, der bis vor Kurzem noch das Sagen in Berlin hatte, sprach sich gegen ihn aus.

Doch jetzt drängt die Zeit vielleicht doch. Im nächsten Jahr soll der Bau des 16. Abschnitts der A100 fertig gestellt sein, die Vorbereitungen für den Bau des 17. laufen bereits. Und den aktuellen Berliner Senat führt nun mit der CDU eine Partei an, die sich klar für diesen ausspricht. Dazu kommt noch, dass das eigentliche Sagen in der ganzen Angelegenheit sowieso der Bundesverkehrsminister Volker Wissing von der FDP hat. Und der hat ja fast schon ein libidinöses Verhältnis zu Autobahnen und hält bislang auch eisern an den Plänen für die A 100 fest.

Und so kommt es nun dazu, dass an diesem Samstag endlich eine wirklich große Demo gegen genau diese statt finden wird, bei der bis zu 20.000 Teilnehmende erwartet werden. Die Club- und Kulturszene schließt sich dafür mit der Umweltbewegung zusammen, mit Fridays für Future und Co. So kann noch besser vermittelt werden, wie befremdlich es nicht nur ist, eine gewachsene Kulturlandschaft am Ostkreuz Straßenasphalt zu opfern, sondern wie wenig sich das auch mit den Idealen von Umweltschutz und Nachhaltigkeit verträgt.

Raver und Klimakleber vereint, die A 100 hat ziemlich sicher Symbolkraft genug, dass sich im Widerstand gegen diese eine richtig starke neue Berliner Protestbewegung entwickeln könnte. Die nächsten Aktionen, ein „Spektakel auf der Autobahn“, bei dem vom 9. bis zum 24. September eine Brache am Ostkreuz bespielt werden soll, ist bereits geplant.

Die Zeit wäre wohl reif für eine große Stoppt-die-A-100-Bewegung. Damit sich in der Sache endlich mal wirklich etwas bewegt und nicht jeder weitere Meter der A100 und jede weitere Probebohrung für den Abschnitt 17 irgendwann einfach Tatsachen schaffen. Auch der rot-rot-grüne Senat hat ja letztlich nicht viel mehr getan, als Bekenntnisse abzusondern, anstatt mal klar gegen den Bund zu opponieren. Und der neue hält weitgehend die Füße still und versucht das Problem stillzuschweigen.

Unlösbarer Streitpunkt

Im Koalitionsvertrag von CDU und SPD wurde die Thematik ausgespart, weil sie als bislang unlösbarer Streitpunkt gilt. Die CDU will den Weiterbau, die SPD tendenziell nicht. Auch Tamara Lüdke, die Clubkultur-Sprecherin der SPD, ist da ganz klar. Von Joe Chialo, dem immer noch halbwegs neuen Kultursenator von der CDU, hört man dagegen dazu kaum etwas. Außer, dass er einmal meinte, er könne sich mit dem Plan seiner Partei anfreunden, die A 100 zu untertunneln und darüber weiter Kulturorte ansiedeln zu lassen. „Klimaautobahn“ würde sich das dann nennen, ganz so, als wäre der Begriff kein Oxymoron.

Die Clubcommission und Tamara Lüdke von der SPD halten das für eine Schnapsidee. Die Clubs etwa müssten wegen der Bauarbeiten dennoch wohl für Jahre schließen, auf andere Standorte ausweichen oder wären nur bedingt bespielbar. Christian Goiny, der Clubbeauftragte der CDU, hält im Gespräch mit der taz dagegen und sagt: „Standorte zu wechseln ist möglich, Clubs sind in Berlin immer wieder umgezogen, beispielsweise das Yaaam, und es gibt sie immer noch.“

Man wolle „Zwischenlösungen“ für die Clubs finden, diese unterstützen und sei „klar dafür, dass sie erhalten bleiben,“ sagt Goiny. Er weist auch darauf hin, dass es die Kulturorte rund um das Ostkreuz letztlich nur gebe wegen den Planungen für die A 100. Als Zwischennutzer. „Das glaubt doch niemand, dass die ohne diese Pläne heute noch da wären.“ Würde die Autobahn nun nicht weiter gebaut werden, sagt er, würden rund um die Clubs ganz schnell Wohnungen entstehen, „und das ist für Clubkultur tödlich“.

Goinys Fazit: „Keine A 100 bedeutet für die Clubs auch keine Rettung.“

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