Die CDU in Thüringen: Das Kooperationsverbot kippen

Zur Deutschlandkoalition wird es in Thüringen kaum reichen. Denkbar wäre eine Minderheitsregierung aus CDU, SPD und FDP mit Tolerierung der Linken.

CDU-Politiker Mario Voigt im Landtag von Thüringen.

Steckt in einer Lose-lose-Situation: Thüringens CDU-Chef Mario Voigt Foto: Martin Schutt/dpa

In der Haut von Mario Voigt möchte man nicht stecken. Der Chef der Thüringer CDU ist in einer Lose-lose-Situation. Versucht er mit der rot-rot-grünen Minderheitsregierung Lösungen zu finden, verwässert er sein Profil weiter. Probiert er im Landtag eigene Akzente zu setzen, hat er schnell die AfD mit im Boot. Dass er gerade mit der rechtsextremen Höcke-Truppe vorsätzlich gemeinsame Sache gemacht hat und offensichtlich bereit ist, dies wieder zu tun, ist trotz dieser Zwangslage ein gefährlicher Fehler.

Von dem Manöver, bei dem es wohl weniger um die Grunderwerbsteuer denn um Machtfragen geht, profitiert aus vielen Gründen vor allem die AfD. So durchlaufen die Partei und ihre Positionen einen Prozess der Normalisierung. Wozu das führt, belegt eine aktuelle Studie: Die Anzahl der Menschen, die rechtsextremen Positionen zuneigen, nimmt deutlich zu. Die CDU aber sollte schon aus Selbsterhaltungstrieb nicht mit dem Feuer spielen.

Ein erklärtes Ziel der AfD ist die Zerstörung der Christdemokratie – so wie in anderen europäischen Ländern. Als wäre das nicht schon schlimm genug, bleibt der Aufschrei aus der Bundespartei aus. Die Kritik von Ministerpräsident Daniel Günther ist zwar keine „Einzelmeinung“, wie Parteichef Friedrich Merz glauben machen will. Aber breiter Widerspruch von der Spitze der Partei war eben auch nicht zu vernehmen.

Das kann daran liegen, dass man kurz vor den anstehenden Landtagswahlen weder die Debatte anheizen noch Merz erneut Kontra geben will. Was es allerdings nicht besser macht. Erst als der Historiker Andreas Rödder, der von Merz zum Vorsitzenden der CDU-Grundwertekommission berufen wurde, Minderheitsregierungen in Spiel brachte, auch wenn diese von der AfD abhängig sind, regte sich Widerspruch. Eine Grenzverschiebung nach rechts – schon wieder.

Die CDU muss diese Entwicklung beenden. Merz aber will oder kann es nicht. In Thüringen würde Voigt nach der Landtagswahl im kommenden Jahr gern eine ­Koalition mit SPD und FDP anführen, so wie Reiner Haseloff in Sachsen-Anhalt. Die allerdings ist laut Umfragen noch weiter als Rot-Rot-Grün von einer eigenen Mehrheit entfernt. Will er regieren, wird sich Voigt für die AfD oder die Linke entscheiden müssen.

Also für Höcke, den man Faschist nennen darf, oder Bodo Ramelow, der fast ein So­zial­demokrat ist. Es ist höchste Zeit, dass die CDU sich dies eingesteht und das Kooperationsverbot mit der Linkspartei kippt. Die allerdings könnte nach der Landtagswahl auch vor einer Herausforderung stehen. Eine Möglichkeit, die AfD außen vor zu halten, wäre eine Minderheitsregierung aus CDU, SPD und FDP – mit Tolerierung der Linken. Aus Verantwortung für die Demokratie, wie Letztere der CDU derzeit predigt.

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Jahrgang 1966, Politikwissenschaftlerin und Journalistin. Seit 1998 bei der taz - in der Berlin-Redaktion, im Inland, in der Chefredaktion, jetzt als innenpolitische Korrespondentin. Inhaltliche Schwerpunkte: Union und Kanzleramt, Rechtspopulismus und die AfD, Islamismus, Terrorismus und Innere Sicherheit, Migration und Flüchtlingspolitik.

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