Die Wahrheit: Brühe, du Elixier des Herrn!

Zum Auftakt der Wahrheit-Sommerserie „Wahre Wunder“ (1): Eine alles andere als fade Ode an die Flüssigkeit aller Flüssigkeiten.

Ein Teller mit Brühe, hier Leberknödelsuppe

Foto: Bernd Jürgens/imago

Was hilft gegen Fußpilz und schmeckt nach Hefe? Was ist gekörnt und samtig zugleich? Was duftet wie Umami und Salz und trübt das Wasser mit goldgelbem Glanz? Ein Strudel aus Glück im warmen Sud aus Karotten, Zwiebeln und Glutamat? Nun ist es klar: Brühe, du Wunderelixir!

Einst von Gott erschaffen und aus dem Himmel herniedergeschickt, auf dass wir uns daran laben. Gemüsebrühe! Schon Jesus wusste, Wasser zu Wein ist fein, aber Wasser zu Brühe, und das ohne Mühe, es muss ein Wunder sein!

So gab er den Jüngern statt blutigem Wein ein Tässchen Brühe und sagte: „Trinkt das, und das Himmelreich wird euer sein.“ Und in der Bibel steht geschrieben: „Du sollst nicht begehren deines nächsten Brühe, so wie auch er nicht falsch Zeugnis redet wider deine Zutatenliste!“

Doch dies war einst in grauer Vorzeit. Wo steht die Brühe heute in der digitalisierten Welt? Am Rande! Es ist ein Trauerspiel, die Brühe wird verkannt. Dabei hat sie nichts von ihrer wundertätigen Wirkung eingebüßt. Einen gehäuften Teelöffel Instantbrühe vor dem Schlafen­gehen auf die geschlossenen Augenlider geben und am nächsten Morgen werdet ihr die Welt mit ganz anderen Augen sehen. Klar wie Kloßbrühe, Freunde!

Ein Aufguss mit Brühe in der Sauna hingegen belebt Geist und Körper auf ungeahnte Weise. Inhaliert den würzigen Duft, während euer Leib langsam durchgart und ihr selbst immer schmackhafter werdet. Wer macht die Blinden ­sehen, die Lahmen gehen, die Geschmacklosen zu Königen? Brühe – heilende Hand des Heilands im braunen Glas mit Schraubverschluss.

Lustige Zeichnung von Rattelschneck zur Serie Wahre Wunder: Aus einer Kuckucksuhr kommt eine Socke raus

Illustration: Rattelschneck

Die Brühe aber hat es nicht leicht: In der heutigen schnelllebigen Zeit wird sie allzu oft mit anderen Flüssigkeiten verwechselt. Plörre oder Schlonz zum Beispiel, diesen Ausgeburten der Hölle, diesen Tränken des Satans, gebraut in den schwefligen Schlünden der Unterwelt. Verfallt ihnen nicht, sondern lobet die Brühe, den flüssigen Odem des Herrn. O Wunder, wir preisen dich!

Aber verlasst euch nicht nur auf Wunder, auch die Wissenschaft bestätigt: Nichts ist so erquicklich wie ein Tässchen Brühe. Studien der Schmacko-Universität im Auftrag von Dr. Oetker haben ergeben: Wer täglich sechs bis zwölf Tassen Brühe trinkt, lebt länger, glücklicher und zufriedener. Der Blutdruck sinkt, das Cholesterin verpufft und sogar Mundgeruch wird effektiv beseitigt. Stattdessen verströmten die Probanden den ganzen Tag einen würzigen Duft von Hefeextrakt aus ihren Mündern, der auf das andere Geschlecht sexuell anziehend wirkt.

86 Prozent der Studienteilnehmer hatten dank Brühe mehr Sex als zuvor, während die Vergleichsgruppe enthaltsam wie die Mönche mit kahlen Häuptern in den Ecken saß und weinte. Denn: Auch Haarausfall, Osteoporose und Depression gehören dank Brühe-Therapie der Vergangenheit an. Es ist nicht zu leugnen, wer Brühe trinkt, ist ein besserer Mensch.

Warum also sitzt die Brühe nicht unumstößlich auf ihrem Thron der Nahrungsmittel, warum ist sie nicht die ewige Königin im Reich der Gastronomie? Weil Blender und Neider, Missgünstige und Verleumder sie schlecht reden. Eine Schmutzkampagne läuft seit Jahren und Jahrzehnten und diffamiert die Brühe auf das Übelste. Zu viel Salz, zu viel Geschmacksverstärker, zu viel von allem! Es sind elende Kreaturen, die so etwas behaupten, niederträchtige Ketzer, die das Göttliche nicht einmal erkennen könnten, wenn es ihnen auf der Zunge zerginge.

Die Brühe ist ewiglich

Betreibt ruhig weiter eure dreckigen Ränkeschmieden, ihr werdet niemals siegen, denn die Brühe ist ewiglich. Möget ihr ersaufen in eurem gefilterten, keimfreien Wasser ohne Leben, möget ihr farblos und schal bleiben wie euer kalorienreduzierter Molkedrink! Nie werdet ihr das wahre Wunder erkennen. Und die Türen des Himmels werden euch abweisen, wenn ihr einst nach einem tristen Leben grau und kraftlos dahinscheidet, ohne einen Tropfen Brühe im Leib.

Oder ihr kehret um! Noch ist Zeit, sich zu besinnen. Folget dem Weg der Brühe, es wird ein goldener sein, gesäumt von Buchstabennudeln und gefriergetrockneten Kräutern. Was kann sich ein Mensch mehr wünschen, als seinem Leben Sinn zu geben? Und nie war das so einfach wie heute: Deckel auf und Löffel rein! Wählet euren Weg weise und lasset euch für immerdar gesagt sein, die Warnung gilt: Wer die Brühe nicht ehrt, ist der Brühe nicht wert!

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