Die Wahrheit: Golf auf der Stadtautobahn

Was ist schädlicher, ein Flugplatz oder eine Golfanlage? In Dublin hat man gleich beides direkt nebeneinander.

Merkwürdig. War das ein Golfball, der am Fenster des Flugzeugs bei der Landung in Dublin vorbeiflog? Meine Sitznachbarin hatte ihn auch gesehen. „Das war Absicht“, meinte sie. „Die Golfspieler benötigen Konzentration, wir fernreisenden Inselbewohner benötigen Flugzeuge.“

Das eine schließt das andere aus. Jedenfalls in Dublin. Vorigen August hat die Flughafengesellschaft nämlich eine 320 Millionen Euro teure Startbahn in Betrieb genommen. Sie verläuft parallel zum Forrest Little Golf Club, und deren Mitgliedern ist seitdem das Golfspiel verleidet.

„Man muss beim Spielen die Luft anhalten, um nicht die warmen Abgase von einem neben dir startenden Flugzeug einzuatmen“, meinte Martin Kelly vom Vorstand des Golfclubs. Der Ruf des Clubs sei ruiniert. Es heiße in Golfkreisen, man könne genauso gut auf der Stadtautobahn M50 spielen, sagt Kelly. Rund 100 Mitglieder seien bereits aus dem Verein ausgetreten. „Hinzu kommt die Gefahr, von einem verirrten Golfball niedergestreckt zu werden, weil die Warnrufe nicht zu hören sind.“ Im Flugzeug hört man sie erst recht nicht.

Alles werde gut, verspricht die Flughafengesellschaft. Die modernen Jets seien 30 Dezibel leiser als die alten Maschinen, und eine Einsparung von 10 Dezibel bedeute eine Halbierung des Lärms. Die neuen Flüsterjets höre man praktisch gar nicht. Allerdings werde es noch etwas dauern, bis die alten, lauten Maschinen eingemottet werden. Bis es soweit sei, können die Anwohner Beschwerdeformulare von der Webseite des Airports herunterladen.

23.431 Beschwerden

Ein Mensch hat davon ausgiebig Gebrauch gemacht. Er hat im vorigen Jahr 23.431 Beschwerden eingereicht. Das sind 64 Stück pro Tag. 90 Prozent aller Beschwerden. Er hat ganz alleine dafür gesorgt, dass sich die Beschwerden 2022 im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt haben. In diesem Jahr hat er auf 84 Beschwerden pro Tag zugelegt.

Er wohnt im Vorort Ongar. Der liegt 20 Kilometer vom Flughafen entfernt. Ongar ist erst zwischen 2001 und 2009 gebaut worden. Früher lag dort das gleichnamige Gestüt, das dem Hollywood-Star Rita Hayworth und ihrem Mann Prinz Aly Khan gehörte. Eine der Wohnsiedlungen heißt denn auch Hayworth.

Diese Wohnviertel seien „unerwartet überflogen“ worden, erklärte die Flughafengesellschaft. Damit konnte niemand rechnen. Offenbar sitzen in dem Laden lauter Trekkies, die glauben, dass man die Passagiere wie bei Star Trek von Bord beamen könne. Der fürs Beamen zuständige Scotty wird allerdings erst im Jahr 2222 in Schottland geboren, wo er eine Vorliebe für Dudelsäcke und Whisky entwickelt.

Bis dahin muss man sich also anders behelfen. Die Golfer haben anscheinend beschlossen, die Flugzeuge mit ihren Golfbällen abzuschießen. Aber warum ist niemand auf die naheliegende Lösung gekommen? Man könnte schließlich den Flughafen einfach überdachen.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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