Die Wahrheit: Teufelsmutter mit Hoden

Hatte Lenin wirklich sechs jungfräuliche Töchter, denen in Killiney, einem Vorort von Dublin, die Church of the Daughters of Léinín gewidmet ist?

Neulich habe ich mir die Vulva von Königin Maeve angesehen. Die 2,4 Quadratkilometer große Gemeinde – auf Irisch „Baile Phite Méabha“ – in der nordirischen Grafschaft Antrim hält nicht, was der Name verspricht: Der ulkige Ort besteht aus ein paar Bauernhäusern, grünen Wiesen und mehr Kühen als Menschen.

Der irische Schriftsteller Manchán Magan schreibt: „Wir sind umgeben von Ortsnamen, aber wir denken selten über sie nach. Jeder Ortsname ist ein kleines Periskop der Erkenntnis, ein Wissenskügelchen, das ausgepackt werden kann und überraschende Ergebnisse offenbart.“ Oder Fragen offenlässt: Warum zum Beispiel verlockt der heimische Dornenbusch von Skeheenaranky – auf Irisch „Sceichín an Rince“ – in Tippe­rary zum Tanzen, wie der Name andeutet?

Und hatte Lenin wirklich sechs jungfräuliche Töchter, denen in Killiney, einem Vorort von Dublin, die Church of the Daughters of Léinín gewidmet ist? Man rätselt, was in dem nord­irischen Dorf An Bréantar so übel riecht, dass es diesen Namen verdient. Er stammt nämlich von „bréine“ ab, dem Wort für Gestank oder Fäulnis.

Die Aufgabe, ungewöhnliche Ortsnamen zu entschlüsseln, obliegt einem kleinen Regierungsbüro, der Ortsnamenabteilung des Ministeriums für Kultur. Die Beamten haben mit Sicherheit jede Menge Spaß an ihrer Arbeit. Sie werden dafür bezahlt, die irischen Wurzeln von Muckanaghederdauhaulia in der Grafschaft Galway aufzuspüren: „Muiceanach idir Dhá Sháile“ ist ein schweinchenförmiger Hügel zwischen zwei Meeren.

Übersetzung ohne Wurzel

Die Beamten haben bereits 70.000 Gemeindenamen erfasst, mehr als 90 Prozent haben ihren Ursprung in der irischen Sprache, und eine beträchtliche Anzahl stammt aus der Zeit vor dem siebten Jahrhundert, sagt Magan. Wie aber übersetzt man offensichtlich englische Ortsnamen ins Irische, wenn es keine irische Wurzel gibt?

Die zweisprachige Beschilderung geht auf die Zeit vor der Teilung Irlands im Jahr 1921 zurück. Im irischen Alphabet fehlen die Buchstaben k, w, v, z und j. So wurde aus der Washington Street in Cork im Jahr 1918 die „Sráid Ḃashington“.

Die Waliser tragen auch schwer daran, englische Begriffe ins Walisische zu übertragen. In Swansea hängt an einem Tor ein Schild mit der Aufschrift: „Keine Einfahrt für Lastkraftwagen. Nur für Anwohner.“ Der zuständige Übersetzer war im Urlaub und hatte eine automatische Antwortmail eingerichtet. Die übernahm der sprachunkundige Schildermacher, so dass in Walisisch auf dem Schild jetzt steht: „Bin im Moment nicht im Büro. Bitte mailen Sie mir alle zu übersetzenden Arbeiten.“

In der irischen Grafschaft Mayo gibt es „Magairlí an Deamhain“, die „Hoden des Dämons“. Die puritanischen Engländer übersetzten es mit Devilsmother. Doch ist die Teufelsmutter mit Hoden auch nicht interessanter als Königin Maeves Vulva.

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Geboren 1954 in Berlin. 1976 bis 1977 Aufenthalt in Belfast als Deutschlehrer. 1984 nach 22 Semestern Studium an der Freien Universität Berlin Diplom als Wirtschaftspädagoge ohne Aussicht auf einen Job. Deshalb 1985 Umzug nach Dublin und erste Versuche als Irland-Korrespondent für die taz, zwei Jahre später auch für Großbritannien zuständig. Und dabei ist es bisher geblieben. Verfasser unzähliger Bücher und Reiseführer über Irland, England und Schottland. U.a.: „Irland. Tückische Insel“, „In Schlucken zwei Spechte“ (mit Harry Rowohlt), „Nichts gegen Iren“, „Der gläserne Trinker“, "Türzwerge schlägt man nicht", "Zocken mit Jesus" (alle Edition Tiamat), „Dublin Blues“ (Rotbuch), "Mein Irland" (Mare) etc. www.sotscheck.net

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kari

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