Drohende Entführung vietnamesischer Frau: Vietnam setzt Verfolgung fort

Vietnams Geheimdienst sucht eine nach Deutschland geflüchtete Geschäftsfrau. Das beschäftigt auch die vietnamesische Community hierzulande.

Vietnamesische Flaggen vor einem Gebäude.

Die Botschaft der Sozialistischen Republik Vietnam in Berlin Foto: Emmanuele Contini/imago

BERLIN taz | Das deutsche Auswärtige Amt äußert sich zur Sperre der taz-Webseite in Vietnam. „Wir beobachten jegliche Einschränkungen der Pressefreiheit weltweit mit großer Sorge und führen dazu regelmäßig Gespräche. Auch mit Vietnam“, sagte eine Ministeriumssprecherin der taz.

Anfang August erschien in der taz ein Artikel über die Verfolgung der nach Deutschland geflüchteten Außenhandelskauffrau Nguyễn Thị Thanh Nhàn. Danach haben Vietnams Zensoren die Webseite taz.de in ihrem Land gesperrt.

Gleichwohl ist die Flucht der Frau nach Deutschland und ihre drohende Entführung durch den vietnamesischen Geheimdienst ein wichtiges Thema unter VietnamesInnen in Deutschland. In den entsprechenden Gruppen auf Facebook wird darüber intensiv diskutiert. Die Gesuchte wurde in Abwesenheit durch ein vietnamesisches Gericht zu 30 Jahren Haft wegen Korruption im Ausschreibungsverfahren für Bau und Ausstattung eines Krankenhauses verurteilt.

Nun sucht Vietnam die geflohene Nguyễn Thị Thanh Nhàn mit Hochdruck. Nach taz-Informationen hält sie sich seit einigen Monaten in Deutschland auf. Auch ein Auslieferungsersuchen Vietnams erreichte Deutschland – das vom Bundesamt für Justiz abgelehnt wurde. Seit der Entführung von Trinh Xuan Thanh im Jahr 2017 werden Auslieferungen nach Vietnam grundsätzlich abgelehnt, heißt es in Regierungskreisen.

Keine Unterstützung

„Frau Nhàn ist schlau, Deutschland als Fluchtland zu wählen“, schreibt ein Mann auf Facebook. „Nhàn weiß, dass To Lam (der Sicherheitsminister Vietnams, Anmerkung der Redaktion) sich nicht zum zweiten Mal traut, von hier aus jemanden zu entführen.“ Ein anderer hat da Zweifel: „Selbst wenn Nhàn sich in Deutschland versteckt, ist sie nicht sicher. Vietnams Geheimdienst ist der beste der Welt“, schreibt er.

Eine eventuelle Entführung wird in den sozialen Medien wie auch in persönlichen Gesprächen fast rundum abgelehnt. Gerade ZuwanderInnen der ersten Generation fürchten als im Ausland lebende VietnamesInnen einen Imageverlust, sollte das Herkunftsland in Deutschland erneut eine kriminelle Handlung begehen.

Auch sei eine Entführung teuer: Die Entführung von Trinh Xuan Thanh 2017 hat den vietnamesischen Staat mutmaßlich zehn Millionen US-Dollar gekostet. „Nun gibt die Kommunistische Partei Vietnam zig Milliarden Steuergelder aus, um die Spur von Frau Nhàn in Deutschland aufzunehmen“, kritisiert eine Frau auf Facebook.

Es gibt aber auch Stimmen, die fordern, Deutschland solle Nhàn nach Vietnam ausliefern. So kritisiert beispielsweise eine Berliner Gastronomin die Kosten des Personenschutzes für die Geflohene in Deutschland: „Ich zahle eine Menge Steuern. Soll mein Geld wirklich dafür ausgegeben werden, diese Art von Kriminellen zu unterstützen?“ Damit fühle sie sich sehr unwohl. „Sie begehen das Verbrechen, Bestechungsgelder anzunehmen, fliehen dann nach Deutschland und werden hier gefördert, was völlig absurd ist.“

Aufenthaltsort unbekannt

Tatsächlich ist Korruption in Vietnam so weit verbreitet, dass man ohne Bestechungsgeld nicht einmal einen Pass oder einen lukrativen Ausbildungsplatz erhält. Schwer vorstellbar also, dass eine Firma den Zuschlag für ein Investitionsprojekt ohne finanzielle Leistungen an die regionalen Behörden bekommen hat. Aber: Solche Delikte werden in Vietnam meist nur bei Personen verfolgt, die aus politischen Gründen in Ungnade gefallen sind. Sonst gehört Korruption zum Alltag.

Wo genau in Deutschland sich Nguyễn Thị Thanh Nhàn befindet, teilt sie offenbar nur mit den deutschen Sicherheitsdiensten. Auf Facebook und in persönlichen Gesprächen hat die taz keinen Hinweis gefunden.

In Vietnams Medien werden auch diese Woche hohe Juristen zitiert, die erklären, die Verfolgung von Nguyễn Thị Thanh Nhàn und der mit ihr geflohenen Männer werde fortgesetzt. Auch Bemühungen um Einzug weiterer Vermögenswerte der Personen laufen weiter. Dass die taz berichtete, die Frau sei in Deutschland, die Bundesrepublik habe ein vietnamesisches Auslieferungsbegehren abgelehnt und schütze sie vor Entführung, wird nicht erwähnt.

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