Enthüllungen über AfD-Geheimtreffen: Entsetzen über Vertreibungs-Pläne

AfDler planten, Deutsche mit Migrationshintergrund zu vertreiben. Kanzler Scholz sieht einen „Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz“.

Fähnchen mit dem Logo der AfD

Dunkle Enthüllung: Geheimpläne der AfD erinnern an den Nationalsozialismus Foto: Daniel Karmann/dpa

BERLIN dpa | Das Treffen von Rechtsextremisten und AfD-Funktionären, bei dem über die Vertreibung von Menschen mit Migrationshintergrund gesprochen wurde, hat unter den anderen Parteien für Entsetzen gesorgt. Bundeskanzler Olaf Scholz mahnte Schutz und Einsatz für die Demokratie an. „Wer sich gegen unsere freiheitliche demokratische Grundordnung richtet, ist ein Fall für unseren Verfassungsschutz und die Justiz“, schrieb der SPD-Politiker am Donnerstag auf der Plattform X (früher Twitter). „Dass wir aus der Geschichte lernen, das ist kein bloßes Lippenbekenntnis. Demokratinnen und Demokraten müssen zusammenstehen.“

Über das Potsdamer Treffen im November hatte zuerst das Medienhaus Correctiv berichtet. Zu den Teilnehmern zählten mehrere AfD-Politiker, darunter Roland Hartwig, Berater von Partei- und Fraktionschefin Alice Weidel. Auch CDU-Mitglied Ulrich Vosgerau war nach eigenen Angaben dabei. Correctiv nannte zudem mehrere Mitglieder der Werteunion.

Thema war unter anderem ein Konzept zur sogenannten „Remigration“ also Vertreibung beziehungsweise Deportation von Menschen mit Migrationshintergrund. Martin Sellner, lange Kopf der rechtsextremen Identitären Bewegung in Österreich sprach nach eigenen Angaben darüber, wie erreicht werden könne, dass mehr Ausländer und Menschen mit deutschem Pass Deutschland verlassen, und wie Menschen mit Einwanderungsgeschichte zur Assimilation gedrängt werden könnten.

Scholz schrieb auf X: „Wir lassen nicht zu, dass jemand das „Wir“ in unserem Land danach unterscheidet, ob jemand eine Einwanderungsgeschichte hat oder nicht.“ Und er fügte hinzu: „Wir schützen alle – unabhängig von Herkunft, Hautfarbe oder wie unbequem jemand für Fanatiker mit Assimilationsfantasien ist.“

„Rechter Sumpf“

SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich sprach im Zusammenhang mit dem Potsdamer Treffen von „rechtem Sumpf“ und sagte: „Ich hoffe, dass alle die, die für diese Demokratie einstehen, auch in Zukunft alles dafür tun werden, gegen solche Netzwerke vorzugehen, gegen solche Gedanken vorzugehen.“ Die Zusammenkunft sei „auf einen Umsturz in Deutschland“ ausgerichtet gewesen.

Auch Grünen-Chef Omid Nouripour sagte: „Politisch müssen wir uns als Demokraten gemeinschaftlich dagegenstellen und der AfD ein klares Stoppschild zeigen.“ Nouripour meinte ebenfalls, es stelle sich die Frage einer strafrechtlichen Verfolgung und fügte hinzu: „Umsturzpläne sind eine gravierende Straftat und müssen mit der vollen Härte des Rechtsstaats verfolgt und bestraft werden.“

Die AfD hatte nach dem Correctiv-Report erklärt, das Treffen habe keine Bedeutung für ihre Migrationspolitik. Die Berliner AfD-Fraktionsvorsitzende Kristin Brinker sagte zudem, sie habe von dem Treffen erst aus den Medien davon erfahren. Sellners „Positionen teilen wir nicht“, fügte Brinker hinzu. AfD-Politiker fordern allerdings immer wieder auch öffentlich „Remigration“.

CDU-Mitglied Vosgerau sagte zu seiner Teilnahme an dem Potsdamer Treffen: „Ich hatte gehört, dass der Martin Sellner persönlich ein angenehmer Typ sein soll, der nicht fanatisch wirkt. Also habe ich gerne die Gelegenheit wahrgenommen, ihn persönlich kennenzulernen.“ Es müsse möglich sein, „in einem privaten Kreis auch mit Menschen einmal zu sprechen, die im Verfassungsschutzbericht auftauchen“.

Umfragehoch der AfD

Trotz der Debatte über mögliche radikale Ziele der AfD kommt diese auf starke Umfragewerte. Eine am Donnerstag veröffentlichte Umfrage von YouGov unter 2007 Wahlberechtigten sieht die AfD bundesweit bei 24 Prozent. Nach einer Forsa-Umfrage für RTL/ntv liegt die AfD in Thüringen sogar bei 36 Prozent, in Brandenburg bei 34 Prozent und Sachsen bei 32 Prozent. In allen drei Ländern stehen im September Landtagswahlen an.

Für ein Verbotsverfahren gegen die AfD sprachen sich in einer Umfrage des Instituts Ipsos 42 Prozent der Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus. Ebenso viele plädierten dagegen. Alle Umfragewerte wurden in den ersten Januartagen erhoben.

Schon am Donnerstagmorgen hatten sich viele demokratische Po­li­ti­ke­r*in­nen entsetzt über die Enthüllungen geäußert. Der FDP-Fraktionsvorsitzende Christian Dürr sieht Parallelen zum Nationalsozialismus. „Die Pläne zur Vertreibung von Millionen Menschen erinnern an das dunkelste Kapitel deutscher Geschichte“, schrieb er auf der Internet-Plattform X. Die vom Medienhaus Correctiv angeführte Recherche „zeigt, dass die AfD die Demokratie und unsere freiheitliche Grundordnung zutiefst ablehnt“.

SPD-Generalsekretär Kevin Kühnert und Grünen-Fraktionschefin Britta Haßelmann riefen Bürgerinnen und Bürger zum Engagement gegen die AfD auf. „An alle gerichtet, die nicht wollen, dass sich Geschichte wiederholt, appelliere ich: Bekennen Sie Farbe, und überlassen Sie das Feld nicht den Menschenfeinden“, sagte Kühnert den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Haßelmann mahnte auf X: „Unsere Demokratie, unsere Freiheit, unser Grundgesetz und die Errungenschaften unserer vielfältigen Gesellschaft müssen wir verteidigen gegen die Feinde der Demokratie. Das ist hoffentlich spätestens jetzt vielen Menschen klar.“

Auch CDU und Linke hatten sich bereits besorgt geäußert.

Der frühere Bundestagspräsident Wolfgang Thierse (SPD) warb dafür, trotz aller Risiken ein Verbotsverfahren gegen die AfD zu prüfen. „Die AfD organisiert sich mit Demokratiefeinden und Umstürzlern. Das ist hochdramatisch“, sagte er dem Berliner Tagesspiegel.

Wenn der Verfassungsschutz die AfD als eine in weiten Teilen rechtsextreme Partei definiere, „muss der Staat sie genauestens beobachten und ein mögliches Verbot prüfen“. Zwar gab er zu bedenken: „Ein Parteiverbot hat hohe Hürden und jedes Verfahren dazu würde von der AfD propagandistisch ausgeschlachtet. Das Damoklesschwert eines Verbotes sollte aber über der AfD hängen bleiben.“

Aktualisiert am 11.01.2024 um 16:50 Uhr. d. R.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.